Die Straßeninfrastruktur – der Untergrund für unsere Arbeits- und Freizeitwege – zerbröselt. Genauer: Unsere Landes- und Gemeindestraßen sind alt und brauchen eine Sanierung. Wird bei diesem Infrastrukturdefizit nichts getan, wird es in Zukunft noch einmal teurer. Zeit also für einen New Deal für mehr Beschäftigung, Investitionen und Kostenwahrheit!
Ein Befund mit Schlaglöchern
Ausgangspunkt aller Überlegungen muss sein: Rund 2.200 km an Autobahnen und Schnellstraßen in Österreich sind in gutem Zustand, professionell betrieben und finanzieren sich einigermaßen verursachergerecht. Beim untergeordneten Straßennetz sieht es dagegen düster aus: Unsere Landesstraßen sind alt oder mangelhaft saniert und müssen jetzt schon in einigen Bundesländern für den Güterverkehr gesperrt werden. Für diese 34.000 km samt Brücken und Tunnelanlagen tut sich eine „Erhaltungslücke“ auf. Soll nur das derzeitige Zustandsniveau auf Landesstraßen bis 2024 annähernd beibehalten werden, sind zusätzlich 300 Mio. € jährlich notwendig. Für das kommunale Straßennetz mit rund 88.000 km an Straßen gehen Experten ebenfalls von 300 Mio. € aus. Wird der Straßenoberbau nicht rechtzeitig saniert, geht es sprichwörtlich an die Substanz und verteuert das Ganze in Zukunft noch einmal. Etwas zugespitzt könnte das selbstfahrende Auto in absehbarer Zeit fahrtüchtig sein, aber an unseren Rumpelpisten scheitern. Bei Finanzierung und Management dieser Infrastruktur besteht also noch „viel Luft nach oben“.
Öffentliche Straßeninfrastruktur ist notwendig
Bei Verkehrsinfrastruktur geht es primär um die Erreichbarkeit von Regionen für BürgerInnen und Wirtschaft. Rund 82 % aller Personenkilometer und 55 % aller Tonnenkilometer werden in Österreich auf der Straße zurückgelegt. Das Rückgrat unserer Mobilität und die Einbindung in Logistiknetze beruht (noch immer) auf Straßen. Angesichts prognostizierter Verkehrssteigerungen (va. Güterverkehr) und ökologischer Herausforderungen (z.B. Klimawandel) muss eine Verlagerung auf öffentliche Verkehrsmittel erst noch Platz greifen.
Bei Verkehrsinfrastruktur geht es aber auch um Wirtschaftswachstum, Standortanbindung und Beschäftigung. Straßeninvestitionen leisten kurzfristig durch einen hohen lokalen Wertschöpfungsanteil einen positiven konjunkturellen Impuls. Laut WIFO-Berechnungen entstehen durch ASFINAG-Investitionen in Höhe von 1 Mrd. € Beschäftigung für 12.300 Personen und ein zusätzliches BIP-Wachstum von 0,5 %. Die Ausgaben von Bundesländern und Gemeinden für den Bau und Erhalt von Landes- und Gemeindestraßen werden auf 2,8 Mrd. € (Zahlen für 2014) geschätzt.
Investitionen in Straßenbau mögen im Vergleich zu anderen Infrastrukturausgaben (v.a. Bildung und Forschung) an Bedeutung verloren haben. Für mehr Beschäftigung sollten sie aber nicht außen vor bleiben.
Wird Volksvermögen werthaltig verwaltet?
Beim sperrigen Thema Straßensanierung geht es aber auch um Volksvermögen. Der Neubauwert bzw. Wiederbeschaffungswert von Landesstraßen liegt bei rund 11 Mrd. €. Das aktuelle Anlagevermögen wird aber von Alfred Weninger-Vycudil von PMS-Consult auf 5,5 Mrd € geschätzt. Die Hälfte des Werts ist also verloren gegangen. Seit 2002 sind ehemalige Bundestraßen-B und Landesstraßen im Besitz von Bundesländern; Gemeindestraßen dagegen seit jeher Angelegenheit von Gemeinden. Über den Finanzausgleich wird der Bau, Betrieb und Unterhalt dieses Straßennetzes finanziert. Vereinfacht hebt dabei der Bund die Steuern ein und gibt einen Teil davon an Länder und Gemeinden ab. Bezeichnend aber ist: Auch bei den laufenden Finanzausgleichsverhandlungen ist eine zukunftsfähige Straßeninfrastruktur im ländlichen Raum nicht einmal auf der Tagesordnung. Folgenlos bleiben auch unzählige Rechnungshofberichte mit fundierter Kritik an der Gebarung der Länder.
