Neue Handelsabkommen der EU wie TTIP, CETA, TISA werden breit und kontrovers diskutiert. In den österreichischen Debatten hingegen wenig präsent ist eine neue Generation von Handelsabkommen der EU mit den Staaten der AKP-Gruppe – die „Economic Partnership Agreements“, kurz EPAs. Diese könnten jedoch weitreichende Folgen für viele Länder des globalen Südens haben und lokale Entwicklungsziele gefährden. Das ungleiche Verhältnis der EU zu den Ländern des globalen Südens scheint sich durch die EPAs festzuschreiben.
Eine neue Generation von Handelsabkommen mit den AKP-Staaten
Die Verhandlungen zu den EPAs wurden Anfang der 2000er-Jahre aufgenommen. Die EPAs sind bilaterale Handelsabkommen, die die EU mit einzelnen Ländern oder regionalen Zusammenschlüssen der AKP-Gruppe (Organisation Afrikanischer, Karibischer und Pazifischer Staaten) verhandelt, zu der 79 Länder, darunter beispielsweise die Länder Afrikas südlich der Sahara (außer Südsudan), Belize, Bahamas, die Dominikanische Republik, Jamaika, Guyana, Fidschi, Kiribati, Mikronesien, Osttimor und Papua-Neuguinea, gehören. Aktuell sind in 32 AKP-Staaten regionale EPAs in Kraft, darunter in 14 Staaten Subsahara-Afrikas, 14 Staaten der Karibik und vier Staaten des Pazifiks.
Im Handel der EU mit dem globalen Süden markieren die EPAs einen Paradigmenwechsel: Die Lomé-Abkommen, die von 1975 bis 2000 das Verhältnis der EU zu den AKP-Staaten und damit auch die Handelspolitik charakterisierten, ermöglichten ungleiche Handelspräferenzen. Unter den Lomé-Abkommen konnten die AKP-Staaten EU-Importe mit Zöllen belegen und hatten gleichzeitig freien Marktzugang zur EU. Unter den EPAs sind hingegen reziproke Handelspräferenzen – also Zollliberalisierungen für beide Handelspartner*innen – vorgesehen. Rund 80 Prozent der Importzölle in den AKP-Staaten sollen unter den EPAs abgeschafft werden. Folglich erwarten die Partnerländer aus dem globalen Süden Liberalisierungen in vielen bisher geschützten Sektoren.
Im Gegensatz zu den Lomé-Abkommen werden die EPAs nicht mit den AKP-Staaten als ganzem Block verhandelt, sondern bilateral mit einzelnen Ländern oder regionalen Zusammenschlüssen. Das verbessert die relative Verhandlungsmacht der EU. Während auf multilateraler Ebene der WTO viele kontroverse Bestimmungen aktuell nicht verankert werden können, ist dies für die EU auf bilateraler Ebene eher möglich. Das wird auch in den bisherigen EPA-Abschlüssen sichtbar.
Mit Ghana hat die EU etwa bereits 2016 ein vorläufiges Abkommen, ein sogenanntes „Interim EPA“ (iEPA), unterzeichnet. Dieses Abkommen soll die bilateralen Handelsbeziehungen regeln, bis eine Einigung mit dem regionalen Zusammenschluss ECOWAS, der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, der auch Ghana angehört, erzielt werden kann. Das iEPA wird von Kritiker*innen unter anderem als Mittel verstanden, die Absatzmärkte für Güter aus der EU zu sichern. Zusätzlich soll mit dieser Handelspolitik der Zugang zu billigen Rohstoffen und billiger Arbeitskraft aus Ghana sichergestellt werden. Auf ghanaischer Seite wurde das iEPA insbesondere von Exporteuren von verarbeiteten Thunfisch, Ananas, Kakaobutter und Kakaopaste sowie frischem Gemüse forciert. Hätte Ghana das iEPA nicht unterzeichnet, wären jene Exportsektoren stark von einem eingeschränkten Marktzugang betroffen gewesen.
Mögliche Folgen für die Länder des globalen Südens
Lokaler Widerstand in den einzelnen AKP-Staaten hat in beinahe allen Verhandlungen für regionale EPAs zu Verzögerungen geführt. Kritiker*innen der EPAs unterstreichen, dass deren Unterzeichnung erst durch die starken Machtasymmetrien zwischen der EU und den AKP-Staaten ermöglicht wurde. Befürchtet wird vor allem, dass das Ausmaß der Liberalisierung und insbesondere das vorgesehene Zeitfenster dafür mit lokalen Entwicklungszielen kaum vereinbar ist. Ähnlich wie bei TTIP, CETA und TISA gehen auch die Bestimmungen der EPAs weit über reine Zollsenkungen hinaus. Die lokale Politikgestaltung in den AKP-Staaten wird dadurch eingeschränkt, was beispielsweise die Implementierung einer aktiven staatlichen Industriepolitik verhindert.
Mögliche negative Folgen für die auf den Rohstoffexport ausgerichteten Ökonomien im globalen Süden lassen sich anhand des iEPAs von Ghana aus dem Jahr 2016 gut nachzeichnen.