Wer keinen goldenen Löffel hat ... Warum es die Gewerkschaft braucht

17. Februar 2016

Die Frage nach Sinn und Zweck von Gewerkschaften ist schnell beantwortet:  Gewerkschaften braucht jeder, der nicht das Glück hatte, mit dem sprichwörtlichen goldenen Löffel im Munde geboren worden zu sein. Vieles, was heute im Arbeits- und Sozialrecht selbstverständlich erscheint, besteht nur wegen der Gewerkschaften – und kann nur mit ihnen gegen die wiederkehrenden Angriffe verteidigt werden.

Beitrag zum Wohlstand

Die Gewerkschaften waren es, die den Wirtschaftseliten in einem jahrzehntelangen und mühsamen Kampf jenen sozialen Fortschritt abgerungen haben, der zur Zivilisierung des Kapitalismus und zur Humanisierung der Arbeit geführt hat. Aber weder der 8-Stunden-Tag noch ArbeitnehmerInnenschutz, Kollektivverträge oder Urlaub sind in Stein gemeißelt. Sie müssen – besonders in Krisenzeiten – immer wieder aufs Neue verteidigt werden. Neoliberale Kräfte streben nach einer Marktwirtschaft ohne jeden staatlichen Einfluss und ohne Mindeststandards. Nur der solidarische Zusammenschluss von ArbeitnehmerInnen ermächtigt die Gewerkschaften  dazu, auf Augenhöhe mit der Wirtschaft faire Löhne und Gehälter zu verhandeln.

Wem gehört die Welt?

Der wirtschaftliche Druck auf die Menschen wächst – genauso wie die Ungleichheit. Laut OECD bezieht das einkommensstärkste Zehntel der Haushalte etwa ein Viertel aller Haushaltseinkommen.  Die internationale Organisation Oxfam hat diesen Befund weiter zugespitzt und erhoben, dass die reichsten 62 Menschen der Welt zusammen genauso viel Vermögen besitzen wie die 3,5 Milliarden ärmsten Menschen.

Umso zynischer mutet es an, wenn etwa der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, in einem „Kurier“-Interview behauptet: „Ich glaube schon, dass es etwas mehr Leistungsdruck braucht. Dieser Druck verteilt sich auf immer weniger Menschen. Das sind dann auch die, die hohe Steuern zahlen.“ Das ist Unfug – in Wahrheit ist es so, dass Klein- und MittelverdienerInnen den Löwenanteil der Steuerlast tragen. Gewerkschaften stehen auf der Seite jener Menschen, die hart arbeiten müssen, um ihr Leben bestreiten zu können, während Konzerne häufig in Steueroasen anzutreffen sind.

Wo ist da die Leistung?

Jüngstes – und tragisches – Beispiel ist die Zielpunkt-Pleite: Es ist sicher nicht die Familie Pfeiffer (mit einem geschätzten Vermögen von 770 Millionen Euro), um die man sich Sorgen machen müsste. Die Leistung des Managements, eine Handelskette in den Bankrott zu manövrieren, ist hier kritisch zu hinterfragen. Die Zeche dafür bezahlen aber Beschäftigte, die tagtäglich ihre volle Leistung erbracht haben.

Und es waren die MitarbeiterInnen der Gewerkschaften und des Insolvenzbüros von ÖGB und AK, die in den Wochen nach der Insolvenz rund um die Uhr im Einsatz waren, um den Betroffenen zu ihrem Recht und zu ihrem Geld zu verhelfen.

Ein Bollwerk gegen Ungerechtigkeit

Gewerkschaften sind im Gegensatz zu den Lobbyisten finanzkräftiger Konzerne nur den Interessen der ArbeitnehmerInnen verpflichtet.

So unterschiedlich deren Anliegen auch sind – sie alle haben etwas gemeinsam: Sie fordern einen gerechten Anteil an dem Wohlstand, den sie jeden Tag erarbeiten, faire Arbeitsbedingungen und soziale Sicherheit. Die Gewerkschaftsbewegung versteht sich deshalb auch weiterhin als Bollwerk gegen Ausbeutung und Ungerechtigkeit – national und international.

Wer Forderungen wie „mehr Flexibilität“ stellt, in Wirklichkeit aber weniger Geld für mehr Arbeit meint, wird auf die Ablehnung der Gewerkschaften stoßen. Wer nach Reformen schreit, um damit den Abbau des Sozialstaates zu forcieren, beschreitet einen gefährlichen Weg. Denn Sozialstaat und Demokratie sind eng verbunden. Wer den Sozialstaat und die Interessenvertretungen der arbeitenden Menschen demontieren will, der sägt am Ast der Demokratie.

Dieser Beitrag ist als Kommentar in der Februar–Ausgabe 2016 von „Arbeit&Wirtschaft: Gemeinsam stärker“ erschienen.
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