Wieviel Autonomie? Welche Grösse? Ein Beitrag zum öffentlichen Diskurs rund um die Gemeinden in Österreich.

28. Oktober 2014

Die andauernde politische Debatte in der Steiermark rund um die Gemeindestrukturreform zeigt einmal mehr die Aktualität dieses Themas. Politische Vorgaben – wie beispielsweise der Stabilitätspakt 2012 – aber auch die globalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stellen die österreichischen Kommunen vor immer größer werdende Herausforderungen.

 

Das in der Bundesverfassung verankerte Prinzip der Gemeindeautonomie ist in zunehmenden Maß gefährdet. Grundsätzlich versteht man unter Gemeindeautonomie das Recht auf Regelung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung.

Um das Ziel einer effizienten und wirkungsvollen Leistungserbringung durch die Gebietskörperschaft „Gemeinde“ zu erreichen, sind die politische und insbesondere die finanzpolitische Autonomie entscheidend. Die wichtigen Faktoren in diesem Zusammenhang sind die Ausgaben- und Einnahmenautonomie.

Aktuell wird nicht nur in Österreich, sondern auch im europäischen Ausland über die geeignete Gemeindegröße diskutiert. In Deutschland, der Schweiz und Österreich geht der Diskurs insbesondere in Richtung Mindestgrößen und in Richtung Zusammenarbeit bzw. Zusammenschluss von Gemeinden.

Im Wesentlichen kann man zwischen Zusammenschluss im engeren Sinn (zwei ähnlich große Gemeinden), einer Eingemeindung (eine Gemeinde geht in der anderen auf) und Kooperation zwischen Gemeinden in Teilbereichen unterscheiden.

Kommt es zu Zusammenschlüssen oder zu Eingemeindungen, so kann zwischen freiwilliger Fusionierung und Zwangsfusionierung unterschieden werden. Wie die Empirie zeigt, ist die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Fusionierung bei freiwilligen Zusammenschlüssen deutlich höher. Wichtig ist, dass die Fusionsvorteile mögliche Nachteile in beiden Gemeinden kompensieren. Da es bis auf die Statutarstädte keine „Bestandsgarantie“ von Gemeinden gibt, kann auch bspw. die Gebietskörperschaft „Land“ Gemeindezusammenschlüsse anordnen (siehe Steiermark).

Eine relativ kleinräumige Gemeindestruktur in Österreich

Österreich weist eine besonders kleinteilige Gemeindestruktur auf. 91 % der österreichischen Gemeinden haben weniger als 5.000 Einwohner. In den meisten europäischen Staaten ist dieser Prozentsatz geringer. Einzig Frankreich liegt hier noch vor Österreich (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern (in Prozent aller Gemeinden)

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Quelle: WIFO

Die Diskussion rund um die Gemeindestruktur ist nicht neuartig. In den Bundesländern Burgenland, Kärnten, Niederösterreich und der Steiermark hat man zwischen den 1960er Jahren und heute die Anzahl der Gemeinden um 36 % bis zu 65 % reduziert. Die Motive waren dabei unterschiedlich und es gab kein bundesweit einheitliches Vorgehen.

Österreichweit gibt es aktuell nur neun Gemeinden, die mehr als 50.000 Einwohner zählen. 17 Gemeinden zählen zwischen 20.001 und 50.000 Einwohner. Die restlichen 2.328 österreichischen Gemeinden sind kleiner.

Betrachtet man die Medianeinwohnerzahl der Gemeinden, so ergibt sich folgendes Bild:

Abbildung 2: Medianeinwohnerzahl der Gemeinden (exklusive Wien, Stand: Zentrales Melderegister per 31.Oktober 2013)

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Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung, eigene Darstellung

Die Aufgaben steigen, die eigenen Gemeindeeinnahmen sinken

Die Aufgaben der Kommunen sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Gleichzeitig wurden die eigenen Gemeindeabgaben anteilsmäßig reduziert. Dazu zählen beispielsweise der Wegfall der Getränkesteuer im Jahr 2000 oder die Abschaffung der Ankündigungs- und Anzeigeabgabe im gleichen Jahr. Die Gründe waren unterschiedlich, beispielsweise entschied der EuGH, dass die Steuer auf alkoholische Getränke der Verbrauchsteuerrichtlinie widerspreche.

Der stark ausgeprägte Steuerverbund in Österreich und die immer größer werdende Abhängigkeit der Gemeinden von Transferzahlungen der anderen Gebietskörperschaften widerspricht dem Prinzip der fiskalischen Äquivalenz.

Reformmöglichkeiten im Bereich der finanzpolitischen Autonomie

Ein gutes und effizientes kommunales Abgabensystem muss eine Vielzahl an Faktoren beachten, dazu zählen:

  • die örtliche Radizierbarkeit (Darunter versteht man, dass die Steuern/Abgaben/Gebühren dem jeweiligen Gebiet der Gemeinde entstammen [Bsp. Grundsteuer].),
  • der Interessensausgleich,
  • die Merklichkeit (Als Beispiel können hier Verbrauchssteuern angeführt werden. Diese sind integrierter Bestandteil des Verkaufspreises und weisen dadurch eine geringe Merklichkeit auf. Dies soll bei kommunalen Abgaben nicht der Fall sein.),
  • die langfristige Ergiebigkeit,
  • die Konjunkturunempfindlichkeit,
  • die Steuerwettbewerbsanfälligkeit,
  • die Transparenz,
  • die lokale Gestaltungskompetenz,
  • das Lenkungspotenzial und
  • die Administrierbarkeit.

Die Grundsteuer eignet sich beispielsweise in hohem Maß für eine Gemeindesteuer. Die oben angeführten Faktoren werden alle beachtet, einzig bei der Administrierbarkeit der Steuer bedarf es einer Entwicklung eines geeigneten Bewertungsverfahrens, auch hier liegen jedoch schon Vorschläge am Tisch (Bsp. Gemeindebund).

Schaffung einer leistungs- und zukunftsfähigen Gemeindestruktur

Es stellt sich die Frage, wie groß (gemessen an der Einwohnerzahl) ist die optimale Gemeinde? Diese Frage lässt sich nicht an einer Zahl festmachen. Eine Vielzahl an Faktoren gilt es zu berücksichtigen.

Das Ausschöpfen von Skalen- und Verbundvorteilen wird häufig als zentrales Argument für Zusammenschlüsse genannt. Steigende Skalenerträge lassen sich in der Produktion und Nutzung öffentlicher Leistungen zeigen.

Als weiterer Faktor werden räumliche Spillover-Effekte für zentralörtliche Leistungen genannt. Die Herstellung von Kongruenz zwischen Entscheidungs- und Kostenträger wird hier als Ziel genannt. Im Hinblick auf die fiskalische Äquivalenz sollen Gemeindegrößen angestrebt werden, bei denen die Kongruenz besonders hoch ist.

Zu beachten gilt es auch, dass es bei Gemeindezusammenschlüssen zu Wohlfahrtsverlusten kommen kann, wenn die Präferenzen der BürgerInnen der ehemals selbstständigen Gemeinden besonders weit auseinander liegen. Die Quantifizierung ist häufig schwierig.

Darüber hinaus sind bei Gemeindefusionen die einmaligen Kosten für die Vorbereitung und Durchführung zu beachten. Diese sind letzten Endes abhängig von der Komplexität des Vorhabens, der Gemeindegröße und dem Reorganisationsbedarf.