Es ist ein bisschen wie in Brechts epischem Theaterstück „Der gute Mensch von Sezuan“: Noch wissen wir nicht, wie es ausgeht, auch wenn das Stück formal zu Ende ist. Die Österreichische Bundes- und Industriebeteiligungsholding, kurz ÖBIB, wird ab April die alte ÖIAG – vormals „Verstaatlichte“ – ablösen. Drei große Unternehmen gibt es noch zu verwalten, mit den Casinos Austria kommt das Glückspiel neu hinzu. Verbunden ist mit der Neugründung auch die Ablöse der bisher für die Steuerung und Kontrolle Verantwortlichen – sowohl bei der ÖIAG selbst als auch bei den Tochtergesellschaften: Die Auflösung des Aufsichtsrates der ÖIAG und die Neubesetzung der Aufsichtsratsmandate in den Tochterunternehmen, ebenso wie mittelfristig die Geschäftsführung.
Diese Umgestaltung schmerzt einige von denen, die bisher Entscheidungen über öffentliche Unternehmen ohne öffentliche Verantwortung treffen konnten. Im Zuge der letzten Aufsichtsratssitzung der ÖIAG von einem „Wolfsgeheul“ zu sprechen, wäre wahrscheinlich etwas zu viel der billigen Polemik. Trotzdem: Das schon im Vorfeld angestimmte Gejaule ehemaliger Fädenzieher, wie gemein denn die Abschaffung ihrer effizienten Privatisierungsagentur sei, erinnert schon sehr an die viel zitierten kleinen Kinder, denen die Schaufel im Sandkasten gemopst wurde.
Was betrauern denn diese Herren? Was ging denn da verloren? Nun, die ÖIAG hat sich im Laufe ihrer Geschichte stark gewandelt: Von einer Beteiligungsagentur, die wesentliche Anteile an den bedeutendsten österreichischen Industrieunternehmen hielt, hin zu einem bloßen Privatisierungsvehikel.
Die ÖIAG seit Schwarz-Blau
Auch wenn das Ende der Geschichte noch nicht ganz klar ist, der Anfang vom Ende liegt auf der Hand: Mit dem ÖIAG-Gesetz 2000 wurden für die vormals Verstaatlichte die Weichen neu gestellt: Einerseits kamen viele Finanzverbindlichkeiten durch die Zusammenführung mit der Postholding PTBG hinzu, andererseits wurden die legistischen Grundlagen für eine Neuorientierung im strategischen und politischen Sinne festgeschrieben. Im Vordergrund stand der unbedingte Privatisierungswille der „Wende-Regierung“. Wirtschafts- bzw. industriepolitische Erwägungen mussten da zurückstehen, und das Gesetz trug dieser Ausrichtung Rechnung: Das Halten bestehender Beteiligungen sowie das Mitziehen bei Kapitalerhöhungen zur Aufrechterhaltung des Einflusses waren zwar grundsätzlich erlaubt jedoch dezidiert nicht Ziel der damaligen Bundesregierung. Das unbefristete Aufstocken von Anteilen an bestehenden Beteiligungen sowie der Erwerb von Anteilen an weiteren, für den Wirtschaftsstandort Österreich wichtigen Unternehmen waren gesetzlich nicht vorgesehen. Damit wurde das wichtige wirtschaftspolitische Instrument eines aktiven Beteiligungsmanagements verhindert.
Gleichzeitig übernahmen Industrielle die Macht im Aufsichtsrat unter dem Titel „Entpolitisierung“. Der Aufsichtsrat wurde so umgebaut, dass der Bund als Eigentümer der ÖIAG den Einfluss auf seine eigene Tochter nicht mehr wahrnehmen konnte. Stattdessen wurde ein „sich selbst erneuernder“ Aufsichtsrat installiert. In den folgenden Jahren wurden viele Aufsichtsratsmitglieder aus dem Dunstkreis von Industriellenvereinigung und/oder des Magna-Konzerns – einige davon auch mit FPÖ-, also politischem, Hintergrund akquiriert.
Es ist auch wenig verwunderlich, dass dieser Aufsichtsrat immer wieder – auch in der Öffentlichkeit – mit „Bad-Governance“ auffällig wurde. Exemplarisch seien zwei Beispiele aus der letzten Vergangenheit genannt: Das Chaos bei der Übernahme der Telekom durch America Movil im Frühjahr 2014 und zuletzt die Verwerfungen im Rahmen der OMV-Vorstandsbestellung.
Privatisierungspläne der Regierung 2000-2006
Zentral unter Schwarz Blau war jedenfalls die Umsetzung des ideologischen Ziels der Privatisierung. Die Regierung hatte sich in ihrem Programm zum Ziel gesetzt, die wichtigsten österreichischen Unternehmen, an denen der Staat noch Anteile hält, zu verkaufen. Darauf aufbauend wurde ein 2-Phasen-Privatisierungskonzept erarbeitet. Dieses sah vor, dass die Österreichische Staatsdruckerei, das Dorotheum, Print Media Austria, der Flughafen Wien, die Postsparkasse, Telekom Austria und Austria Tabak zu 100 Prozent privatisiert werden. Bis zum Jahr 2003 sollte – so der damalige Plan – diese erste Phase der Privatisierungen bereits abgeschlossen sein. In einer zweiten Phase wurde seitens der Regierung auch die vollständige Privatisierung folgender Unternehmen in Erwägung gezogen („geprüft“): VA STAHL, OMV, Böhler-Uddeholm, VA Technologie, Austrian Airlines und die Österreichische Post AG.
Die nächste Regierung hat 2003 in ihrem Programm folgende Privatisierungen (100 Prozent) festgelegt: Böhler Uddeholm AG, VA Technologie AG, voestalpine AG, Österreichische Postbus AG (Beteiligung Privater; nach Entscheid des Kartellgerichtes), Österreichische Bergbauholding AG und Telekom Austria (bis zu 100 Prozent). Für die Österreichische Post AG sollte ein strategischer Partner gesucht und damit ein erster Privatisierungsschritt vorgenommen werden (später wurde eine Prüfung der „stand-alone-Lösung“ beauftragt).
Nach diesen Plänen sollte bei abgeschlossener Privatisierung der oben angeführten Unternehmen die Auflösung der ÖIAG erfolgen. Die verbleibenden Bundesbeteiligungen der ÖIAG würden dann an eine neu zu gründende Bundesbeteiligungs- und -managementgesellschaft übertragen. Die ÖBB und der Verbund würden in die Bundesbeteiligungs- und -managementgesellschaft eingebracht, wobei die verkehrs- und energiepolitische Steuerungskompetenz zur Gänze bei den zuständigen Ressorts verbleiben sollte.
Angebliches Ziel dieser Politik sollte der Schuldenabbau sein, dieser erfolgte allerdings nicht. Ganz im Gegenteil: Die ÖIAG-Gesetzesnovelle 2003 ermöglichte eine Gewinnausschüttung der ÖIAG an den Bund vor Tilgung der restlichen ÖIAG-Schulden. Damit sollte die ÖIAG einen Beitrag zur Budgetsanierung leisten (200 Millionen Euro 2003 und 100 Millionen Euro 2004 gemäß Budgetrede von BM Grasser vom 07.05.2003).
Was von der ehemaligen „Verstaatlichten“ heute noch übrig ist: