Berufskrankheiten sind gesundheitliche Schädigungen, die sich Arbeitnehmer:innen durch ihre Erwerbsarbeit zuziehen. Ist dies der Fall, so stehen ihnen Leistungen aus der Unfallversicherung (nicht wie sonst im Krankheitsfall aus der Krankenversicherung) zu. Umfasst sind allerdings bei Weitem nicht alle Erkrankungen, sondern sie müssen ausdrücklich in der sogenannten Berufskrankheitenliste im ASVG geregelt sein. Die Versicherungssparte macht einen Unterschied! So muss die Krankenbehandlung laut ASVG nur „ausreichend und zweckmäßig sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten“, während die Unfallheilbehandlung „mit allen geeigneten Mitteln“ zu erfolgen hat. Die Leistungsansprüche in der Unfallversicherung sind auch wesentlich umfassender als in der Krankenversicherung.
Anerkennung als Berufskrankheit bringt einige Vorteile
- vielfach besserer Versorgungsanspruch bei Heilbehandlung und Rehabilitation
- Qualifikation und Umschulung, falls der erlernte Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann
- Entfall von Kostenbeteiligung, u. a. für den Rehabilitationsaufenthalt oder bei Hilfsmitteln
- eine monatliche Rente bei starken, langanhaltenden Einschränkungen
- finanzielle Absicherung der Hinterbliebenen (u. a. Renten) für den Fall, dass die Berufskrankheit zum Tod führt
- Wichtig dabei: Auch Spät- oder Langzeitfolgen sind vom Versicherungsschutz gedeckt.
Die Ergänzungen, die in den vergangenen Jahrzehnten stattgefunden haben, können nur als zurückhaltend beschrieben werden. Damit ist die Notwendigkeit der Modernisierung der Berufskrankheitenliste seit Jahren eine sehr hohe.
Im Koalitionsübereinkommen der aktuellen Bundesregierung findet sich auch seit 2020 das Vorhaben für eine „Modernisierung der Berufskrankheitenliste“. Diesem Punkt ist man nun nachgekommen, aber das sehr unzureichend – eine verpasste Chance für eine echte Verbesserung.
Was plant die Regierung?
Der vorliegende Gesetzesentwurf mit dem klingenden Titel „Berufskrankheiten-Modernisierungsgesetz“ sieht die Erweiterung um vier Erkrankungen vor. Dabei handelt es sich um:
- fokale Dystonien („Musikerkrampf“) bei Instrumentalmusiker:innen
- Weißer Hautkrebs durch UV-Exposition
- Ovarialkarzinom nach Asbest-Exposition
- Hypothenar-/Thenar-Hammersyndrom, eine Durchblutungsstörung in den Bereichen von Kleinfinger- oder Daumenballen
Daneben wird auch die Berufskrankheitenliste selbst neu strukturiert, die bestehenden Krankheiten werden neu gegliedert. Das ist die ganze „Modernisierung“.
Wie hat sich die Berufskrankheitenliste entwickelt?
Die Berufskrankheitenliste umfasst seit dem Jahr 2006 insgesamt 53 Positionen. Die letzte Adaptierung erfolgte durch das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2012 – SVÄG 2012. Dabei kam es aber nicht zur Aufnahme einer neuen Berufskrankheit, es wurden lediglich einzelne Anpassungen an bestehenden Positionen durchgeführt. Dabei war bereits zum damaligen Zeitpunkt der hohe Bedarf an der Aufnahme neuer Positionen offenkundig. Es wurde etwa bereits zu dieser Zeit darauf hingewiesen, dass vor allem für Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates die Dringlichkeit zur Erweiterung besteht. Die Notwendigkeit dafür dürfte auch im Bewusstsein gewesen sein: Die Erläuterungen zum SVÄG 2012 enthielten den Hinweis, „vorerst Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates nicht in die Berufskrankheitenliste aufzunehmen; diesbezüglich sollen weitere Entwicklungen in diese Richtung abgewartet werden.“
Seitdem sind nicht nur viele Jahre vergangen, es hat auch einiges an Entwicklung gegeben. Es ist daher unverständlich, dass eine beabsichtigte Modernisierung für diese Erkrankungen keine Anpassung beinhaltet. Dies ist aber nur ein Beispiel von vielen! Der Vergleich mit anderen europäischen Ländern, vor allem mit Deutschland, zeigt auf, wie viele Krankheiten bzw. Gesundheitsschädigungen in der Liste fehlen.