Erstmalig soll es in Österreich eine verbindliche Frauenquote für die Vorstände großer, börsennotierter Unternehmen geben. Dies sieht zumindest ein Gesetzesentwurf vom 10. Februar 2025 vor. Das Justizministerium geht damit auf die EU-Richtlinie „Women on Boards“ ein, die Ende 2024 in Kraft getreten ist. Eine gesetzliche Quotenregelung auf Vorstandsebene ist in Österreich längst überfällig: Auch im Jahr 2025 sind nur 15,5 Prozent aller Vorstandspositionen in den ATX-Unternehmen mit Frauen besetzt.
Mit Frauenquote in Vorständen börsennotierter Unternehmen EU-Richtlinie umsetzen
Seit dem 1. Jänner 2018 gibt es in Österreich eine verbindliche „Frauenquote“ von 30 Prozent für die Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen sowie Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Vorstandsposten waren bisher von gesetzlichen Geschlechterquoten ausgenommen. Dies soll sich nun ändern: Ein Gesetzesentwurf des Justizministeriums vom 10. Februar 2025 sieht die Erhöhung des Anteils von Frauen in Aufsichtsräten sowie in Vorständen börsennotierter Gesellschaften in Österreich vor. Konkret soll die Geschlechterquote für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen auf 40 Prozent steigen. Bei Verletzung der Quote gilt das sogenannte Prinzip des „leeren Stuhls“: Wird ein Aufsichtsratsposten mit einer Person des schon überrepräsentierten Geschlechtes besetzt, so ist diese Bestellung nichtig und der Sessel bleibt unbesetzt. Zudem soll in Vorständen börsennotierter Unternehmen, die aus zumindest drei Personen bestehen, mindestens eine Person des unterrepräsentierten Geschlechts vertreten sein. Wird die Quote bei Neubestellung einer Person in den Vorstand missachtet, so ist diese Bestellung gesetzeswidrig und die Person darf nicht ins Firmenbuch eingetragen werden.
Österreich setzt EU-Richtlinie „Women on Boards“ um
Mit dem Gesetzesentwurf stößt die ehemalige Justizministerin Alma Zadić die Umsetzung der EU-Richtlinie „Women on Boards“ an. Diese sieht eine Quote von 40 Prozent des unterrepräsentierten Geschlechts für den Aufsichtsrat bzw. von 33 Prozent für die Unternehmensleitung vor. Betroffen sind börsennotierte Unternehmen – diese haben bis Ende Juni 2026 Zeit, eine der zwei Optionen zu erfüllen. Die Richtlinie ist bereits seit dem 28. Dezember 2024 in Kraft und hätte bis dahin von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht überführt werden müssen. Da Österreich dieser Pflicht allerdings nicht fristgerecht nachkam, leitete die EU Ende Jänner 2025 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich (und 16 weitere EU-Staaten) ein. Während der letzten Regierung unter Kanzler Karl Nehammer forderte die Opposition wiederholt die Umsetzung, doch die Regierung blockierte sämtliche Anträge. Der Gesetzesentwurf liegt derzeit zur Begutachtung im Nationalrat. Ob und wann dieser verabschiedet wird, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch unklar. Unbestritten ist, dass dringend strengere Quotenregelungen erforderlich sind, die auch die Geschäftsführungsebene einbeziehen. Der aktuelle Frauen.Management.Report macht klar: Österreichs Unternehmen sind auf Vorstandsebene noch weit von einer echten Geschlechterparität entfernt.
Geschäftsführungen der größten österreichischen Unternehmen weiterhin in Männerhand
Die Arbeiterkammer Wien erhebt jährlich die Geschlechterverhältnisse österreichischer Spitzenunternehmen in Aufsichtsrat und Vorstand. Insgesamt lässt sich über die letzten Jahre eine stetige, aber langsame Zunahme von Frauen in Führungspositionen verzeichnen. So stieg beispielsweise der Anteil an Frauen in den Aufsichtsräten der Top 200 Unternehmen in den letzten zehn Jahren um mehr als zehn Prozentpunkte – von 16,2 Prozent in 2015 auf 27,7 Prozent in 2025. In den quotenerfassten börsennotierten Unternehmen stieg der Frauenanteil in den Aufsichtsräten sogar von 22,4 Prozent (Jänner 2018) auf 38,0 Prozent (Jänner 2025), also um ganze 15,6 Prozent. Drei Viertel der quotengebundenen Unternehmen erreichen bzw. übertreffen den vorgeschriebenen Frauenanteil von 30 Prozent, die Hälfte der Unternehmen liegt bei mindestens 40 Prozent.
Auf Ebene der Unternehmensführung zeigt sich allerdings ein anderes Bild: Der Frauenanteil ist hier nur etwa halb so hoch wie jener in den Aufsichtsräten. In den umsatzstärksten 200 Unternehmen Österreichs sind im Jänner 2025 nur 13,8 Prozent aller Vorstandspositionen mit Frauen besetzt. Das bedeutet, dass nicht einmal jede siebte Geschäftsführungsposition von einer Frau bekleidet wird.
