Die Ausgestaltung der Regulierungsbehörden steht in Österreich wieder einmal zu Diskussion. So schlug die Aufgaben- und Deregulierungskommission im Jänner 2015 die „Zusammenlegung von Regulatoren unter einem Dach (Bsp. Deutschland: Bundesnetzagentur)“ vor, um eine „Vereinfachung der Behördenorganisation“ zu erreichen. Es geht um die Schaffung eines „Großregulators“ für die Sektoren Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen. In Zeiten knapper Kassen und großer Erwartungshaltung an Einsparungen in der Verwaltung liegt es nahe, die Zusammenlegung unterschiedlicher Behörden zu fordern. Dabei sollte allerdings das größere verfassungsrechtliche Bild nicht außer Acht gelassen werden und demokratische Strukturen nicht leichtfertig aufgegeben werden.
Regulierungshybride zwischen Verfassungs- und Europarecht
Die Etablierung von Regulierungsbehörden in Österreich ist unmittelbar mit den europarechtlichen Vorgaben zur Regulierung von Netzwerkindustrie, wie etwa Strom, Gas oder Telekommunikation, verbunden. Dabei werden in Hinblick auf Regulierungsbehörden immer weitergehende Unabhängigkeitsforderungen aufgestellt. Während die Unabhängigkeit von Markt als zwingende Voraussetzung im Konzept der Liberalisierung der Märkte anzusehen ist, bedeutet die Unabhängigkeit vom Staat ein Verwaltungskonzept, das die österreichische Verfassung nur als Ausnahmefall kannte.
Durch Anpassung der österreichischen Verfassung an das Europarecht ist in den letzten 15 Jahren ein Regulierungsverfassungsrecht entstanden, das eine völlig neuartige Verwaltungsstruktur im Stile einer europäischen Agentur fördert. Es entstehen hybride Regulierungsstrukturen zwischen österreichischem Verfassungsrecht und europäischer Behördenorganisation. Der Sachverstand der Experten soll als Legitimation dienen. Dabei reichen aber die Aufgaben der Regulierungsbehörden jenseits der Gewaltenteilung von Rechtssetzung (Mitwirken an Gesetzentwürfen; Verordnungsrechte) über die Verwaltungsführung bis hin zur Rechtsprechung. Eine adäquate Einordnung als Sachverständigenorgan greift zu kurz – ja sogar eine Einordnung in die Staatsfunktion „Verwaltung“ beschreibt die Situation unzureichend. Schließlich sind Regulierungsbehörden zunehmend staatlich entkoppelt und an europäische Institutionen angebunden, womit die Möglichkeiten der demokratischen Legitimation weiter sinken (siehe dazu auch die Studie von „Regulatie“).
Der Wert der Demokratie
Es fehlt in Österreich an einem einheitlichen Standard des Umgangs mit Fragen der demokratischen Legitimation im Regulierungsrecht. Regelmäßig werden Kontrollmechanismen an bestimmte Organisationsformen gekoppelt. Weisungs- und Aufsichtsrechte der Ministerien oder parlamentarische Kontrollrechte werden in Hinblick auf ausgegliederte Regulierungs-GmbHs, öffentlich-rechtliche Anstalten und unabhängige Kollegialbehörden völlig unterschiedlich geregelt. Überdies werden diese Möglichkeiten zunehmend durch europäische Vorgaben zurückgedrängt.
Wettbewerbscredo statt Verfassungsrecht
Dies führte in Österreich zu einer sektorspezifischen Regulierungsverfassung, deren treibendes Motiv die Durchsetzung des Wettbewerbs ist und die nicht in das Gesamtkonzept der traditionellen Verfassung eingebunden ist. Damit steht auch die Frage nach demokratischer Legitimation und Kontrolle der neu geschaffenen Regulierungsbehörden weder auf EU- noch auf nationaler Ebene im Fokus. Angemessene Beteiligungsmöglichkeiten verschiedener „stakeholder“ im Regulierungsprozess sind im Wesentlichen von der Kooperationsbereitschaft der Regulierungsbehörde abhängig. Agenturen europäischen Stils, die von ExpertInnen dominiert werden, ersetzen die demokratisch legitimierten Behördenstrukturen. Das europäische System der ExpertInnenentscheidungen stellt das Prinzip der Gewaltenteilung in Frage und entzieht sich oftmals der kritischen Öffentlichkeit.
Expertokratie statt Demokratie
Einheitliche demokratische Standards können jedenfalls nicht durch die Zusammenlegung der Regulierungsbehörden zu einem Großregulator erreicht werden. Ganz im Gegenteil: Durch Schaffung einer „Großregulierungsbehörde“ wird diese in ihrer entdemokratisierten Rolle noch gestärkt und ist von außen noch weniger kontrollierbar. Im Sinne der demokratischen Gewaltenteilung („checks&balances-principle“) sind kleinere Regulierungsbehörden, die sachlich beschränkt und fachlich begrenzt sind, wesentlich geeigneter in innerstaatliche Demokratiestrukturen eingebettet zu werden als eine große, von der staatlichen Verwaltung losgelöste Agentur, in der ExpertInnenwissen demokratische Strukturen überlagert. Demokratie hat ihren Wert, der auch im europäischen Verwaltungsverbund aufrechtzuerhalten ist und nicht durch Effizienzdruck leichtfertig aufgegeben werden sollte.
„Expertokratie statt Demokratie – Neue Spielregeln bei der Regulierung des Energiesystems“ ist auch Thema einer Veranstaltung der AK Brüssel am 11.5.2015 um 18:30.