Kampf gegen den Steuerbetrug

17. Dezember 2014

Gabriel Zucman schätzt die in internationalen Steueroasen deponierten Vermögen vorsichtig auf 5.800 Milliarden Euro. Das „Trio Infernal“, bestehend aus den Britischen Jungferninseln, der Schweiz und Luxemburg, bildet das Zentrum der europäischen Steuerflucht. Allein in diesem Zusammenhang entgehen den Staatshaushalten weltweit mindestens 130 Milliarden Euro an Einnahmen aus Einkommen-, Erbschafts- und Vermögenssteuern.

Dazu kommen die Kosten der illegitimen Aktivitäten zur „Steueroptimierung“ der Konzerne. Eine grobe Schätzung ergibt, dass es mithilfe des auf die EU-Länder entfallenden Teils dieser Mittel leicht möglich wäre, die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen in Europa von derzeit 5,5 Millionen in kurzer Zeit zu halbieren.

Langsamer wachsender Kuchen

Dieser Vergleich zeigt, wo heute die elementare verteilungspolitische Auseinandersetzung stattfindet: zwischen den Millionären und den Multis auf der einen Seite und den auf die Erträge ihrer Arbeitskraft angewiesenen Menschen auf der anderen Seite. Die inakzeptable Ausgangssituation kommt im starken Zuwachs der leistungslosen Vermögenseinkommen und der enormen Konzentration des Vermögensbesitzes bei gleichzeitiger Stagnation der Leistungseinkommen aus Arbeit und Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse besonders krass zum Ausdruck. Die sozialen Auseinandersetzungen um die Verteilung des Wohlstandes werden ohne Zweifel an Intensität gewinnen. Denn wenn der Kuchen langsamer wächst, wird der Streit um seine Verteilung heftiger.

Österreich tut bedeutend mehr als andere Staaten, um die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, die soziale Absicherung für alle Menschen zu gewährleisten und den Ertrag des Wirtschaftens nicht völlig unfair zu verteilen. Aber Österreich ist auch ein nicht unbedeutender Spieler bei der Verschleppung der Bekämpfung des Steuerbetruges:

  • Es ist beschämend, wenn die Bundesregierung „technische Gründe“ anführt, um den automatischen Informationsaustausch zwischen den europäischen Steuerbehörden um ein weiteres Jahr aufzuschieben.
  • Österreich hat zig Doppelbesteuerungsabkommen mit anderen Ländern abgeschlossen, die, wie Gabriel Zucman es treffend formuliert, „in der Praxis zu einer doppelten Nichtbesteuerung führen“.
  • Für BezieherInnen von Lohneinkommen ist es normal, wenn der Arbeitgeber direkt Einkommen und die darauf entfallende Lohnsteuer an das zuständige Finanzamt meldet; wegen des unzeitgemäßen Bankgeheimnisses ist dies bei Zins- und Dividendeneinkommen nicht der Fall.
  • Noch unglaublicher ist, wenn so manche Unternehmen, etwa im Gastgewerbe, die Mehrwertsteuer, die sie den KonsumentInnen verrechnen, einfach nicht an das Finanzamt abführen.

Finanz über den Verhältnissen

Jahrzehntelang haben Finanzsystem und Vermögende auch in Österreich über unsere Verhältnisse gelebt. Mit dem Zurückdrängen ihrer Ansprüche auf das Sozialprodukt kann großflächig Raum für sozialen Fortschritt geschaffen werden. Deshalb muss die Bekämpfung der vielfältigen Formen des Steuerbetruges zu einer zentralen Aufgabe der wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit in Europa werden. Zu Recht wurden Luxemburg und sein ehemaliger Premierminister Jean-Claude Juncker an den Pranger gestellt. Nun sind die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen: automatischer Informationsaustausch, Aufbau eines internationalen Finanzkatasters, Finanzsteuern.
Die Bekämpfung von Steuerbetrug in Österreich bildet zusammen mit der steuerlichen Belastung großer Vermögen und Erbschaften das zentrale Element des Steuerreformkonzepts von AK und ÖGB. Die Vermögensbesteuerung und die Entlastung der Arbeitseinkommen sind zwei Seiten der gleichen Medaille.

Dieser Beitrag stammt aus „Arbeit&Wirtschaft“. Die Dezember-Ausgabe ist unter dem Motto „Globales Geldverstecken“ auf der Spur von Steuerbetrug, Steuerflucht und dem Sinn und Zweck von Steuern im Allgemeinen.
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