Der Arbeitsmarkt in Österreich verzeichnet widersprüchliche Entwicklungen: Die Beschäftigung steigt weiter, auch 2015 konnte man ein Plus verzeichnen. Dennoch übersteigt das Angebot die Nachfrage: Personen aus dem Ausland und Frauen treten vermehrt auf dem Arbeitsmarkt auf und die Pensionsänderungen bewirken, dass ältere Menschen länger auf dem Arbeitsmarkt verbleiben. Daher steigt die Arbeitslosigkeit weiter an. Doch nicht alle Gruppen sind gleichermaßen von Arbeitslosigkeit betroffen.
Mehr Beschäftigung vor allem im Gesundheits- und Sozialwesen Im Jahr 2015 gab es in Österreich etwas mehr als 3,5 Mio. unselbstständige Beschäftigungsverhältnisse, davon entfielen 47% auf Frauen und 53% auf Männer. Im Vergleich zum Vorjahr war ein Plus bei der unselbstständigen Beschäftigung von +0,9% zu verzeichnen. Wie Tabelle 1 zeigt ist der Anstieg bei Frauen etwas stärker ausgeprägt als bei Männer. Seit 2008, als die Auswirkungen der Finanzkrise spürbar wurden, ist die unselbstständige Beschäftigung um +4% gestiegen.
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Nach Branchen betrachtet sind die meisten Beschäftigungsverhältnisse im Gesundheits- und Sozialwesen (+7.300) entstanden, gefolgt vom öffentlichen Dienst (+6.600) und Tourismus samt Gastronomie (+5.200). Einen leichten Beschäftigungsrückgang gab es im Produktionsbereich (-2.800), der aber mit knapp 580.000 Beschäftigten der größte Wirtschaftsbereich bleibt.
Mehr Arbeitsplätze in Teilzeit, weniger in Vollzeit Die Statistik Austria stellt auch Daten der Beschäftigten nach ihrem Arbeitszeitausmaß zur Verfügung. Aus diesen Zahlen kann man ablesen, dass das Wachstum der Beschäftigung überwiegend auf den Anstieg der Teilzeitbeschäftigung zurückzuführen ist. Wie Abbildung 1 zeigt, stieg die Zahl der Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse zwischen 2008 und 2015 um +26,5%, während jene der Vollzeitarbeitsplätze im selben Zeitraum sogar leicht rückläufig war (-2,2%). Aktuelle Daten aus dem ersten Quartal 2016 geben Grund zu der Annahme, dass die Entwicklung der Vollzeitarbeitsplätze wieder an Fahrt aufnimmt und diese absolut gesehen wieder stärker wachsen als die Teilzeitbeschäftigung. Ob diese Entwicklung allerdings nachhaltig ist, muss abgewartet werden.
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Bei Betrachtungen des Arbeitsmarktes ist natürlich auch die wirtschaftliche Entwicklung zu berücksichtigen: Dabei zeigt sich, dass die Entwicklung des Bruttoinlandprodukts (BIP) mit +0,9% (von 2014 auf 2015, Quelle: Synthesis) nach wie vor verhalten ist. Weder der Inlandskonsum noch die Exportnachfrage konnten im letzten Jahr wesentlich zunehmen. Die Aussichten für 2016 sind allerdings ein wenig optimistischer. Auch eine Steigerung des privaten Konsums durch die Steuerreform ist zu erwarten, der die wirtschaftliche Entwicklung etwas ankurbeln wird.
Wachsendes Arbeitskräftepotenzial lässt Arbeitslosigkeit steigen Zu der oben genannten wirtschaftlichen Entwicklung kommt ein nach wie vor relativ starkes Wachstum des Arbeitskräftepotentials, also ein Ansteigen der Zahl der Beschäftigten und Arbeitsuchenden in Österreich. Einerseits machen sich die Auswirkungen der Pensionsänderungen bemerkbar (ältere ArbeitnehmerInnen verbleiben länger auf dem Arbeitsmarkt), andererseits steigt die Erwerbsbeteiligung von Frauen und vor allem auch von ausländischen Arbeitskräften. Das Beschäftigungswachstum reicht nicht aus um dieses zusätzliche Potenzial aufzunehmen. Daher steigt die Arbeitslosigkeit an. Insgesamt waren in Österreich 2015 im Jahresdurchschnitt knapp 420.000 Menschen beim AMS vorgemerkt.
Ein Rückblick auf die Entwicklungen seit Beginn der Finanzkrise zeigt, wie sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt ab 2009 verschlechterte. Nach einer kurzen Erholungsphase 2010 und 2011 blieb die wirtschaftliche Entwicklung in den Folgejahren verhalten. Zusammen mit der Zunahme des Arbeitskräfteangebots trug das zu einem stetigen Anstieg der Arbeitslosigkeit ab 2012 bei.
Abbildung 2 zeigt die prozentuale Veränderung der durchschnittlich arbeitslos vorgemerkten Personen und der SchulungsteilnehmerInnen (zum jeweiligen Vorjahr) von 2008 bis 2015. Zwei Aspekte sind dabei besonders herauszustreichen: das Schulungsangebot des Arbeitsmarktservice (AMS) ging einmal von 2010 auf 2011 (-13,6%) und im letzten Jahr (also von 2014 auf 2015) stark zurück (-13,5%). Das bewirkt, dass mehr Personen arbeitslos (und nicht in Schulung) vorgemerkt sind. Trotzdem hat der Anstieg der Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr nicht mehr weiter zugenommen.
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Große Dynamik auf dem österreichischen Arbeitsmarkt Österreich ist ein dynamischer Arbeitsmarkt. Es kommt zu vielen Beschäftigungsaufnahmen aber auch –beendigungen. Wie Abbildung 3 zeigt, wurden im Jahr 2015 in Summe knapp 1,8 Mio. unselbständige Beschäftigungsverhältnisse aufgenommen (die Summe der Pfeile, die in den oberen rechten Kasten führen). Davon kamen 15% aus einer anderen unselbstständigen Beschäftigung und 46% aus „Out of Labour Force“ (d.h. die Personen hatten eine „erwerbsferne Position“, bspw. Karenz oder eine Ausbildung). Rund 647.000 Beschäftigungsaufnahmen (37%) kamen von Personen, die zuvor beim AMS arbeitslos vorgemerkt waren.
Betrachtet man die Wechsel in Arbeitslosigkeit, so sind etwas mehr als die Hälfte (543.900) Personen aus einer unselbstständigen Beschäftigung in Arbeitslosigkeit gewechselt, etwas weniger Personen (455.000) kamen aus einer erwerbsfernen Position. Eine gute Nachricht ist, dass es mehr Wechsel aus Arbeitslosigkeit in Beschäftigung gibt als umgekehrt.
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Risiko von Arbeitslosigkeit sehr ungleich verteilt Im Jahr 2015 waren 951.034 Personen – das ist rund jede vierte auf dem Arbeitsmarkt aktive Person – zumindest einen Tag beim AMS arbeitslos vorgemerkt. Der Frauenanteil bei den von Arbeitslosigkeit betroffenen Personen liegt bei 43%.
40% der von Arbeitslosigkeit betroffenen Personen waren in einem Jahr mehr als einmal arbeitslos. Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit betrug 2015 115 Tage, also etwas weniger als 4 Monate (+ 11% im Vergleich zum Vorjahr).
Das Risiko von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein und die Dauer der Arbeitslosigkeit sind nach gewissen Merkmalen, wie höchste abgeschlossene Ausbildung oder dem Alter, unterschiedlich verteilt (siehe Abbildung 4). Jüngere Menschen sind beispielsweise häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen als ältere Menschen, sie sind aber deutlich kürzer arbeitslos als ältere Arbeitsuchende. Das höchste Risiko zumindest einen Tag von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein, haben Menschen mit maximal Pflichtschulabschluss. Die Betroffenheitsquote liegt hier bei über 60% des Arbeitskräfteangebots.
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Wirtschaftliche Impulse notwendig Weder ist alles eitel Wonne auf dem Arbeitsmarkt, noch ist alles negativ: es braucht in der Arbeitsmarkt-Berichterstattung eine differenzierte Darstellung der Entwicklungen. Es benötigt eine klare Analyse der Herausforderungen, um die Probleme zu lösen. Denn für den/die Einzelne/n bedeutet Arbeitslosigkeit meist einen erheblichen Einschnitt in das persönliche Leben.
Erstens braucht es eine aktive Wirtschaftspolitik – Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen können unterstützen das Arbeitskräfteangebot und die Nachfrage besser aufeinander abzustimmen aber es braucht wirtschaftliche Impulse: Die EU muss Investitionen anregen, die die Wirtschaft beleben und Arbeitsplätze schaffen. Und Österreich braucht einen Ausbau von sozialen Dienstleistungen und Investitionen im Bereich der Infrastruktur. Zweitens muss man auch beim Arbeitskräfteangebot ansetzen: und zwar mit einer Verknappung des Angebots (bspw. über den Abbau von unfreiwilligen Überstunden, einer sechsten Urlaubswoche, etc.) und einem Mehr an Aus- und Weiterbildungen für Arbeitsuchende und Beschäftigte. Und last but not least: Langzeitarbeitslosigkeit und längere Ausgrenzung vom Arbeitsmarkt muss verhindert werden. Das AMS braucht ausreichend Personal, um KundInnen individueller beraten zu können. Das aktive AMS-Budget muss wieder erhöht werden. Neben Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten braucht es zudem mehr Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem „zweiten Arbeitsmarkt“.
Dieser Beitrag ist eine leicht adaptierte Form der Sozial- und Wirtschaftsstatistik Aktuell Nr. 6/Juni 2016.
Mehr Auswertungen und Informationen zum Thema Arbeitsmarkt finden Sie hier:
AMS Österreich – Bericht über die Arbeitsmarktlage 2015
AK Wien – Arbeitsmarkt im Fokus 01/2015 und 02/2015
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