Die neue Studierenden-Sozialerhebung belegt erneut den akuten Verbesserungsbedarf bei der Studienförderung. Nur mehr 12 Prozent der Studierenden bekommen ein normales, sprich vom Einkommen der Eltern abhängiges Stipendium und die Beihilfenhöhe ist mit im Schnitt € 310,- pro Monat vielfach unzureichend. Die aktuelle Novelle des Studienförderungsgesetzes leistet diesbezüglich nur wenig Abhilfe.
Immer weniger Studierende beziehen Stipendien
„Stipendium – leider nein!“ heißt es für immer mehr Studierende in Österreich. Reiche Eltern sind allerdings nicht der Hauptgrund, wenngleich Studierende aus „hoher“ Schicht* mit ca. 17% bei den StudienanfängerInnen überrepräsentiert sind.
Der Kreis an „konventionellen“ BeihilfenbezieherInnen wird deshalb laufend kleiner, weil die letzte Anhebung der Berechnungs- und Bezugskriterien schon fast 10 Jahre zurückliegt. 2007 und 2008 erfolgte nämlich die – allerdings auch nur teilweise – Anpassung an die gestiegenen Einkommen und Lebenshaltungskosten. Vor allem bei den Universitäts-Studierenden ist die Zahl der Anträge und Bewilligungen rückläufig.
Die Zuwächse bei den Fachhochschul-Studierenden sowie insbesondere den SelbsterhalterInnen, bei denen das Einkommen der Eltern ausnahmsweise keine Rolle spielt, lassen den Rückgang nicht ganz so heftig ausfallen.
Die Höhe der Stipendien reicht nicht aus
Die fehlende Indexanpassung hat natürlich auch Auswirkungen auf die Beihilfenhöhen. Beispielsweise müsste – verglichen mit dem Zeitpunkt der letzten Anpassung 2007 – das Höchststipendium für „auswärtige“ Studierende von jährlich € 8.148,- wertgesichert heute rund € 9.560,- betragen. Hinzu kommt, dass die monatliche Höchststudienbeihilfe in der Höhe von € 679,- nur sehr wenige BezieherInnen eines konventionellen Stipendiums bekommen. Die durchschnittliche Beihilfenhöhe beträgt € 310,-/Monat, nur 10% der BezieherInnen erhalten über € 500,-.
Bei der Berechnung der Beihilfe wird überdies angenommen, dass die Familienbeihilfe den StipendienbezieherInnen zur Verfügung steht. Die Erhebung zeigt jedoch, dass viele die Familienbeihilfe gar nicht bzw. nicht in voller Höhe von den Eltern erhalten. (Band 2 – Seite 258)
Ein Berechnungsbeispiel der Studienbeihilfenbehörde illustriert jedenfalls, dass es bei den realen Stipendien um Beträge deutlich unter der oft zitierten „Mindestpension“ (= Richtsatz für die Ausgleichszulage) von zirka € 880,- geht: Bei einem monatlichen Bruttoeinkommen der Eltern (beide angestellt) von insgesamt € 3.200,- und zwei studierenden Kindern beträgt die Beihilfe rund € 50,- pro Monat!
Kein Wunder, dass Studierende aus sozial schwächeren Schichten (dazu gehören auch die BeihilfenbezieherInnen) häufig mit finanziellen Problemen konfrontiert sind. Ihre Familien können sie nicht in demselben Ausmaß unterstützen wie besser gestellte Familien, und die Studienbeihilfe kann diese Unterschiede derzeit nicht ausgleichen. So bleibt als Finanzierungsquelle oft nur die (erhöhte) Berufstätigkeit, verbunden mit der Gefahr, die Beihilfe wegen fehlenden Studienerfolgs ganz zu verlieren.
Die aktuelle Stipendiennovelle sieht zwar Verbesserungen – vor allem für ältere Studierende (über 27 Jahre) – vor, wird aber insgesamt keine Trendwende bringen.
Die neuen Zuschläge von € 30,- pro Monat verweisen zudem auf ein weiteres Problem: Das Berechnungssystem mit Absetz- und Freibeträgen, Abzügen für zumutbare Unterhalts- und Eigenleistungen sowie einem 12%-Zuschlag von der errechneten Summe ist nur mehr schwer nachvollziehbar.
Bessere Stipendien: Gut für Bildungsgerechtigkeit und Arbeitsmarkt!
Die neuesten Daten der Studierenden-Sozialerhebung weisen in eine Richtung: Die derzeitige Studienförderung muss dringend verbessert werden, „Minireformen“ reichen nicht. Eine grundlegende und eine substanzielle Erhöhung sowohl der ausbezahlten Studienförderung sowie deren Berechnungsgrenzen sind wichtige Maßnahmen für mehr Bildungsgerechtigkeit.
Die ausreichende Dotierung des Stipendientopfs hat jedenfalls einen Mehrfachnutzen:
- Ein bestmögliches Stipendiensystem sorgt im Sinne der Gerechtigkeitsperspektive dafür, dass talentierte, aber weniger begüterte Personen nicht im Bildungssystem verloren gehen.
- Zudem zeigte eine Wirkungsanalyse des Studienförderungsgesetzes, dass BeihilfenbezieherInnen zu einem deutlich höheren Prozentsatz ihr Studium abschließen als nicht geförderte Studierende.
- Diese jährlich 1.500 zusätzlichen AbsolventInnen führen langfristig zu einer Erhöhung des Bruttoinlandsprodukts und höheren Steuereinnahmen.
- Ausreichend dotierte Stipendien sind nicht nur eine Hilfestellung für die einzelnen Studierenden, sondern können kurzfristig auch den ohnehin angespannten Arbeitsmarkt „entlasten“.
*„hohe Schicht“, das sind laut Sozialerhebung vorrangig Studierende, deren Eltern AkademikerInnen sind, die in einer Leitungsfunktion, als UnternehmerInnen mit Angestellten oder als FreiberuflerInnen tätig sind