Sparen ist selbstverständlich. Plant man den Ankauf neuer Geräte oder Einrichtungsgegenstände oder will man etwas für die Ausbildung der Kinder zurücklegen, so wird man vom laufenden Einkommen nicht alles ausgeben und einen Teil für die Zukunft sparen. So weit, so gut. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht kann sich die Sache allerdings oft anders darstellen.
Wenn alle privaten Haushalte mehr sparen, dann geht die Konsumnachfrage zurück, damit sinken die Produktion von Gütern und Dienstleistungen und das dabei erzielte Einkommen. Letztendlich werden die Haushalte bei einem geringeren Einkommen weniger sparen können als beabsichtigt. Kommt zum Sparen der Haushalte auch der Versuch der Unternehmen zu sparen, also die Kosten zu senken, und das Bestreben des Staates zu sparen, also das Budgetdefizit zu verringern, dann wird es gesamtwirtschaftlich bedenklich: Das Ergebnis ist ein Einbruch des Wohlstandes und der Beschäftigung, wie derzeit in Griechenland, Spanien, Portugal und anderen Ländern zu beobachten.
Ausweitung der Investitionen
Das Sparen der Haushalte kann nur gelingen, wenn die Unternehmen auf eine Ausweitung der Investitionen, also zusätzliche Ausgaben setzen: Sind ihre Absatzerwartungen positiv und nehmen sie Kredite auf, um zu investieren, dann bildet das jenen notwendigen Sog an Güternachfrage, der Beschäftigung und Einkommen schafft und höhere Ersparnisse der Haushalte ermöglicht.
Ähnlich stellen sich die Bedingungen für den Erfolg der Sparanstrengungen in den südeuropäischen Krisenländern dar. Nur wenn Deutschland, Österreich und Co ihre Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen ausweiten, steigen Nachfrage und Produktion in Griechenland, Spanien und Co so stark, dass die Budgetkonsolidierung gelingen kann, ohne zu Massenarbeitslosigkeit zu führen.
Weniger sparen, mehr konsumieren
Bei hoher Arbeitslosigkeit und gesamtwirtschaftlicher Unterauslastung ist es sinnvoll, wenn die Haushalte insgesamt weniger sparen und mehr konsumieren. Bei den unteren Einkommensgruppen ist der Spielraum allerdings unmittelbar gering, da ohnehin kaum gespart und das gesamte Einkommen für die notwendigen Konsumgüter ausgegeben wird. Ganz anders sieht es am oberen Ende der Verteilung aus: Hier wird oft der überwiegende Teil des Einkommens gespart und noch dazu risikoreich auf den internationalen Finanzmärkten veranlagt.
Eine Umverteilung von den Bezieherinnen und Beziehern hoher Vermögenseinkommen zugunsten der unteren und mittleren Einkommensgruppen verringert so insgesamt die Ersparnisse, erhöht die Konsumnachfrage und führt zu mehr Einkommen und Beschäftigung. Ohne griffige Steuern auf Vermögensbestände, Vermögenseinkommen und den Finanzsektor ist diese gesamtwirtschaftlich notwendige Umverteilung nicht zu erreichen.
Fortschrittliche Antworten gesucht
Viele sozial Schwächere können dringende Konsumbedürfnisse mangels Einkommen nicht befriedigen. Eine Erhöhung des Konsums führt hier zu einem Wohlstandsgewinn. Insgesamt kann es aber kein sinnvolles Ziel einer emanzipatorischen Wirtschaftspolitik darstellen, nur auf einen möglichst hohen Verbrauch an Gütern und Dienstleistungen zu drängen, ohne die Frage zu stellen, was und wie produziert und verbraucht wird.
Gerade bei einem hohen Niveau des Wohlstandes rücken neue Themen in den Vordergrund: Wie sind die Einkommen und Konsummöglichkeiten in der Gesellschaft verteilt? Wie kann die Produktion so organisiert werden, dass der Ressourcenverbrauch verringert wird? In welcher Form wollen wir den Wohlstand nutzen, nur über höhere Realeinkommen und mehr materiellen Konsum oder auch über mehr Freizeit? Das sind die Fragen, auf die fortschrittliche Antworten zu suchen sind.
Dieser Beitrag stammt aus der eben neu erschienenen Arbeit&Wirtschaft – das Motto der Ausgabe: „Das Märchen vom Sparen”
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