In den letzten Jahren setzte die österreichische Familienpolitik mehrere Schritte zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zur Erhöhung der Väterbeteiligung. Dazu gehören Reformen beim Kinderbetreuungsgeld ebenso wie der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen. Nach der Erhöhung der Familienbeihilfe wurde nun im Rahmen der Steuerreform auch der Kinderfreibetrag verdoppelt und damit die nach wie vor dominierenden Geldleistungen weiter erhöht.
In den letzten Jahren ist eine Umorientierung der österreichischen Familienpolitik zu beobachten: Es wird zunehmend stärkeres Gewicht auf bessere Vereinbarkeit sowie die partnerschaftliche Teilung von Betreuungspflichten gelegt.
Maßnahmen für mehr partnerschaftliche Teilung
So gab es etwa beim Kinderbetreuungsgeld eine ganze Reihe von Reformen, die in diese Richtung zielen: die Einführung von nicht übertragbaren Partnermonaten für den Bezug; die Ergänzung der ursprünglichen Pauschalvarianten um eine einkommensabhängige Variante mit kurzer Bezugsdauer; die Einführung einer individuellen Zuverdienstgrenze von 60% der Letzteinkünfte in den Pauschalvarianten, um eine Teilzeit-Erwerbstätigkeit in der Kleinstkindphase zu ermöglichen. Auch in der Kinderbetreuung gab es deutliche Fortschritte zu verzeichnen: den Ausbau der Betreuungseinrichtungen vor allem für die unter 3-Jährigen und der schulischen Nachmittagsbetreuung. Und der “Papamonat” wurde einmal im öffentlichen Dienst eingeführt. Diese Reformen sollen die Anreize und Rahmenbedingungen für eine gleichmäßigere Aufteilung der bezahlten wie der unbezahlten Arbeit zwischen Müttern und Vätern verbessern.
Hinzu kommen Reformen, die in einer weiteren Abgrenzung ebenfalls der Familienpolitik zuzurechnen sind, insbesondere die Ablösung der Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung durch Beitragszeiten (2005) und die Einführung eines Rechtsanspruches (in Betrieben ab 20 Beschäftigten) auf Elternteilzeit bis zum Ablauf des 7. Lebensjahres des Kindes mit 1. Juli 2014. Auch die angestrebte Einführung eines Kinderbetreuungsgeldkontos, die auf die zeitliche Flexibilisierung der Inanspruchnahme von Kinderbetreuungszeiten abzielt, soll die Vereinbarkeit verbessern.
Geldleistungen noch immer dominierend
Die Aufwendungen der öffentlichen Hand für Familien im engeren Sinne stiegen seit Mitte der 2000er-Jahre von 7,9 Mrd. € (2006) auf knapp 9,3 Mrd. € (2013). Mit 2,9% des BIP entsprachen sie 2013 knapp dem Wert des Jahres 2006 (3%). Bezogen auf die langfristig rückläufige Zahl der Kinder und Jugendlichen bis 19 Jahre hält auch seit Mitte der 2000er-Jahre die langfristige Tendenz steigender Pro-Kopf-Familienleistungen an: Von 4.400 € pro Kind 2006 stiegen sie bis 2013 auf etwa 5.500 €. Dabei wiesen die Ausgaben für Kinderbetreuungseinrichtungen pro Kind (unter 6 Jahren) die größte Dynamik auf: Sie verdoppelten sich zwischen 2006 und 2013 fast auf 3.661 €. Dagegen stiegen die gesamten Familienleistungen pro Kind um 25%, die direkten Geldleistungen pro Kind um 11% und die Steuererleichterungen pro Kind um 17%.
Seit Mitte der 2000er-Jahre verändert sich die Struktur der Familienleistungen merklich. Der Anteil der Ausgaben für Betreuungseinrichtungen nahm zwischen 2006 und 2013 von 11,2% auf 18,8% der Gesamtausgaben zu. Im Rahmen der seit 2008 verstärkten Bemühungen zum Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen vor allem für die unter 3-jährigen Kinder werden sich diese Ausgaben mittelfristig weiter erhöhen. Allerdings überwiegen die monetären Transfers ‑ und hier die direkten Geldleistungen mit etwa 70% (2013) der Gesamtausgaben (direkte Geldleistungen und steuerliche Erleichterungen) immer noch deutlich.
