Die Wiener Mindestsicherung ist das letzte finanzielle Auffangnetz für in Wien lebende Menschen. Verglichen mit den anderen Bundesländern steht Wien bei der sozialen Absicherung noch am besten da, obwohl das unter der vormaligen türkis-blauen Bundesregierung erlassene Sozialhilfegrundsatzgesetz den Handlungsspielraum der Stadtregierung begrenzt. Durch die Mindestsicherung lassen sich wichtige lebensnotwendige Bedürfnisse decken, Bezieher:innen leben dennoch unter der statistischen Armutsschwelle, und die aktuelle Energiekrise verschlimmert die Situation dramatisch. Unabhängig davon müssen grundsätzliche Probleme der Sozialhilfe und Mindestsicherung angesprochen werden.
Situation in Wien
Im November 2022 haben in Wien mehr als 126.000 Personen Leistungen der Wiener Mindestsicherung bezogen, das entspricht etwa der Einwohner:innenzahl von Innsbruck.
(Mehr Zahlen zur Wiener Mindestsicherung finden Sie hier.)
Der Sozialhilfe-Richtsatz für eine Erwachsene Person beträgt für heuer 1.053 Euro netto – 12 Mal im Jahr. Die Armutsschwelle laut EU-SILC lag aber bereits 2021 – also vor der Teuerungswelle – schon bei 1.371 Euro für eine:n Erwachsene:n und damit deutlich höher. Die stark angestiegenen Energiekosten sowie allgemein hohe Wohnkosten am Privatmarkt sorgen dafür, dass vielen Bezieher:innen zu wenig für ein Leben in Würde bleibt. Die Stadt Wien setzte deshalb zuletzt eine Reihe an zusätzlichen Energieunterstützungsmaßnahmen wie den Wiener Energiebonus ’22. Für besonders betroffene Wiener:innen gibt es zusätzliche Entlastungen durch die Wiener Energieunterstützung Plus und die Wiener Energiekostenpauschale.
Auch die Miet- und Wohnbeihilfe stellen wichtige Dauerleistungen mit Rechtsanspruch für Wienerinnen und Wiener dar, da die Wohnkosten aus der Basisleistung oft nicht bestritten werden können.
Es darf aber nicht übersehen werden, dass die Wiener Mindestsicherung bei Weitem nicht allen in Wien lebenden Menschen, die sich in einer finanziellen Notlage befinden, zusteht und es darüber hinaus Probleme beim Verfahren geben kann.
Ausgeschlossene Personengruppen & Abhängigkeitsverhältnisse
Im Sozialhilfegrundsatzgesetz werden Voraussetzungen für den Bezug der Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe festgelegt. Die Staatsbürgerschaft bzw. der Aufenthaltstitel spielen dabei eine große Rolle. EU-Bürger:innen sind österreichischen Staatsbürger:innen beispielsweise nicht automatisch gleichgestellt und müssen besondere Voraussetzungen erfüllen. Für Drittstaatsangehörige gelten noch strengere Regeln. Im Ergebnis gibt es in Wien also eine Vielzahl an Menschen, die kein Recht auf Existenzsicherung haben, obwohl sie hier schon seit vielen Jahren leben.
Der Anspruch kann auch aufgrund der Wohnsituation scheitern. Verdient einer von zwei Lebensgefährt:innen zu viel, hat dessen Partner:in keinen eigenständigen Anspruch auf Mindestsicherung, wenngleich in dieser Konstellation, mangels Ehe, auch keine Unterhaltsansprüche bestehen. Die Folge ist ein Abhängigkeitsverhältnis, wobei Leidtragende in der Praxis oft Frauen sind.
Kompliziertes, langwieriges Verfahren
Tatsächlich scheitern auch viele Anspruchsberechtigte bereits bei der Abwicklung des Bewilligungsverfahrens oder verzweifeln während der teilweise langen Wartedauer, bis die erste Unterstützung eintrifft. Für die Bearbeitung von Anträgen darf sich die in Wien zuständige Behörde, die Magistratsabteilung 40, grundsätzlich drei Monate Zeit nehmen. Zwischen Beantragung und Bewilligung kann daher viel Zeit vergehen.
Grund ist die sogenannte „Subsidiarität“ der Mindestsicherung. Die Leistung steht nur zu, wenn der entsprechende Bedarf, also das Bestehen einer Notlage, nachgewiesen wird. Daher muss die Behörde genau prüfen, ob Ansprüche (zum Beispiel ein Anspruch auf Arbeitslosengeld) auch wirklich verfolgt werden und keine sonstigen Hinderungsgründe bestehen. Dass für ein solches umfangreiches Prüfverfahren bei der Vielzahl an Bezieher:innen und Antragsteller:innen ausreichend Zeit zur Bearbeitung der Anträge erforderlich ist, ist nachvollziehbar. Dennoch ist festzuhalten, dass die Notlage und der Bedarf an finanzieller Unterstützung bereits bei der Antragstellung vorliegt und die Hilfesuchenden manchmal Monate ohne Hilfe auskommen müssen, ehe es zur (rückwirkenden) Auszahlung der Leistung kommt.
Überdies scheitern einige an der teilweise komplizierten Mitwirkungspflicht im Rahmen der Übermittlung entsprechender Nachweise und Stellungnahmen, nicht nur jene mit sprachlichen Barrieren.
Keine Spontanhilfe mit Rechtsanspruch
Aufgrund der teilweise langen Dauer des Bewilligungsverfahrens besteht der Bedarf nach einmaligen Soforthilfen. Die in Wien bereits existierende „Hilfe in besonderen Lebenslagen“ kann in Ausnahmesituationen beantragt werden und eine wichtige Unterstützung sein, jedoch besteht kein Rechtsanspruch auf die Gewährung.
Klare Kriterien, unter welchen Voraussetzungen eine entsprechende Spontanhilfe zusteht, und eine Überprüfung im Schnellverfahren wären wünschenswert, sofern das allgemeine Bewilligungsverfahren alternativ nicht deutlich verkürzt werden kann.
Falsche Informationen und Stigmatisierung
Zuletzt müssen auch noch jene Personen angesprochen werden, die keine Wiener Mindestsicherung beantragen, obwohl ein Anspruch gegeben wäre. Der Grund dafür ist oft, dass Leistungsbezieher:innen stigmatisiert werden, selbst innerhalb der Gruppe der sozial Bedürftigen. Politik und Medien tragen häufig mit dem von ihnen geschürten Diskurs die Schuld daran: Die sozial am meisten Benachteiligten werden zur Zielscheibe von politischer Stimmungsmache, die Ärmsten der Gesellschaft gegeneinander ausgespielt. Dabei kommt es auch zur bewussten Verbreitung von Unwahrheiten, wo gerne das Bild der „sozialen Hängematte“ gezeichnet wird, während die zahlreichen Verpflichtungen, die an den Leistungsbezug geknüpft sind, nicht erwähnt werden.
Die Sozialberatung Wien bietet kostenfreie Rechtsberatung im Auftrag der Arbeiterkammer Wien und unterstützt bei allen Fragen & Problemen im Zusammenhang mit der Wiener Mindestsicherung.
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