Der Zugang zu Energiedienstleistungen als auch die Folgen des Energieverbrauchs sind ungleich verteilt. Vor allem sozioökonomisch benachteiligte Haushalte stehen vor einem Dilemma: Aus Angst vor zu hohen Energiekosten schränken sie ihren Energieverbrauch drastisch ein, wohnen jedoch oft in energieineffizienten Gebäuden. Das führt dazu, dass sie trotz Sparmaßnahmen einen großen Teil ihres Einkommens für Energie aufwenden müssen. Gleichzeitig sind sie besonders stark von den negativen gesundheitlichen Auswirkungen der Klimakrise betroffen. Energiearmut als Schnittpunkt zwischen Sozial- und Klimapolitik wird zum Aufgabenfeld klimagerechter Sozialer Arbeit, die gefordert ist, sich in klima- und energiepolitische Diskussionen einzubringen. Innovative Projekte in Form von Energiegemeinschaften oder progressiven Energietarifen stellen erste Ansatzpunkte dafür dar.
Vor welchen Herausforderungen stehen energiearme Haushalte?
Energiearmut ist ein vielschichtiges Phänomen, bei dem verschiedene Dimensionen ineinandergreifen. Unter Energiearmut wird im Wesentlichen der Mangel an ausreichender Energieversorgung verstanden, aber auch Situationen, in denen die Energiekosten zu übermäßig hohen finanziellen Belastungen bis hin zu Schuldenproblemen führen. Von Energiearmut Betroffene erleben häufig Diskriminierungen auf verschiedenen Ebenen und sind gesellschaftlich mehrfach benachteiligt. Beispielsweise weisen Frauen ein höheres Armutsrisiko auf als Männer und übernehmen mehr unbezahlte Care-Arbeit im Haushalt, welche wiederum mit einem erhöhten Energieverbrauch einhergeht. Armutsgefährdete Personen leben häufiger in Mietwohnungen und können daher nicht nur aufgrund begrenzter finanzieller Mittel, sondern auch wegen fehlender rechtlicher Möglichkeiten keinen Einfluss auf die energieeffiziente Sanierung der Gebäude nehmen. Menschen mit Migrationsgeschichte erleben häufig Diskriminierungen auf dem Wohnungsmarkt und müssen daher schlecht sanierte Wohnungen beziehen. Mangels rechtlicher und politischer Partizipationsmöglichkeiten verfügen sie jedoch kaum über eigene Handlungsspielräume, um ihre Situation zu verbessern.
Energiearmut aus der Perspektive der klimagerechten Sozialen Arbeit
Eines der zentralen Prinzipien Sozialer Arbeit ist der Einsatz für soziale Gerechtigkeit und die Förderung gesellschaftlicher Teilhabe. Die Klimakrise und die damit verbundenen sozialen Ungleichheiten verdeutlichen, dass Konzepte wie Klima- und Energiegerechtigkeit verstärkt in der Profession Sozialer Arbeit Einklang finden müssen. Diese Forderungen finden sich im Diskurs zur klimagerechten Sozialen Arbeit wieder: Die Auseinandersetzung mit Energiearmut wird auch hier zum Aufgabenfeld.
Die ungleiche Verfügbarkeit von Energie ist mit unterschiedlichen Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe verbunden. Bereits jetzt spüren armuts- und ausgrenzungsgefährdete Personen in Österreich die negativen hitzebedingten gesundheitlichen Auswirkungen besonders stark. Die prognostizierte Zunahme an Hitzewellen verdeutlicht, dass der Zugang zu Energie nicht nur im Winter zum Schutz vor Kälte, sondern auch im Sommer für Hitzeschutz an Bedeutung gewinnt. Notwendige gesamtgesellschaftliche Transformationsprozesse, wie die Umstellung auf erneuerbare Energien, müssen im Rahmen der Energiewende umgesetzt werden. Um armutsgefährdete Haushalte beim Umbau des österreichischen Energiesystems mitzunehmen, wurde in Österreich eine Weiterbildungsreihe für soziale Energieberatung ins Leben gerufen, in der Fachkräfte der Sozialen Arbeit sich Wissen im Bereich Energie aneignen können.
