Panama: Ein Wort, das in den letzten Wochen eine neue Bedeutung bekommen hat. Panama wurde zum Symbol eines global verbreiteten, ungerechten Systems, das Steuervermeidungspraktiken mit Profit belohnt und die Mehrkosten durch die entgangenen Einnahmen für den Staat auf die Mehrheit der Weltbevölkerung abwälzt. Laut den Europäischen Institutionen sollen Unternehmen nun dazu verpflichtet werden ihre Steuern dort zu zahlen, wo sie aktiv tätig sind. Die Europäische Kommission hat in den letzten Wochen und Monaten konkrete Vorschläge präsentiert. Doch gehen diese weit genug, um aggressive Steuervermeidung und Steuerbetrug ein Ende zu setzen, oder wenigstens weitgehend einzudämmen?
Maßnahmen der Kommission – effektiv genug?
Der Europäischen Kommission (EK) kommt dabei als Initiativorgan eine wesentliche Rolle zu. Nachdem sie 2015 auf einer „schwarzen Liste“ 30 nicht kooperierende Steuergebiete vorstellte, präsentierte sie im Jänner dieses Jahres zwei Richtlinien gegen Steuervermeidungspraktiken. Die EK schreibt sich somit den Kampf gegen Steuerbetrug offiziell auf ihre Fahnen. Die vorgestellten Maßnahmen orientieren sich an dem internationalen Übereinkommen zwischen den OECD-Staaten gegen BEPS (Base Erosion and Profit Sharing):
- Die Möglichkeit für Unternehmen Zinszahlungen von der Steuerbemessungsgrundlage abzuziehen soll begrenzt werden;
- die Verlagerung von Standorten und/oder Vermögenswerten in Niedrig-Steuerländer soll mit einer angemessenen Steuer belegt werden;
- im Ausland generiertes Einkommen, welches in den Binnenmarkt fließt, soll besteuert werden, wenn der zuvor gesetzte Steuersatz im anderen Land einen bestimmten Prozentsatz unterschreitet;
- allgemeine Vorschriften zur Schließung von Lücken in den besonderen Vorschriften eines Landes sollen eingeführt werden, damit Steuerpflichtige keinen Nutzen aus missbräuchlichen Steuergestaltungen ziehen;
- Einkünfte ausländischer Tochtergesellschaften sollen der Muttergesellschaft zugeordnet werden und
- eine Rahmenregelung für das Vorgehen gegen hybride Gestaltungen soll eingeführt werden, damit bei zwei oder mehreren unterschiedlichen Steuersystemen ersichtlich wird, welches Land für die Besteuerung zuständig ist.
Damit wirken die vorgestellten Maßnahmen auf den ersten Blick wie ein guter Ansatz, doch wäre es überstürzt zu behaupten, dass damit der Steuerbetrug effektiv bekämpft werden kann. Am Ende zählt was im Detail festgelegt wird und ob die konkreten Maßnahmen ausreichend formuliert sind, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.
Der Teufel liegt im Detail
Als Beispiel wäre hier erstens die Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen zu erwähnen, bei der die vorgeschlagene Regelung der Kommission nur den minimalen Konsens des OECD Vorschlags beinhaltet. Um die Möglichkeit der Steuerminimierung effektiv einzuschränken ist eine strengere Deckelung notwendig. Zweitens tendieren Staaten dazu, Einkünfte von ausländischen Tochterunternehmen aus bürokratischen Gründen nicht oder nur geringfügig zu besteuern. Der aktuelle Vorschlag der Kommission sieht zwar vor, dass eine Steuer gelten muss, wenn im Ausland Einkünfte mit weniger als 40% des heimischen Steuersatzes besteuert werden, doch gilt das nur für Drittstaaten. EU-interne Verlagerungen sind von dieser Regelung ausgenommen. Und hier liegt ein wesentliches Problem:
Steuerdumping geht weiter
Es fehlen konkrete Schritte um den innereuropäischen „Steuerwettbewerb nach unten“ ein Ende zu setzen. Ein einheitliches System für die Berechnung von zu bezahlenden Unternehmenssteuern („Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftssteuer Bemessungsgrundlage“) in Verbindung mit einem Mindestkörperschaftssteuersatz wären die ersten wichtigen Schritte um Steueroasen innerhalb des Binnenmarkts wirkungsvoll entgegenzutreten.