Föderale Finanzstruktur überdenken
Für die Straßeninfrastrukturfinanzierung wird gemeinhin die Mineralölbesteuerung (MÖSt) neben anderen verkehrsspezifischen Abgaben als Basis herangezogen. Bei der MÖSt gilt aber wie bei allen Steuerausgaben: Der Bund hebt sie zwar ein, kann aber steuerrechtlich eine zweckgewidmete Steuerverwendung bei den Ländern und Gemeinden nicht geltend machen. Realität ist vielmehr, dass MÖSt-Einnahmen längst im allgemeinen Budget „aufgegangen“ sind. Bei öffentlichen Haushalten mit angespannter Situation („Stabilitätspakt“) werden diese wohl auf absehbare Zeit kaum für die Ertüchtigung von Straßen verwendet werden.
Wer Straßen werthaltig zur Verfügung stellen will, muss den Lebenskostenzyklus mitbedenken. Dieser kann im Laufe der Jahre beträchtlich variieren. Konsens unter Experten ist daher, dass das bloße jährliche Fortschreiben von Budgetzuweisungen in öffentlichen Haushalten, und erst recht in Gemeinden, dieser Notwendigkeit nie gerecht werden kann. Ausgangspunkt ist daher ein Infrastrukturfonds, der außerhalb des Budgets eine bedarfsgerechte und überjährige Finanzierung sicherstellt. Vorbild wäre hier der Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds auf Bundesebene, der die Zweckwidmung bei der Wasserversorgung und Kanalisation in allen Regionen nachhaltig steuert. Keinesfalls sollten aber wie bisher Steuermittel „ohne Erfolgskontrolle“ an Länder und Gemeinden Länder abfließen.
Erfolgsmodell ASFINAG
Restriktive Budgetvorgaben beim Infrastrukturausbau (Maastricht-Kriterien und Missachtung der golden rule) wurden bereits Ende der 1990er Jahre am hochrangigen Autobahn- und Schnellstraßennetz erfolgreich umschifft. Mit Einführung einer fahrleistungsabhängigen LKW-Maut und Übertragung des Fruchtgenusses an die ASFINAG wurde ein tragfähiges Modell gefunden. Der Ausbau und Erhalt einer leistungsfähigen öffentlichen Verkehrsinfrastruktur konnte allen widrigen Fiskalvorgaben zum Trotz sichergestellt werden. Ähnliche Konstruktionen könnten daher zumindest für alle Landesstraßen wegweisend sein. Mit etwas politischer Phantasie könnte eine fahrleistungsabhängige LKW-Maut auf Landes- und Gemeindestraßen in Kombination mit einer Bezuschussung aus MÖSt-Einnahmen dies Maastricht-konform ermöglichen.
Im Vergleich zu Deutschland ist Österreich damit bestens gefahren. Bei unserem Nachbarland verfällt dagegen die Verkehrsinfrastruktur um jährlich 4,5 Mrd. €, weil eine fragwürdige Haushaltspolitik selbst gesperrte Brücken und eine verrottete Infrastruktur ignoriert. Trotz Null-Zinsen und deflationärer Tendenzen in der Gegenwart werden dort lieber überproportionale Sanierungskosten für Straßen in der Zukunft in Kauf genommen. Vermeintliche Musterschüler agieren anders!
LKW-Maut auf allen Straßen in Österreich einführen
AK und Gewerkschaften fordern seit Jahren, was die zuständigen Beamten in Bundesländern über Parteigrenzen hinweg unabhängig erarbeitet haben: Eine LKW-Maut auf allen Straßen ist sinnvoll und machbar. Sie entlastet die Allgemeinheit und lastet die Kosten der Straßenabnützung verursachergerecht dem LKW an. Was sich schon 2004 bei den „Angstargumenten“ bei der LKW-Maut auf der Autobahn (v.a. Preisanstieg und Verlust der Wettbewerbsfähigkeit) nicht bewahrheitete, kann auch hier nicht eintreten. Ein Blick in die Schweiz mit einer doppelt so hohen Maut auf allen Straßen sollte eigentlich genügen. Ganz wichtig für die Regionen aber ist, dass mautfinanzierte Straßen auch die regionale Wirtschaft fördern würden. Eine AK-Studie kann hier aufzeigen: In jeder, auch noch so strukturschwachen und abgelegenen Region (z.B. Waldviertel, Südburgenland, Kärnten) werden sogar netto mehr Jobs gesichert und geschaffen, wenn die dort eingenommenen Mautgelder auch in die Straßen vor Ort investiert werden! Nichts sollte uns also daran hindern, auch hier neue Wege zu begehen.