Im Jahr 2024 übernahm der Vermögensverwalter BlackRock die Private-Equity-Gesellschaft Global Infrastructure Partners . Damit stieg der umstrittene Finanzkonzern BlackRock zum zweitgrößten Infrastrukturinvestor weltweit auf. Die Übernahme zeigt, wie Finanzinteressen die digitale physische Infrastruktur zunehmend dominieren – von Mobilfunkmasten über Unterseekabel bis zu Rechenzentren/Clouds. Die starke Finanzialisierung steht jedoch im Konflikt mit öffentlichen Interessen und wirft Fragen zur Kontrolle und Regulierung auf.
BlackRock propagiert seit einiger Zeit die Idee öffentlich-privater Partnerschaften für Infrastrukturprojekte (sogenannte „PPPs “). Viele dieser Projekte betreffen die digitale physische Infrastruktur: Das Geschäft mit Datenkabeln, Satelliten, Mobilfunkmasten, Rechenzentren und Clouds ist zu einem Milliardenmarkt geworden. Große Finanzinvestoren wie die Vanguard Group und State Street sind in diesem globalen Anlegermarkt aktiv. Die Finanzialisierung spiegelt sich in einer Vielzahl von Transaktionen wider. Zwischen 2016 und 2023 wurden in den Bereichen Mobilfunkmasten, Unterseekabeln sowie Rechenzentren Akquisitionen im Wert von über 436,5 Mrd. US-Dollar getätigt.
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Diese Dynamik ist von Bedeutung, da die digitale physische Infrastruktur das Rückgrat der Digitalisierung bildet. Digitale Infrastrukturen gelten deshalb als kritische Infrastrukturen. Denn sie sind die Basis für den Transfer (connect ), die Verarbeitung (compute ) und die Speicherung (store ) von Daten. Ihre Funktionsfähigkeit ist essenziell für die Stabilität der Wirtschaft und des politischen Systems, aber auch für die nationale Sicherheit und das gesellschaftliche Leben.
Finanzinteressen im Vormarsch
Die Vermarktlichung und Finanzialisierung ist in den einzelnen Branchen der digitalen physischen Infrastruktur unterschiedlich ausgeprägt. Bei den Mobilfunkmasten hat sich deren Ausgliederung aus den Telekommunikationsunternehmen (Telkos) als wichtiges Geschäftsmodell etabliert . Die Telkos nutzen dieses Modell, um die eigenen Betriebskosten zu senken. Durch den Verkauf ihrer Infrastruktur finanzieren sie zudem neue Projekte (z. B. den 5G-Netzwerkausbau) und tilgen ihre Schulden. Für Finanzinvestoren sind die Masten wiederum äußerst attraktiv. Ihre Vermietung generiert stabile Einnahmen und sie können ihr Portfolio um risikoarme Anlagen erweitern. Finanzanleger spielen heute eine bedeutende Rolle in der Branche. Aber sie wird weiterhin von strategischen bzw. staatlichen Investoren aus der Telekommunikationsbranche dominiert. Die Telkos sind nicht gewillt, die Kontrolle über die insgesamt fünf Millionen Tower weltweit komplett aufzugeben. Anders stellt sich die Situation im Sektor der Rechenzentren/Clouds dar. Hier beherrschen US-amerikanische Digitalunternehmen wie Amazon und Finanzinvestoren wie DigitalBridge den Markt. Kein einziges europäisches Unternehmen rangiert unter den Top-25-Unternehmen in dem Sektor.
Eine Mischform beider Eigentumsverhältnisse lässt sich bei den Unterseekabeln beobachten: In diesem Sektor spielen große Eigentümerkonsortien eine zentrale Rolle, an denen oft (teil-)staatliche Telekommunikationsunternehmen aus verschiedenen Ländern beteiligt sind. Das SEA-ME-WE 3-Netzwerk , das von Ostasien über Indien und den Nahen Osten bis nach Westeuropa führt, wird etwa von insgesamt 52 Telekommunikationsunternehmen organisiert. Allerdings gewinnen US-amerikanische Digitalunternehmen wie Alphabet, Meta Platforms und Google zunehmend an Einfluss als Eigentümer. So ist das transatlantische Kabel Grace Hopper vollständig im Besitz von Google. Auch Finanzinvestoren sind in diesem Sektor aktiv, besitzen jedoch meist nur kleinere Anteile. Die einzelnen Infrastrukturbereiche haben sich somit unterschiedlich entwickelt. In Europa hat der Staat jedoch die Kontrolle als Eigentümer in allen drei Sektoren weitgehend aus der Hand gegeben.
Konflikte um Infrastruktur und Abhängigkeiten
Die starke Vermarktlichung und Finanzialisierung der kritischen digitalen physischen Infrastruktur birgt eine Reihe von Herausforderungen. Ein zentrales Problem ist der Interessenkonflikt zwischen der Öffentlichkeit und den renditeorientierten privaten Finanzinvestoren. Dies zeigt sich exemplarisch in der unzureichenden Versorgung dünn besiedelter oder strukturschwacher Regionen mit Mobilfunknetzen. Investitionen in diese Gebiete gelten häufig als wirtschaftlich unattraktiv. Ferner können Krisen auf den Finanzmärkten unmittelbar auf die Investoren und damit auch auf die digitale Infrastruktur durchschlagen. Eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte ist daher notwendig, um die Funktionsfähigkeit dieser Infrastrukturen zu sichern.
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Für die EU zeigt sich zudem eine deutliche Abhängigkeit von externen Akteuren, insbesondere im Bereich der Rechenzentren und Cloud-Dienste. Hier werden hochsensible Daten aus Technologie und Forschung, Gesundheit und Sicherheit oder der öffentlichen Verwaltung gespeichert.
Ausblick
Diese Abhängigkeit macht gezieltes politisches Handeln erforderlich, um die Position europäischer Anbieter zu stärken und digitale Souveränität zu gewährleisten. Darüber hinaus entgehen dem Staat durch die Privatisierung profitabler Infrastrukturbereiche wichtige Einnahmequellen, die zur Finanzierung anderer staatlicher Aufgaben genutzt werden könnten. Der Staat gerät mitunter sogar unter den Zwang, die Risiken von Finanzanlegern abzusichern und zu einem „De-Risking“ ihrer Investitionen beizutragen . Zusammengefasst: Die Eigentumsverhältnisse in der digitalen physischen Infrastruktur stehen häufig im Widerspruch zu öffentlichen Interessen und bergen daher künftig noch mehr Potenzial für gesellschaftliche Konflikte.
Dieser Blogartikel basiert auf der 1. Teilstudie des Forschungsprojekts „Wem gehört die digitale physische Infrastruktur? Eine Analyse ihrer transnationalisierten Eigentumsketten, staatlicher Regulierung und laufender Konflikte um öffentliche Interessen“. Die fortlaufenden Ergebnisse des Kooperationsprojekts zwischen der Universität Erfurt und der AK Wien sind hier abrufbar.
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