In der Debatte um die Krise in Griechenland war weiten Teilen von Politik und Medien kein Klischee zu billig, um nicht bedient und keine Behauptung zu dumm und falsch, um nicht geäußert zu werden. Die „faulen Griechen“ oder die „Pleitegriechen“ sollten doch bitte endlich auch mal anfangen zu sparen, war immer wieder zu hören und zu lesen.
Dabei wurde geflissentlich übersehen, dass der griechische Staat seit spätestens 2010 innerhalb weniger Jahre eine brutale Austeritätspolitik hatte umsetzen müssen, mit Ausgabenkürzungen und Einnahmenerhöhungen von – je nach Messung – mehr als 20 % des Bruttoinlandsproduktes. Dass hier ein enger Zusammenhang zu der katastrophalen Wirtschaftskrise in Griechenland besteht, sollte unmittelbar einsichtig sein.
Mittlerweile Konsens: Austeritätspolitik hat wesentlich zur Rezession beigetragen
IWF-Chefökonom Olivier Blanchard hat schon vor einiger Zeit eingestanden, dass die Fiskal-Multiplikatoren, sprich die negativen Wirkungen der Austeritätspolitik, viel zu gering veranschlagt worden sind. Mittlerweile hat sich auch in der internationalen Fachdebatte die Einsicht durchgesetzt, dass die restriktive Finanzpolitik in den europäischen Krisenstaaten und damit gerade auch in Griechenland wesentlich zur Schwere und Dauer der dort herrschenden Rezession beigetragen hat.
Die Behauptung des Nobelpreisträgers
Diesem Konsens hat jüngst kein geringerer als Edmund S. Phelps, der US-Wirtschaftsnobelpreisträger, ausgerechnet im Falle Griechenlands, widersprochen. In einem Gastkommentar im Handelsblatt vom 20. August 2015 „Der falsche Hebel. Edmund S. Phelps ist überzeugt, dass höhere Staatsausgaben Griechenland nicht helfen würden“ , einer schlecht übersetzen Version des auf Project Syndicate erschienenen englischsprachigen Originals vom 6. August, widerspricht Phelps den von ihm so bezeichneten „Nachfragetheoretikern“, die behaupten, die Sparpolitik in Griechenland, habe zu einem Nachfragerückgang und damit zur akuten Depression dort geführt. Sein zentrales Argument ist empirisch. Zitat:
„Aber dies missdeutet die Geschichte. Der Rückgang der Beschäftigung in Griechenland setzte bereits vor den starken Kürzungen der öffentlichen Ausgaben ab 2012 ein. Die Staatsausgaben stiegen von 2009 bis 2012 auf ein Plateau von ungefähr 13,5 Milliarden Euro pro Quartal. 2014/15 gingen sie dann auf 9,6 Milliarden Euro zurück. Aber bereits 2012 sank die Zahl der Beschäftigten auf 3,6 Millionen, nach einem Höhepunkt von 4,5 Millionen von 2006 bis 2009.“
Aufklärung tut not
Wenn Edmund Phelps mit dieser Behauptung Recht hätte, dann wäre die mittlerweile weitgehend akzeptierte Erklärung der Krise in Griechenland mittels der restriktiven Finanzpolitik in der Tat schwer beschädigt. Wie sollte die Austeritätspolitik eine Krise verursacht haben, die bereits mehr als drei Jahre vor ihrem Einsetzen (fast) ihren Höhepunkt erreicht hatte?
Aufklärung tut not, und ein Blick auf die Daten wirkt wie so oft Wunder. Abbildung 1 zeigt zunächst die Entwicklung der Beschäftigung, der zivilen inländischen Beschäftigten laut der Ameco-Datenbank der EU-Kommission (Stand: Mai 2015) im Jahresdurchschnitt.
Abbildung 1: “Staatsausgaben” in Griechenland gemäß Phelps in Mio. Euro und zivile Beschäftigte in 1000