Einer der zentralen Konflikte der nächsten Jahre zwischen Kapital und Arbeit wird die Verteilung der Arbeitszeit sein. Und dabei spielt die Teilzeitbeschäftigung eine große Rolle. Waren laut Statistik Austria Ende der 1990er Jahre hierzulande rund 16% der Beschäftigten teilzeitbeschäftigt, sind es aktuell schon mehr als ein Viertel. Diese Entwicklung kennzeichnet nicht nur den europäischen Arbeitsmarkt, sondern auch den österreichischen.
Der Trend der steigenden Teilzeitbeschäftigung ist ein Indiz für die zunehmende Atypisierung der Arbeitswelt. 32 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse sind atypisch und davon entfallen 20 Prozent auf Teilzeitbeschäftigungen. Atypisierung wird sehr oft mit prekären Beschäftigungsverhältnissen gleichgesetzt. Heißt das aber auch, dass Teilzeitbeschäftigung automatisch zu einer Prekarisierung führt? Die Arbeitswissenschaft zeigt, dass atypische Beschäftigungsverhältnisse höhere Prekariatsrisiken aufweisen. Gleichzeitig ist Teilzeitbeschäftigung jedoch nicht per se prekär, genauso wie Vollzeitbeschäftigung nicht von Prekariatsrisiken verschont bleibt.
In jenen Arbeitsmärkten wo die sozial- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen für Teilzeitbeschäftigten stark von den klassischen Normalarbeitsverhältnissen abweichen, ist die Prekarisierung offensichtlich. In Österreich ist jedoch der überwiegende Teil der Teilzeitbeschäftigung in dieser Hinsicht den Vollzeit Arbeitsplätzen beinahe vollständig gleichgestellt. Teilzeitjobs in Österreich sind daher nicht zwangsläufig prekär – vielmehr ist es ein Prekariat auf Aufschub: Während der Beschäftigung oft gar nicht bemerkbar, werden viele der sozialen Risiken erst später schlagend: Durch die geringeren Beitragsgrundlagen und Stundenlöhne, ergibt sich eine geringere Abfertigungssumme, eine geringe Arbeitslosenunterstützung und eine geringere Pension. Dies trifft vor allem die in der Teilzeitbeschäftigung überproportional hoch repräsentierten Frauen. Die erhoffte Brückenschlagfunktion der Teilzeitbeschäftigung zwischen Erwerbspausen und Vollzeitbeschäftigung funktioniert schlecht.
Die Teilzeitbeschäftigung wird in den nächsten Jahren steigen, dies betrifft vor allem auch den Anteil der unfreiwilligen Teilzeitbeschäftigung. Damit Teilzeitbeschäftigung keine prekäre Beschäftigung ist, braucht es also eine Reihe von politischen Maßnahmen: Die folgenden „policy pointers“ sollen dahingehend einen Denkanstoß liefern.
ArbeitnehmerInnen-orientierte Flexibilität
Die Arbeitszeiten werden in Zukunft immer flexibler werden. Die Herausforderung liegt darin, sich nicht dem Druck einer arbeitgeberInnen-bezogenen Flexibilität unterzuordnen: Hier stehen ökonomische Rhythmen im Vordergrund, die sich mit den Flexibilisierungswünschen der ArbeitnehmerInnen vielfach nicht decken. Teilzeitbeschäftigung soll hingegen eine Flexibilisierung im Sinne der ArbeitnehmerInnen darstellen.
Recht auf Wechsel von Voll- auf Teilzeit und vice versa
Daran anschließend braucht ein moderner, die Prekariatsrisiken minimierender Arbeitsmarkt das Recht für ArbeitnehmerInnen, von Vollzeit auf Teilzeit und wieder zurück wechseln zu können. Ein Vorzeigeland sind hier die Niederlande. Teilzeitbeschäftigung kann so ein selbstgewählter, auf bestimmte Lebensphasen befristeter Flexibilisierungsspielraum für ArbeitnehmerInnen werden.
Abbau von traditionellen Geschlechterrollen und Ausbau der Kinderbetreuung
Das weitere Aufbrechen angestammter Familien- und Geschlechterrollen bleibt zentral: Frauen verrichten noch immer den Großteil der Haus-, Pflege,- und Familienarbeit und favorisieren daher oft eine Teilzeitbeschäftigung . Gerade Frauen wählen nicht nur wegen der hohen Belastung durch die angesprochene unbezahlte Arbeit, sondern eben auch durch schlechte Kinderbetreuungsstrukturen, eine Teilzeitbeschäftigung. Daten der Statistik Austria machen den Zusammenhang von Kinderbetreuungspflichten und Frauenanteil in der Teilzeitbeschäftigung deutlich. Fast schon ein Klassiker, deswegen aber nicht weniger relevant, ist daher die Forderung nach einem verstärkten Ausbau der Kinderbetreuungsmöglichkeiten.
Volle arbeits- und sozialrechtliche Absicherung
Teilzeitbeschäftigung muss die gleichen arbeits- und sozialrechtlichen Absicherungen haben wie eine Vollzeitbeschäftigung. Österreich ist hier besonders nach einigen gesetzlichen Änderungen im Jahr 2007 recht gut aufgestellt. Im europäischen Kontext gibt es da in vielen Ländern noch großen Aufholbedarf.
Arbeitszeitverkürzung und Abbau von Überstunden
Eine generelle Arbeitszeitverkürzung sowie die Reduktion von den in Österreich viel geleisteten Überstunden, die für die Unternehmen als Flexibilisierung-Instrument eingesetzt werden, würden nicht nur generell positive Arbeitsmarkt-Effekte erzielen. Dies käme auch den Wünschen vieler Teilzeitbeschäftigter nach einer Erhöhung des Stundenausmaßes entgegen. Eine Reduktion der angesprochenen beitragsbezogenen sozialen Risiken wäre die Folge.
Abbau von befristeten Verträgen
Es zeigt sich, dass gerade die Kombination verschiedener atypischer Beschäftigungsverhältnisse zu prekären Situationen führt. Zur daher notwendigen Reduktion von temprären Verträgen sollten befristete Beschäftigte bevorzugte Rechte bei der innerbetrieblichen Ausschreibung und Besetzung von Jobs bekommen. Der Kampf gegen eine weitere Ausdehnung von Leih- und Zeitarbeit spielt hier auch eine zentrale Rolle.
Risikoaufschläge
Anlehnend an Konzepte des französischen Arbeitsmarktes könnte es einen „Prekariats- oder Risikoaufschlag“ für Teilzeitbeschäftigte geben. Vorstellbar sind höhere Löhne für Teilzeitjobs, höhere Sozialleistungen im Falle eines Jobverlustes oder auch ein Pensionszuschlag für die Teilzeitjahre.