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Schäden vermeiden: zwischen Eigenverantwortung und Führungsversagen
Durch Überlastung können vielfältige Schäden entstehen. Neben der Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz gibt es weitere Aspekte, wo eine Information aus der Belegschaft an den /die Arbeitgeber/-in nützlich ist. Überlastetes Personal im Gesundheitswesen könnte fatale Fehler bei der Medikamentenausgabe begehen. Küchenpersonal könnte Hygienevorschriften ignorieren. Übermüdete Staplerfahrer/-innen könnten Unfälle am Betriebsgelände verursachen. Kunden/-innen, Patienten/-innen, Klienten/-innen usw. könnten durch schlechte Arbeitsorganisation oder Personalmangel geschädigt werden. Betriebliches oder fremdes Eigentum könnte beschädigt oder zerstört werden. Imageverluste, Probleme bei Zertifizierungen, schlechte Kundenbewertungen, Rankings usw. sind weitere Folgen.
Potenzielle Schäden vom Unternehmen abzuwenden, muss also ureigenstes Interesse von Arbeitgebern/-innen und Führungskräften sein. Hierfür bedarf es einer offenen Gesprächs- und Fehlerkultur, die aufgrund unserer Erfahrung aus Beratung und Betriebsprojekten leider nicht in jeder Organisation ausreichend etabliert ist. Hinderlich ist zudem eine Führungskultur, die eigenverantwortliches Arbeiten der Belegschaft mit Abwälzung der Verantwortung auf die Belegschaft verwechselt. Oder als Beispiel formuliert: Wenn Urlaube wegen Personalmangel kaum mehr möglich sind, kann man die Einteilung der Urlaube nicht dem Team überlassen. Was als Eigenverantwortung verkauft wird, ist schlicht Führungs- und Organisationsversagen. Zeitnahe Vorfälle in Wiener Krankenhäusern, wo Überlastungsmeldungen einfach archiviert wurden, anstelle Maßnahmen zur Entlastung einzuführen, zeigen auf, dass es in vielen Bereichen erst eine neue Fehlerkultur braucht.
Überlastungsmeldung als Instrument für den Betriebsrat
Die Überlastungsmeldung ist ein Prozess, der die Verantwortung wieder dorthin spielt, wo sie hingehört: zu den Verantwortlichen. Arbeitgeber oder Führungskräfte werden informiert, welche Probleme vorliegen und welche Schäden aufgrund dessen befürchtet werden. Wird darauf nicht reagiert, kann im Schadensfall die Verantwortung – rechtlich, wirtschaftlich und moralisch – kaum auf die Beschäftigten abgewälzt werden.
Das Instrument ist nicht neu, jedoch in Österreich kaum etabliert. Lediglich im Gesundheitsbereich wird es mancherorts genutzt. In Deutschland ist die Überlastungsanzeige etwas weiter verbreitet und wird dort insbesondere von der Gewerkschaft ver.di forciert.
Überlastungsmeldungen sollten schriftlich erfolgen und innerbetrieblich eine einheitliche Form haben. Bei der Einführung und Nutzung des Instruments müssen Betriebsräte/-innen eine zentrale Rolle einnehmen. Bei der Wahrnehmung entsprechender Probleme sollten die wesentlichen Faktoren von den Beschäftigten erfragt werden und dann in formeller Form an die Verantwortungsträger/-innen weitergeleitet werden. Potenzielle künftige Schäden sind hierbei anzuführen und zum Ausdruck zu bringen, dass unter den gegebenen Umständen, auch bei gewissenhafter Ausführung der Tätigkeit, eine Abwendung des Schadens nicht ausgeschlossen werden kann. Nützlich und sinnvoll ist jedenfalls auch die Anführung von relevanten rechtlichen Vorgaben. Theoretisch kann die Überlastungsmeldung von jeder Person aus der Belegschaft eingebracht werden – auch in Betrieben ohne Betriebsrat. Die Tatsache, dass die Überlastungsanzeige aber keine klare gesetzliche Grundlage hat und ein guter Kündigungsschutz oftmals erst eine Debatte auf Augenhöhe mit dem /der Arbeitgeber/-in ermöglicht, lassen derzeit jedoch Betriebsräte/-innen als ideale Initiatoren/-innen einer Überlastungsmeldung erscheinen.
Fazit: Abwendung von Schäden in gemeinsamem Interesse
Eine Überlastungsmeldung kann ein Überdenken von Personalberechnungsstandards und zukunftsgerechte Personalberechnungen nicht ersetzen. Auch kurzfristige Erfolge sind durch eine Überlastungsmeldung kaum zu erwarten. Da durch das offensive Ansprechen der Verantwortung von Arbeitgebern/-innen bzw. Führungskräften jedoch der Druck steigt, könnten langfristige Erfolge erzielt werden. Überlegenswert ist der Einsatz in all jenen Unternehmen und Organisationen, wo die rechtlichen Vorgaben des Arbeitnehmerschutzes – etwa die Evaluierung psychischer Belastungen – nicht ernsthaft umgesetzt werden bzw. nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Hier ist auch der Gesetzgeber gefordert, durch eindeutige Regelungen und höhere Strafrahmen Arbeitgeber verstärkt zur Wahrnehmung ihrer Verantwortung zu bewegen. Zur Durchsetzung ist es auch unerlässlich, die Arbeitsinspektion mit mehr personellen und finanziellen Ressourcen auszustatten. Schäden vom Unternehmen, den Beschäftigten, den Kunden/-innen, Patienten/-innen usw. abzuwenden, muss ein gemeinsames Interesse von Arbeitgebern/-innen, Arbeitnehmern/-innen und deren Belegschaftsvertretung sein. Lasst es uns ansprechen!