Die FPÖ bezeichnet sich selbst gerne als soziale Arbeiterpartei – auch im letzten Wahlkampf. Im Umfeld der Gewerkschaften sind zwar die Berührungsängste mit der Freiheitlichen Partei nach wie vor sehr groß. Die Behauptung, dass sozialpolitische Themen bei den Freiheitlichen auf offene Ohren stoßen könnten, hält sich aber trotzdem hartnäckig. Doch wie sozial ist die FPÖ wirklich? Es lohnt sich genauer hinzusehen: nicht nur auf rassistische Entgleisungen sondern auch auf die wichtigsten sozialpolitischen Positionen der FPÖ. Da Wahlprogramme und Presseaussendungen immer auch Platz für Interpretationen lassen, ist ein Rückblick auf die Aktivitäten der blauen Regierungsbeteiligung ebenfalls Teil dieses Faktenchecks. Ein genauer Blick zeigt, dass viele freiheitliche Forderungen nicht nur alles andere als sozial sind sondern auch Vorurteile verstärken und völlig unpraktikabel sind.
Die FPÖ betont immer wieder, dass sie den Faktor Arbeit entlasten möchte. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Der Teufel steckt aber wie so oft im Detail, denn die Entlastung soll laut Freiheitlichen über eine Senkung der Lohnnebenkosten stattfinden. Welche Lohnnebenkosten die FPÖ damit genau meint, lässt sie offen. Es darf also spekuliert werden, ob die FPÖ die Beiträge in die Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung kürzen möchte oder vielleicht den Zuschlag zum Insolvenz-Entgeltfond, der auch bei Unternehmenspleiten einspringt, die Arbeiterkammerumlage oder den Wohnbauförderungsbeitrag. Was die FPÖ ebenfalls nicht dazu sagt, ist, dass niedrige Beiträge auch zu weniger Leistungen führen. Niedrigere Krankenkassenbeiträge zum Beispiel bedeuten unweigerlich eine schlechtere Gesundheitsversorgung oder mehr Selbstbehalte für die Menschen. Mit sozial hat diese Forderung also wenig zu tun.
Spiel mit Vorurteilen
Entlarvend ist die Haltung der FPÖ auch zu einem der wichtigsten sozialen Fortschritte der letzten Jahre, der bedarfsorientierten Mindestsicherung. Die FPÖ lehnt die Mindestsicherung ab, weil sie angeblich eine grob ungerechte Form der Umverteilung darstelle und die Zuwanderung von ausschließlich an unseren Sozialleistungen interessierten Personen provoziere.
Diese Argumentation ist völlig absurd denn: ein Anspruch auf Mindestsicherung kann erst entstehen, wenn man sich fünf Jahre rechtmäßig in Österreich aufhält. Und auch die weiteren Zugangskriterien zur bedarfsorientierten Mindestsicherung sind rigoros: Bevor man Mindestsicherung beziehen kann, muss man sein Vermögen weitgehend verbrauchen, also z.B. eine Eigentumswohnung verkaufen und sich außerdem dem AMS zur Verfügung halten und jedes beliebige Jobangebot annehmen.
Während sie also gegen eine soziale Absicherung für die Ärmsten in unsrer Gesellschaft eintritt, „glänzt“ die FPÖ mit der Forderung nach einer eigenen Sozialversicherung für AusländerInnen. Diese Forderung ist nicht nur unsozial sondern auch unökonomisch. Denn MigrantInnen sind sogenannte Nettozahler in der Sozialversicherung. Sie zahlen schon alleine aufgrund ihrer Altersstruktur mehr ein, als sie an Leistungen in Anspruch nehmen. Die eigene „Ausländersozialversicherung“ ist daher eine völlig groteske Idee und würde lediglich unnötige Verwaltungskosten produzieren. Österreichs ZuwanderInnen leisten einen wesentlichen Beitrag zum Sozialsystem. Das ist für die FPÖ durchdacht oder sozial?