Diese Struktur der Familienleistungen unterstützt, im Zusammenspiel mit weiteren Regelungen wie etwa den Kinderbetreuungsgeldvarianten mit langer Dauer sowie der im Durchschnitt deutlich geringeren Entlohnung von Frauen auf dem Erwerbsarbeitsmarkt und nicht zuletzt einer ausgeprägten Skepsis in der Bevölkerung gegenüber einer Erwerbstätigkeit von Müttern mit kleinen Kindern tendenziell ein Familienmodell, in dem Mütter den größeren Teil der Betreuungsarbeit übernehmen und Väter den größeren Teil der Erwerbsarbeit.
Steuerreform: Weitere leichte Erhöhung der Geldleistungen
Als ein Element der Steuerreform 2016 wird der 2009 eingeführte Kinderfreibetrag, der zu versteuernde Einkommen über 11.000 € entlastet, von 220 € (bzw. 132 € pro Elternteil, wenn er von beiden in Anspruch genommen wird) auf 440 € (bzw. 264 € pro Elternteil) ab 2016 verdoppelt. Der resultierende Steuerausfall wird auf 100 Mio. € jährlich geschätzt. Die Geldleistungen werden damit – nach der 2014 beschlossenen Erhöhung der Familienbeihilfe in drei Schritten bis 2018 mit kumulierten budgetären Kosten von 830 Mio. € – weiter ausgeweitet: Statt die wichtigsten monetären Familienleistungen des Bundes, die derzeit in Form von drei Instrumenten (Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag, Kinderfreibetrag) gewährt werden, zu straffen und damit zu vereinfachen. Beispielsweise durch die Zusammenführung zu einer einzigen einkommensunabhängigen Geldleistung pro Kind, ggf. gestaffelt nach Alter und/oder Zahl der Kinder.
Angebracht wäre angesichts der bestehenden qualitativen und quantitativen Defizite bei den Betreuungseinrichtungen vor allem im frühkindlichen Bereich, aber auch bei der Nachmittagsbetreuung an Schulden eine forcierte Verschiebung weg von Geldleistungen hin zu Ausgaben für Betreuungseinrichtungen. Gegenüber den zusätzlichen Mitteln in Höhe von insgesamt 750 Mio. €, die zwischen 2014 und 2018 in den Ausbau der Betreuungseinrichtungen sowie die Nachmittagsbetreuung an Schulen fließen sollen, nimmt sich die Ausweitung der Geldleistungen durch Erhöhung von Familienbeihilfe und Kinderfreibetrag mit insgesamt kumuliert über 1,1 Mrd. € im selben Zeitraum vergleichsweise hoch aus. Eine deutliche strukturelle Trendwende in den Gesamtausgaben für Familienförderung, die in Österreich auch im internationalen Vergleich insgesamt im oberen Mittelfeld liegen, dabei aber gemessen an wichtigen familienpolitischen Zielen eher mäßige Ergebnisse erzielen, wird somit mit den jüngsten familienpolitischen Maßnahmen nicht eingeleitet.
Detaillierte Analysen zu diesem Thema finden sich in folgenden Beiträgen der Autorin:
Familienpolitische Leistungen in Österreich im Überblick; WIFO-Monatsberichte, 2015, 88(3), S.185-194
Familienleistungen und familienpolitische Instrumente in ausgewählten europäischen Ländern; WIFO-Monatsberichte, 2015, 88(3), S.195-209
mit Angela Köppl: Das österreichische Abgabensystem – Status Quo; WIFO-Monatsberichte, 2015, 88(2), S.109-126
ebenfalls mit Angela Köppl: Das österreichische Abgabensystem – Reformperspektiven; WIFO-Monatsberichte, 2015, 88(2), S.127-135