Aktuelle Zahlen belegen einen stetigen Sinkflug der Studienbeihilfen: Immer weniger Studierende beziehen ein Stipendium und die Stipendienhöhe ist vielfach völlig unzureichend.
Finanzielle Hürden für Studierende aus einkommensschwachen Haushalten sind kein Thema, das in hochschulpolitischen Debatten hierzulande eine große Rolle spielt. Die staatliche Studienförderung, die weniger begüterten Studierenden zur Absicherung während des Studiums dienen soll, rangiert im Vergleich zu den Topthemen Uni-Finanzierung, Zugangsregelungen und Studiengebühren unter „ferner liefen“.
Die Erfahrung zeigt außerdem, dass viele über die Zahl der Stipendienbezieher- und bezieherinnen, die Bezugskriterien und die Höhe der Beihilfen kaum bis gar nicht Bescheid wissen. Die landläufige Meinung ist: „Bei uns kriegt jeder, der es braucht, ohnehin ein Stipendium!“ Auch was die Stipendienhöhe betrifft, liegen Schätzung und Realität oft meilenweit auseinander.
Immer weniger bekommen ein Stipendium
Obwohl die Zahl der Studierenden an Universitäten und Fachhochschulen seit dem Wintersemester 2008 um 23% gestiegen ist (Siehe: BMWFW: Statistisches Taschenbuch 2014), sank die Zahl der StipendienbezieherInnen im selben Zeitraum um 13%. Dies betrifft vor allem die „konventionelle“ Studienbeihilfe, also jene, bei der das Einkommen der Eltern relevant ist.
Der Trend spiegelt sich auch bei den Budgetzahlen wider. Die Aufwendungen für die Studienförderung zeigen die Stagnation bzw. die Abwärtsentwicklung mit 186,6 Mio € im Jahr 2013 (2012: 189,6 Mio €; 2011: 185 Mio €).
Unzureichende Stipendienhöhe
Der Grund für den Rückgang bei den Stipendien liegt jedoch nicht darin, dass sich die soziale Lage der Studierenden sukzessive verbessert hat, sondern an der fehlenden Anpassung der Berechnungs- und Bezugskriterien, wie zB steigende Elterneinkommen, Altersgrenzen, Ausschlussbestimmungen bei Studienwechsel etc. Die letzte nennenswerte Stipendienerhöhung – wenngleich auch deutlich unter der Inflationsrate – wurde 2007, dh fast zehn Jahre nach der letztmaligen Indexanpassung mit der Novelle von 1999, vorgenommen. Dabei wurden jedoch nur die Auszahlungsbeträge um insgesamt 12% erhöht, die Berechnungsgrenzen für einen Stipendienanspruch blieben seit 1999 unangetastet. Dies hat zur Folge, dass kollektivvertragliche Lohnerhöhungen zu geringeren Stipendien führen und diese zusätzlich immer weniger wert sind, zumal auch die Lebenshaltungskosten laufend steigen. Zur Illustration: Das Höchststipendium für „Selbsterhalter“ in der Höhe von jährlich € 8.148 müsste wertgesichert – verglichen mit 2007 – heute rund € 9.370 betragen. Gleichzeitig müssten die Berechnungsgrenzen für den Zugang zum Stipendium um etwa 35% angehoben werden, um die Geldentwertung seit 1999 auszugleichen.
Bereits 2011 hat die Studierenden-Sozialerhebung gezeigt, dass die Studienförderung geringere Unterstützungen der Eltern nicht ausgleichen kann. Als „Ausgleich“ bleibt oft nur eine erhöhte Berufstätigkeit, die jedoch leicht zu völligem Beihilfenverlust mangels ausreichenden Studienerfolgs führt.
Im Vergleich zur “Mindestpension” sind die Höchststipendien, vor allem aber die realen Durchschnittsstipendien, massiv unterdotiert.
Zu beachten ist, dass es sich hier um Durchschnittswerte handelt und die Stipendien im Einzelfall viel geringer (bis zu € 5,–/Monat) sein können. Zur Illustration ein Berechnungsbeispiel der Studienbeihilfenbehörde: Bei einem monatlichen Bruttoeinkommen der Eltern (beide angestellt) von insgesamt € 3.200,– und 2 studierenden Kindern im Haushalt beträgt die Beihilfe rund € 50,– pro Monat!
Auch wenn „Selbsterhalter“ ein deutlich höheres Stipendium beziehen, decken diese zumeist die Lebenshaltungskosten bei weitem nicht ab, da diese als ältere Studierende einen höheren Finanzbedarf haben. Viele müssen von Nebenjobs, Ersparnissen etc. leben und/oder sind auf die finanzielle Unterstützung der Familie angewiesen.
Mehr Bildungsgerechtigkeit durch Stipendienreform
Die Studienchancen von Kindern aus ArbeitnehmerInnenfamilien und Studierenden am zweiten Bildungsweg hängen stark von einem guten, bedarfsgerechten Stipendiensystem ab. Die derzeitige Studienförderung ist über die Jahre recht „löchrig“ geworden und muss dringend verbessert werden.
An konkreten Vorschlägen mangelt es nicht. Von der Österreichischen Hochschulkonferenz wurde 2013 von der Arbeitsgruppe „Soziale Absicherung Studierender“ ein umfangreicher Maßnahmenkatalog präsentiert:
- Anhebung der Stipendienhöhen und des Einkommensberechnungsschemas entsprechend der Lohn- und Preisentwicklung,
- die Anhebung der Altersgrenze auf zumindest 40 Jahre bei Studienbeginn für Selbsterhalter sowie
- die Beseitigung von Systemhürden, wie zB „Wiedereinsteiger-Stipendien“ für jene, die früher einmal nur inskribiert haben etc.
Mit der Novelle des StudFG 2014 hat es zwar einige positive Änderungen gegeben, diese sind aber nur „Mini-Reformen“, wie zB eine Erhöhung der jährlichen Zuverdienstgrenze zum Stipendium auf 10.000 € oder die Anhebung der Altersgrenze für Studierende mit Kindern.
Eine grundlegende Reform und eine substanzielle Erhöhung sowohl der ausbezahlten Studienförderung sowie deren Berechnungsgrenzen sind essentielle Maßnahmen für mehr Bildungsgerechtigkeit und Studienchancen für Personen aus weniger privilegierten Schichten. Zudem gibt es positive Synergieeffekte: Beihilfenbezieher- und bezieherinnen schließen nämlich zu einem deutlich höheren Prozentsatz ihr Studium ab als nicht geförderte Studierende.
Ein adäquates Stipendiensystem könnte auch ein wirkungsvolles Vorzeigeprojekt Österreichs zur Umsetzung der action line „soziale Dimension“ im Bologna-Prozess bzw. im europäischen Hochschulraum sein.