Falsche Anreize
Während ÖGB und Gewerkschaften über neue Rezepte zur notwendigen Reduktion von Überstunden nachdenken, fordert die FPÖ die Nichtbesteuerung von Überstunden auszuweiten. Damit würden völlig falsche Anreize entstehen, noch mehr zu arbeiten und die Schaffung neuer Arbeitsplätze verhindert werden. Solche Forderungen – in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit – zeugen nicht von großem Verständnis für soziale Zusammenhänge.
Geht es nach den Freiheitlichen, sollen in Zukunft nicht nur die Kinderbetreuung sondern auch sonstige haushaltsnahe Dienstleistungen bis zu einer Obergrenze von 3000 Euro steuerlich geltend gemacht werden können. Auch das ist eine Forderung, die eine Prüfung hinsichtlich ihrer sozialen Qualität verdient. Denn schon jetzt nutzt die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten nur GutverdienerInnen. Was daran sozial sein soll, wenn Gutverdiener in Zukunft nicht nur die Leihoma sondern auch die Putzfrau von der Steuer absetzen können, ist nicht erklärbar.
Wenig sozial ist auch die blaue Ablehnung einer gemeinsamen Schule der 10 bis 14-Jährigen. Warum eine Partei, die sich damit brüstet, sich für den „kleinen Mann“ einzusetzen, gleichzeitig verhindern will, dass dessen Kinder bessere Bildungschancen bekommen, lässt sich ebenfalls mit rationalen Argumenten nicht erklären.
Unsozial sind wie zu erwarten auch die freiheitlichen Forderungen zur Integration: So sollen etwa 5- bis 6-jährige Kinder vor dem Schuleintritt Deutschprüfungen ablegen müssen. Scheitern sie bei dieser Prüfung, sollen sie einen Intensivkurs absolvieren, der von den Eltern zu finanzieren ist. Nur bei bestandener Prüfung ist eine Aufnahme in das österreichische Schulsystem möglich. MigrantInnen, die arbeitslos werden, sollen automatisch ihre Aufenthaltserlaubnis und Beschäftigungsbewilligung verlieren. Das würde sie für den Arbeitgeber erpressbar machen und Lohndumping Tür und Tor öffnen. Bei Familienangehörigen von MigrantInnen und selbst für in Österreich geborene Kinder soll der Aufenthaltsstatus vom ursprünglich Zugewanderten abhängen, der auch für sie aufkommen muss. Das ist zum Teil bereits jetzt der Fall. Eine Verschärfung dieser Regelung würde Frauen und auch andere Miglieder von MigrantInnenfamilien noch stärker in eine Abhängigkeit vom (meist männlichen) Ernährer bringen.
Dass der unsoziale Gedanke sich durch das gesamte Parteiprogramm zieht zeigt sich auch an völlig unerwarteten Stellen, so etwa im Abschnitt über Kunst. Kunst ist für die Freiheitlichen Privatsache. Sie schreiben dazu: “Wir bekennen uns daher zu einem privaten Mäzenatentum, das über steuerliche Anreize den Kunstmarkt stimuliert.“ Die Freiheitliche Partei wünscht sich also steuerliche Förderungen für reiche Kunstsammler. Was für eine gute und soziale Idee.
Schlechte Regierungsbilanz
Wer schließlich nach der Lektüre des freiheitlichen Programms noch immer an eine soziale FPÖ glauben möchte, dem/der sei ein kurzer historischer Rückblick empfohlen. Denn auch in den 6 Jahren ihrer Regierungsbeteiligung hat die FPÖ keine sozialen Fortschritte sondern nur Rückschritte erreicht. Die FPÖ fordert heute eine Mindestpension. Als sie an der Regierung war, hat sie jedoch mit Ihrer Pensionsreform den Menschen eine massive Leistungskürzung zugemutet. Ohne Wimperzucken wurde in Kauf genommen, dass Tausende älterer ArbeitnehmerInnen in die Altersarbeitslosigkeit abgedrängt wurden. Der Schwarz-blauen Pensionsreform ist es nicht zuletzt zu verdanken, dass heute immer mehr Menschen von Altersarmut betroffen sind. Bis zu 40% Pensionskürzungen waren ursprünglich vorgesehen. Nur durch die Proteste der Gewerkschaften konnte das verhindert und eine Deckelung der Verluste mit 5 bis 10 % erreicht werden.