Automatischer Informationsaustausch
Eine weitere Richtlinie der Europäischen Kommission sieht vor, dass Informationen über Gewinne, Kosten und bezahlte Steuern des Mutterkonzerns und der verbundenen Tochterunternehmen zwischen den Staaten automatisch im Rahmen von „country by country reports“ geteilt werden. Diese Transparenz gilt aber nur wenn das Unternehmen einen Umsatz von über 750 Millionen Euro aufweist. Damit sind rund 90% der Unternehmen nicht von dieser Regelung betroffen. Später gab die Kommission der Kritik nach, dass Informationen nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würden und präsentierte eine Überarbeitung der derzeit geltenden Bilanz-Richtlinie (2013/34/EU), in welcher die Bevölkerung den Zugang zu wenigstens 7 von insgesamt 12 Teilinformationen erhält. Diese Daten müssen weiters für jeden EU-Staat aufgeschlüsselt veröffentlicht werden. Allerdings betrifft diese Vorgehensweise leider nicht jene sogenannten Steuerparadiese, die in den letzten Jahren immer öfter im Fokus der Kritik standen. Denn diese müssten zuerst auf einer offiziellen Liste als solche gekennzeichnet werden, damit Unternehmen dazu verpflichtet werden Informationen über gezahlte Steuern in diesen Orten offenzulegen. Fraglich bleibt aber, ob und wenn ja, wann sich die Mitgliedsstaaten auf eine solche Liste einigen, denn heute definieren sie Steueroasen basierend auf unterschiedlichen Kriterien.
Nur ein erster Schritt!
Die neuen Vorschläge der EU-Kommission haben das Potential für etwas mehr Transparenz zu sorgen. Wesentliche Fragen bleiben aber nach wie vor ausgeklammert. Solange anonyme Unternehmen Geschäfte tätigen können, weil offizielle Register über wirtschaftlicher Eigentumsverhältnisse fehlen, wird Korruption, Geldwäsche, Waffenhandel und Steuervermeidung nicht effektiv bekämpft werden können.
Die in vielen Fällen auftretenden Diskrepanzen zwischen bezahlter Steuer und geltendem Steuersatz, aggressive Steuervermeidung mithilfe von verbindlichen Steuervorbescheiden, mit denen Unternehmen eine geringe Steuerlast garantiert wird, unzähliger Tochtergesellschaften oder Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen, und fehlende beziehungsweise nicht nachvollziehbare Informationen in den veröffentlichten Länder-Berichten der Banken machen deutlich, dass noch viele weitere Anstrengungen notwendig sind.
Man kann der Europäischen Union nicht vorwerfen, dass sie nichts gegen aggressive Steuerpraktiken unternimmt – ob die Vorschläge der EK in dieser Form zur Umsetzung gelangen und ob sie effektiv genug sind wird sich erst zeigen. Die Entwürfe der Kommission sind jedenfalls durchaus wichtige und begrüßenswerte Schritte; alle Schlupflöcher werden sie aber nicht schließen können. Ohnehin werden die EU Institutionen das Problem nicht alleine lösen können. Die Europäische Union sollte diese Chance aber nutzen, um dringend notwendige Reformen anzugehen. Dazu muss die Steuerumgehungen und -vermeidung innerhalb des Binnenmarktes aktiv bekämpft werden. Eine Harmonisierung der Berechnungsmethoden im Bereich der Unternehmenssteuern und die Festlegung eines Mindestkörperschaftssteuersatzes sind ebenso notwendig wie eine gemeinsame europäische Liste von Steuerparadiesen mit entsprechenden Sanktionen, damit diese genauso nach fairen Regeln spielen.