Ein klassischer Fall einer falsch gestellten Frage! Denn im Kern geht es bei den Themen Migration und Asyl um eine Klassen-, nicht um eine Nationalitätenfrage! Angesichts einer völlig verfehlten Wirtschaftspolitik gibt es natürlich auch bei der Zuwanderung, ähnlich wie bei der Globalisierung, GewinnerInnen und VerliererInnen.
Wer profitiert von der globalen und nationalen Ungleichheit? Wem nützen die EU-Handelspolitik und grundsätzlicher die gesamte Ausrichtung der EU-Wirtschaftspolitik? Wer zieht die Vorteile aus dem globalen Steuerwettbewerb? Wer profitiert vom weltweiten Waffenhandel? Wen stellt der Anstieg der Arbeitslosigkeit und der prekären Beschäftigungsverhältnisse in den Verhandlungen der Sozialpartner besser? Wem nützt es, wenn die Sozialtranfers nach unten gefahren werden? Es sind immer die Unternehmen, die davon profitieren!
Das heißt aber auch, dass – gegeben der gegenwärtigen „Verfasstheit der Wirtschaft“ – Zuwanderung nicht nur positive Wirkungen entfaltet: In guten Konjunkturzeiten sind mit der Immigration überwiegend positive Effekte auf Wachstum und Beschäftigung verbunden, in schlechten Zeiten treten vermehrt Verdrängungseffekte bei Personengruppen auf, die unmittelbar mit den MigrantInnen in Konkurrenz stehen. Da Immigration also unter dem gegenwärtigen Regime zu erheblichen Verteilungseffekten führt, sollten die von Verdrängung betroffenen Gruppen von den GewinnerInnen der Migration – dies sind vor allem die Unternehmen – in der einen oder anderen Form entschädigt werden. Das wäre die zweitbeste Lösung – die erstbeste würde befriedigende Antworten auf die oben gestellten Fragen geben …
Einige Vorbemerkungen
Bevor auf die ökonomischen Vor- und Nachteile von Migration eingegangen wird, noch einige grundsätzliche Bemerkung zur Zuwanderung:
Migration kann verschiedene Ursachen haben: humanitäre Gründe wie im Falle von Flucht vor Krieg und Verfolgung, wirtschaftliche Gründe, Familiennachzug, Studium, Flucht vor den Folgen des Klimawandels etc. Flüchtlingen gebührt natürlich unsere uneingeschränkte Unterstützung, aber auch alle anderen MigrantInnen haben ein Anrecht auf die Solidarität von Menschen, die in einem der reichsten Länder der Welt leben. Zentral dabei ist allerdings die Frage nach der Verteilung der Kosten: Wer bezahlt diese Solidarität? Wer verdient an der Zuwanderung?
Die so genannte „Ausländerdebatte“ ist im Kern eine Spaltungsdebatte: WIR und DIE! Rechte Parteien nutzen diesen systematischen Verweis auf „die Anderen“, um über die Konstruktion einer Identität („wir Österreicher“) ein Entlastungsangebot, etwa in Bezug auf die negativen Seiten der Globalisierung, machen zu können. Hinzu kommt, dass die Kategorie „Ausländer“ extrem heterogen ist: Da finden sich deutsche StudentInnen, kanadische WissenschafterInnen, Flüchtlinge aus Syrien, PendlerInnen und GrenzgängerInnen aus Ungarn, Ärztinnen und Ärzte aus Rumänien, seit den 1970er-Jahren in Österreich lebende und arbeitende Menschen aus Bosnien, Kroatien und der Türkei usw.
Unter dem gegenwärtigen wirtschaftspolitischen Regime (Stichworte dazu sind: Steuerflucht, Ungleichverteilung, Austerität, Prekarisierung, Arbeitszeitverlängerung, EU-Handels- und – Landwirtschaftspolitik etc.) ist die Zuwanderung natürlich auch mit negativen Effekten vor allem auf jene Gruppen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt verbunden, die von Verdrängungseffekten betroffen sind; das müsste allerdings nicht der Fall sein!
Österreich, ein Einwanderungsland
Österreich ist ein Einwanderungsland, zumindest seit dem Fall des Eisernen Vorhangs: Im Zeitraum von 1989 bis 2015 stieg die Bevölkerung um mehr als eine Million Personen auf 8,7 Millionen. Diese Zunahme ist beinahe ausschließlich auf Zuwanderung zurückzuführen. In diesem Zeitraum lagen – auch im internationalen Vergleich – die Nettomigrationsquoten, also die Zuwanderung minus der Abwanderung im Verhältnis zur Bevölkerung, auf einem sehr hohen Niveau, sie wurden nur von Luxemburg und Zypern übertroffen. Die Beschäftigung von Personen mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft hat sich in diesen 26 Jahren um 268 % auf ca. 616.000 erhöht, jene der InländerInnen stieg um 8,3 % auf ca. 2,9 Millionen an. Im selben Zeitraum erhöhte sich die Arbeitslosigkeit von Personen mit maximal Pflichtschulabschluss von 9,2 % auf 26,6 %, ein Umstand, der mit der Globalisierung, mit dem technologischen Fortschritt („skill biased technological change“), einer verfehlten Wirtschaftspolitik (und Bildungspolitik), aber auch mit Verdrängungseffekten als Folge von Immigration in Zusammenhang gebracht werden kann.
Abbildung: Entwicklung von Nettozuwanderung, unselbstständiger Beschäftigung und BIP