Dieselbe Partei, die heute „den kleinen Mann“ entlasten möchte, hat ihn (und noch mehr die kleine Frau) stärker belastet. Die Regierung mit freiheitlicher Beteiligung hat die Alterspension bei langer Arbeitslosigkeit abgeschafft und auch bei den Betriebspensionen war die FPÖ in der Regierung als man den Betroffenen nach der Finanzmarktkrise 2001/2002 die Mindestertragsgarantie gestrichen hat. Die FPÖ war dabei als Selbstbehalte wie die Ambulanzgebühren zu Lasten der Patienten eingeführt, Unfallrenten besteuert und damit Menschen, die einen Arbeitsunfall hatten, zusätzlich belastet wurden. Statt die ArbeitnehmerInnen zu entlasten, bekamen die Arbeitgeber damals ein Zuckerl nach dem anderen: Absenkung des Körperschaftssteuersatzes weit unter das europäische Durchschnittsniveau und Einführung einer radikalen Gruppenbesteuerung. Mit Erfolg: Während die ArbeitnehmerInnen-Belastung Rekordwerte erreichte, waren die Unternehmensteuern in Prozent des Gesamtsteueraufkommens nach der Regierungszeit von schwarz-blau an der letzten Stelle aller Industriestaaten. Durch die permanente Erhöhung von Verbrauchssteuern und Gebühren wurde gleichzeitig nicht nur die Inflation angeheizt, sondern auch die Steuerlast immer weiter zu den ArbeitnehmerInnen, vor allem den Geringverdienern verlagert. Dass die Steuerreform von 2004/2005 eine einmalige Entlastung brachte wurde von den Gebührenerhöhungen sofort wieder aufgefressen und an dem hohen Eingangssteuersatz von 38,33 Prozent, der damals eingeführt wurde, knabbern wir heute noch. Verbilligt wurde unter Schwarz-blau nur die Kündigung für Arbeitgeber, durch geringere Urlaubsabgeltung, höhere Besteuerung der Beendigungsansprüche wie offene Urlaubsgelder, Kündigungsentschädigung oder Leistungen aus dem Insolvenzfonds und durch die Kürzung beim Arbeitslosengeld, etwa durch die Streichung der Familienzuschläge.
Legendär sind aber nicht nur die unsozialen Maßnahmen sondern auch die Privatisierungen, unter Schwarz-blau-orange. So etwa der Verkauf von Voest, Austria Tabak und der BUWOG, die zum Teil die Gerichte bis heute beschäftigen.
Undurchdachte Vorhaben
Ein zentrales Vorhaben des schwarz-blauen Regierungsprogramms war die Entmachtung von Gewerkschaften und Arbeiterkammern. Es wurde versucht die Kollektivvertragspolitik der Gewerkschaften zu unterlaufen und die Ressourcen der AK durch eine Kürzung der AK-Umlage zu beschneiden. Man stelle sich vor, wie es heute um die Einkommensentwicklung der ArbeitnehmerInnen bestellt wäre, hätten sie sich damit durchgesetzt. Das Resümee ist deutlich und enttarnend: Weder im Partei- oder Wahlprogramm der FPÖ noch beim Rückblick auf die blaue Regierungsarbeit finden sich glaubhafte Indizien für ein soziales Gewissen der FPÖ. Im Gegenteil, was die Freiheitlichen als sozialen Fortschritt verkaufen wollen, ist in Wahrheit ein sozialer Rückschritt.
(Eine kürzere Fassung des Beitrags ist in der Kompetenz erschienen.)