Die Regierung hat den Käthe-Leichter-Staatspreis für Frauen- und Geschlechterforschung ersatzlos gestrichen, den Ersatzpreis will man unter neuem Namen „neu konzipieren“. Damit werden die soziale Dimension der Frauenanliegen und antifaschistische Erinnerungskultur in Österreich zurückgedrängt.
Heute verleiht das Frauenministerium den Käthe-Leichter-Preis für ein Lebenswerk, das der Emanzipation und der Stärkung der Frauenrechte gewidmet war. Außerdem vergeben Arbeiterkammer und Nationalbank wie jedes Jahr seit 2005 die Käthe-Leichter-Förderpreise für das wissenschaftliche Engagement für Frauen für Frauen. Ersatzlos gestrichen ist dagegen der Käthe-Leichter-Staatspreis für Frauen- und Geschlechterforschung, Einsprüche des DöW, des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands, und von Arbeiterkammer und Gewerkschaft, blieben unbeachtet. Auch die in einer Standard-Recherche und einem Bericht des Momentum-Instituts von Mitgliedern der (nicht eingebundenen) Jury, von bisherigen Preisträgerinnen und Vertreterinnen von Frauenorganisationen fanden kein Gehör. Das ist ein doppelter Affront gegen das Prinzip des demokratischen Sozialstaats und eine ernst zu nehmende antifaschistische Erinnerungskultur, auch wenn das zuständige Frauenministerium abwiegelt und Einsprüche wie Kritik als künstliche Aufregung abtut, – es gebe ja weiter den Lebenswerk-Preis des Ministeriums und ebenso die Förderpreise von AK und Nationalbank. Nur der Staatspreis soll neu konzipiert und weiter gefasst werden. Warum also soll der Verzicht auf den Käthe-Leichter-Staatspreis und damit den Frauenstaatspreis mit der bisherigen Zielsetzung ein Affront gegen die Prinzipien sein, nach denen die österreichische Demokratie aufgebaut wurde? Die Antwort darauf: Weil das Verleihen einer Auszeichnung, die Staatspreis heißt, samt deren Benennung eine aktuelle politische Dimension hat. Die Benennung von zunächst zwei Staatspreisen nach Käthe Leichter signalisierte, dass hier Forschung ins Zentrum gerückt werden sollte, die den gesellschaftlichen Zusammenhang im Auge behält. Für die überragende Wissenschaftlerin Käthe Leichter, die erste Leiterin der Frauenabteilung der Arbeiterkammer in Wien, war die Erkenntnis der untrennbaren Verbindung zwischen der Emanzipation von Frauen (wie aller anderen diskriminierten Menschengruppen) und der Zunahme sozialer Gerechtigkeit und Teilhabe Richtschnur ihres wissenschaftlichen und politischen Engagements. Als Frauenministerin Johanna Dohnal und das Sozialministerium unter dem Gewerkschafter Josef Hesoun 1991 ihre Staatspreise auf Initiative des Historikers Herbert Steiner einführten, befand man sich gerade am Beginn der neoliberalen Ära, die den Sozialstaat zum Auslaufmodell erklärte. Die Benennung und die Preisverleihung im Rahmen der ITH, der „Internationalen Tagung der Historiker der Arbeiterbewegung“ (heute „International Conference of Labour and Social History) bis 1999 kann als eines der Projekte gesehen werden, sich dem Mainstream-Trend der Gleichsetzung von „freiem Markt“ und Demokratie entgegenzustellen.
Es war also konsequent und in sich schlüssig, dass schon die erste österreichische Regierung nach 1945, die sich offen vom Sozialstaat als Demokratiemodell distanzierte und Sozialpolitik zu einer Art Staatscaritas herabstufte, den Käthe-Leichter-Staatspreisen keine große Zuneigung entgegenbrachte. Es gibt seit 2000 nur mehr einen Preis, jenen des Frauenministeriums, und dieser wurde mehrere Jahre überhaupt stillgelegt. Nachdem die Preisvergabe 2005 wieder begann, stifteten Arbeiterkammer und Nationalbank und nach und nach eine Reihe von Ministerien zusätzliche Förderpreise. Dass die diversen Ministerienpreise jetzt ebenfalls verschwinden, ist zwar unerfreulich, aber mit der politischen Positionierung, die das Einstellen des Staatspreises bedeutet, nicht zu vergleichen.
Herbert Steiner war nicht nur Initiator des Staatspreises, sondern gab auch die erste Publikation über Käthe Leichters Leben und Werk heraus. Als Gründer des DöW legte er einen besonderen Schwerpunkt auf ihre klare und aktive antifaschistische Haltung und dokumentierte die Berichte über ihre KZ-Haft im jüdischen Block und ihre Ermordung durch das NS-Regime. Die Entscheidung, den Frauen-Staatspreis nicht mehr nach ihr zu benennen, ist ein Affront gegen die antifaschistische Erinnerungskultur vor allem auch, weil ihr Name der Name einer Jüdin ist, die Opfer des Holocaust wurde. Diese Entscheidung bedeutet, ob mit oder ohne Absicht, eine Absage an das antifaschistische Gründungsprinzip der Zweiten Republik, wie es in der Proklamation vom 27. April 1945 festgeschrieben ist. Siestellt damit ebenso den Affront gegen eine Erinnerungskultur dar, die das Gedenken an den Holocaust und den Kampf gegen Antisemitismus als demokratische Aufgabe versteht. Wer Rosa Jochmanns Bericht über Käthe Leichters letzten Wochen im KZ Ravensbrück und den Abschied vor der Fahrt in den Tod kennt, wird die Abschaffung dieses Staatspreises, der ihren Namen trägt, zudem als Pietätlosigkeit verstehen müssen.