Soziale Energieberatung: ein neues Aufgabenfeld Sozialer Arbeit?
Durch die starken Energiepreissteigerungen in den letzten Jahren ist das Thema Energiearmut verstärkt in Sozialberatungsstellen aufgekommen. Eine besondere Herausforderung bei der Beratung besteht darin, dass die Personen aufgrund begrenzter finanzieller Mittel und fehlender rechtlicher Möglichkeiten meist keine Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs oder zum Wechsel der Energieform, wie beispielweise einen Heizungstausch oder Sanierung der Gebäudesubstanz, umsetzen können. Zudem schränken sich armutsgefährdete Personen ohnehin häufig aufgrund der Sorge vor hohen Energiekosten stark in ihrem Energiekonsum ein. Der Fokus in der Energieberatung armutsbetroffener Haushalte sollte demnach nicht auf Energiesparen, sondern Steigerung der Energieeffizienz durch leicht umsetzbare Maßnahmen im alltäglichen Gebrauch liegen.
Von der individuellen Perspektive zur gesellschaftlichen Verantwortung
Soziale Arbeit hat das Ziel, sich auf individueller als auch struktureller Ebene für soziale Teilhabe einzusetzen und sozialen Wandel zu fördern. Demnach geht ihr Aufgabenbereich über reine individuelle Beratungstätigkeit hinaus und beinhaltet zudem das Ausloten von Handlungsmöglichkeiten, um gesellschaftliche Strukturen zu verändern und mitzugestalten.
Für eine klimagerechte Soziale Arbeit steht im Zusammenhang mit Energiearmut die Frage im Mittelpunkt, wie allen Menschen der Zugang zu sauberer Energie ermöglicht werden kann, um gesellschaftliche Teilhabe zu gewährleisten. Gleichzeitig geht es darum, Wege zu finden, wie von Energiearmut Betroffene aktiv an der Energiewende mitwirken können.
Ein progressiv gestalteter Energietarif ermöglicht es, sozioökonomische Unterschiede im Energieverbrauch abzubilden. Ziel eines solchen Tarifs sollte es sein, die grundlegende Energieversorgung für die gesamte Bevölkerung sicherzustellen und gleichzeitig den gesamtgesellschaftlichen Energieverbrauch zu reduzieren, um eine flächendeckende Energiegrundsicherung zu gewährleisten. Weiters sind Maßnahmen wie die energieeffiziente Sanierung und energieeffizientes Bauen notwendig, wodurch sowohl soziale als auch ökologische Zielsetzungen unterstützt und wertvolle Synergien geschaffen werden. Solche Maßnahmen müssten jedoch so ausgestaltet sein, dass Armutsbetroffenen dadurch der Zugang zu energieeffizientem und zugleich leistbarem Wohnraum ermöglicht wird.
Forderungen einer klimagerechten Sozialen Arbeit
Um Empowerment zu fördern und damit Armutsbetroffene selbst einen aktiven Part in der Energiewende erhalten, können Kooperationen mit bestehenden Initiativen wie beispielsweise solidarischen Energiegemeinschaften eingegangen werde. Eine Energiegemeinschaft ist ein Zusammenschluss verschiedener Akteur:innen zur gemeinsamen Produktion, Speicherung, Nutzung und Vermarktung von Energie. Als solidarisch werden jene Energiegemeinschaften bezeichnet, die energiewirtschaftliche und soziale Aspekte zusammentragen. In Österreich haben sich dazu verschiedene Projekte etabliert, bei denen beispielsweise vorgesehen ist, dass ein gewisser Prozentsatz der erzeugten Energie an armutsgefährdete Haushalte fließt, oder gemeinsam diskutiert wird, wie Energiegemeinschaften anders solidarisch gestaltet werden können. Solche Maßnahmen eröffnen Möglichkeiten für Menschen, die von Energiearmut betroffen sind, sich aktiv in lokale Energieprojekte einzubinden und so ebenfalls Teil der Energiewende werden zu können.