In den börsennotierten Unternehmen zeigt sich dieses Ungleichgewicht noch deutlicher: Nur 28 von 218 Vorstandsmitgliedern (12,8 Prozent) sind Frauen. Im ATX liegt der Frauenanteil unter den Geschäftsführungen immerhin bei 15,5 Prozent.
Die „gläserne Decke“, die hoch qualifizierte Frauen daran hindert, den beruflichen Aufstieg zu schaffen, bleibt also auch im Jahr 2025 hartnäckig bestehen. Grund dafür sind tief verwurzelte Strukturen und Stereotypen. Der „kulturelle Code“ der Führung – eine Mischung aus traditionellen Erwartungen, die oft mit männlichen Eigenschaften wie Durchsetzungsvermögen und Risikobereitschaft verbunden sind – erschwert den Zugang für Frauen. Die Rekrutierung von Führungskräften folgt oft dem Prinzip der Ähnlichkeit, was bedeutet, dass Männer nach Führungsrollen in jüngeren Versionen ihrer selbst suchen. Zudem ist Care-Arbeit, also die Erziehung von Kindern oder das Pflegen von Alten und Kranken, noch immer stark ungleich verteilt und bleibt vermehrt an Frauen hängen. Dies stellt eine erhebliche Hürde für Frauen dar, eine adäquate Vereinbarkeit von beruflicher Karriere und familiären Verpflichtungen zu erreichen.
Österreich schneidet im europäischen Vergleich schlecht ab
Mit 15,5 Prozent Frauen unter den Vorstandspositionen der ATX-Unternehmen liegt Österreich auf dem drittletzten Platz unter den EU-Ländern. Nur Tschechien (15 Prozent) und Luxemburg (10 Prozent) haben weniger Frauen in den Unternehmensführungen großer börsennotierter Unternehmen. Bei den DAX-Unternehmen in Deutschland waren im Jahr 2024 ein Viertel (25,7 Prozent) aller Vorstandsmitglieder weiblich. Damit liegt Deutschland knapp über dem EU-Schnitt von 23,3 Prozent. In Deutschland gilt seit 2022 eine Geschlechterquote für den Vorstand börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten. Demnach müssen die Vorstände dieser Unternehmen, sofern sie mehr als drei Mitglieder haben, mit mindestens einer Frau und einem Mann besetzt sein. Dass diese Quote Wirkung zeigt, macht die Entwicklung des Frauenanteils in den Unternehmensführungen der DAX-Unternehmen deutlich: 2021, also vor Einführung der Quote, waren nur 17,5 Prozent aller DAX-Vorstandsmitglieder Frauen. Seit Einführung der Quote steigerte sich also der Anteil der weiblichen Vorstandsmitglieder um 8,2 Prozentpunkte.
Die Zahlen aus Deutschland sowie die vieler anderer europäischer Staaten zeigen ganz klar: gesetzliche Quotenregelungen wirken. Betrachtet man die Situation in den Aufsichts- und Verwaltungsräten, so zeigt sich, dass von 14 Ländern, die über dem EU-Schnitt des Anteils von Frauen in diesen Gremien liegen, neun davon national verpflichtende Regelungen umgesetzt haben. Auch die Tatsache, dass der Anteil an Frauen in den Aufsichtsräten der Top 200 Unternehmen in Österreich mehr als doppelt so hoch ist wie der in den Vorständen dieser Unternehmen zeigt, dass es höchste Zeit ist, auch die Vorstände österreichischer Unternehmen über eine verbindliche Quotenregelung abzudecken.
Gesetzesentwurf als wichtiger Meilenstein für mehr Gleichberechtigung auf Führungsebene
Abschließend zeigt sich, dass der aktuelle Gesetzesvorschlag zur verbindlichen Frauenquote in börsennotierten Unternehmen einen bedeutenden Meilenstein auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung in der Wirtschaft markiert. Die verpflichtende Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen und die angestrebte 40-Prozent-Quote in Aufsichtsräten sind entscheidende Schritte, um tief verwurzelte, männerdominierte Strukturen aufzubrechen und eine gerechtere Unternehmenskultur zu etablieren.
Frauen in Führungspositionen wirken sich nachweislich positiv auf die Personalpolitik, die Vergütungsgerechtigkeit und die gesamte Unternehmenskultur aus. Zudem dienen sie als inspirierende Vorbilder für nachfolgende Generationen und fördern eine nachhaltige Veränderung hin zu mehr Diversität und Chancengleichheit.
Die große Chance besteht nun darin, diesen Weg konsequent weiterzugehen. Die zusätzliche Einführung einer 33-Prozent-Quote für den Vorstand sowie die Ausweitung der Regelungen auf große Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten könnten einen noch stärkeren Impuls für Gleichstellung und Vielfalt in der Wirtschaft setzen. Außerdem sollten die Rahmenbedingungen, damit Frauen leichter in Führungspositionen kommen können, verbessert werden – etwa durch gesellschaftsrechtliche Adaptionen beim Mutterschutz, der Elternkarenz und der Pflegefreistellung. Es liegt nun an der Politik und den Unternehmen selbst, diesen Fortschritt nicht nur zu unterstützen, sondern aktiv mitzugestalten, um eine moderne und gendergerechte Wirtschaftswelt zu schaffen.