Produktionskosten minimieren, Absatz und Gewinn maximieren – das ist der unternehmerische Zugang. Aber auch wir haben es gerne billig und unkompliziert. Darunter leiden die ArbeitnehmerInnen an den Produktionsstandorten oder in den Verteilerzentren der großen Onlinehändler. Wer beim Konsumieren auf die Nachhaltigkeit achtet, unterstützt die Menschen, die tagtäglich in den Fabriken ums Überleben kämpfen. Doch häufig ist dies gar nicht möglich und nur Konsum alleine wird die Welt nicht retten – die Staatengemeinschaft und Unternehmen müssen für gerechte Rahmenbedingungen sorgen.
Gutscheine sind gefolgt von Spielwaren und Bücher die beliebtesten Geschenke zu Weihnachten. In den wenigsten Fällen überlegen sich die KonsumentInnen in dieser hektischen Zeit, woher die Waren eigentlich kommen und wie diese produziert werden. Gerade das Weihnachtsgeschäft hat für den Handel eine wichtige Bedeutung, die Spielzeugindustrie erwirtschaftet zirka 11% des Jahresumsatzes. Heuer planen die ÖsterreicherInnen im Durchschnitt zirka 380 Euro für Geschenke auszugeben. Umso passender ist jetzt der Zeitpunkt, kurz innezuhalten und zu überlegen, wie wird gekauft?
Weniger Arbeitsplätze durch Onlinehandel
Knapp 90% der KonsumentInnen kaufen Geschenke noch immer persönlich im Geschäft. Die Bedeutung des Online-Handels nimmt aber immer stärker zu. Bestellten 2009 fast 50% (auch) im Internet, werden es heuer vermutlich an die 60% sein. Aus wirtschaftlicher Sicht bringt die Zunahme des Online-Handels den stationären Einzelhandel unter massiven (Preis-)Druck. Dies zeigt sich auch daran, dass 2013 erstmals in der Geschichte des Einzelhandels die Verkaufsfläche in Österreich rückläufig ist. Laut Berechnungen eines französischen Buchhändlerverbandes [TJ1] würde ein Buchladen mit dem gleichen Umsatz wie ein Online-Händler 18mal so viele Arbeitsplätze schaffen können. Die Gefährdung des stationären Einzelhandels wird sich aber weiter verschärfen – dadurch könnten viele Arbeitsplätze verloren gehen, die ökonomische Nachhaltigkeit wäre damit nicht gewährleistet.
Hohes Arbeitstempo, Überwachung und unzumutbare Rahmenbedingungen
Online-Handel und amazon sind für viele nach wie vor Synonyme – das US-amerikanische Unternehmen ist der Big Player in Europa. Allein im Jahr 2012 erwirtschaftete amazon einen Umsatz von 8,7 Milliarden Euro. Durch den Ausbau seiner Produktpalette sowie das Angebot durch Drittanbieter sichert sich das Unternehmen seine Vormachtstellung im Online-Geschäft. Negative Schlagzeilen machte der Online-Riese im Jänner 2013 – eine ARD-Dokumentation zeigte die menschenunwürdige Behandlung von MitarbeiterInnen auf, die u.a. permanent von Security-Personal überwacht wurden. Die Sicherheitsfirma wurde daraufhin gekündigt, aber hohes Arbeitstempo, individuelle Datensammlung zur Überwachung der Produktivität, befristete Arbeitsverträge, unzumutbare räumliche Gegebenheiten (Hitze, Lärm) oder tägliche Sicherheitskontrollen (in der Freizeit) sind weitere Beispiele für bestehende Missstände bei den Arbeitsbedingungen. Die deutsche Gewerkschaft ver.di kämpft derzeit um gerechte Entlohnung für die Belegschaft, Ende November wurde gestreikt.
Aber amazon ist freilich nicht das einzige Unternehmen mit sozialen Missständen. Man denke nur an die Arbeitsbedingungen der Näherinnen in Bangladesch, die vor allem durch schreckliche Ereignisse, wie der Einsturz eines Produktionsgebäudes im April dieses Jahres weltweit bekannt wurden. Hier wurde für die Bekleidungsfirmen wie Kik aber auch Benetton genäht. Weniger bekannt – aber gerade für die Weihnachtszeit umso relevanter – sind die inhumanen Bedingungen in der Spielzeugindustrie. 86% (Stand 2012) der EU-weiten Spielzeugimporte kommen aus China. Dort sind die Arbeiterinnen von ähnlichen Umständen wie in Bangladesch betroffen: menschenunwürdige Entlohnung, massive Überstunden oder gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen sind die Regel, Verbesserungen gibt es nur spärlich.
Nur solche außergewöhnlichen Ereignisse erzeugen mediale Aufmerksamkeit, üblicherweise bekommen KäuferInnen nur wenig von den Vorgängen hinter der Fassade der glitzernden (Online-)Kaufwelten mit.
Fair ist schwer
Welches Produkt wird eigentlich noch nachhaltig – im sozialen, ökonomischen und ökologischen (dieser Aspekt wurde hier noch gar nicht erwähnt) Sinne – produziert? Und zu welchen Bedingungen wird die Ware dann geliefert? Darüber sickern nur wenige Informationen zu den EndabnehmerInnen durch – laut einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage von SORA fühlen sich 60% über Arbeits- und Produktionsbedingungen zu wenig informiert. Hierzu bedarf es engagierter NGOs, wie beispielsweise Clean Clothes, die in vielen Kampagnen auf die untragbaren Zustände im Bekleidungssektor aufmerksam machen. Aber wie sollen KonsumentInnen mit dieser Vielzahl an erschreckender Information umgehen? Produktrecherchen sind aufwändig, nicht immer umfassend zu erreichen und der Zeitaufwand steht oft nicht im Verhältnis zum Kaufwert des Produktes. Zusätzlich sind die wenigsten Produkte in allen Facetten – ökologisch, sozial und ökonomisch – nachhaltig. So müssen KonsumentInnen immer eine Wahl treffen, die manchmal schwierig zu entscheiden ist. Dies ist vielleicht ein Erklärungsansatz, warum mitunter eine große Lücke zwischen Bewusstsein und dem tatsächlichen Handeln besteht – „Fair ist schwer“ titelte im September der Spiegel. Allein anhand der immensen Anzahl von Bio-Labels im Lebensmittelbereich ist der Gütesiegeldschungel erkennbar. Viele KonsumentInnen wissen oft nicht, welchen sie vertrauen können und welchen nicht.
Natürlich sind KonsumentInnen für ihr Handeln verantwortlich – auch beim Kaufen. Sie sind ja nicht nur KonsumentInnen, sondern auch BürgerInnen und beeinflussen mit ihrem Handeln die gesellschaftliche Entwicklung.
Verantwortung tragen Alle
ABER: die KonsumentInnen tragen nicht die alleinige Verantwortung! Die Wirtschaftsseite beklagt oft den Preisdruck und sieht diesen als wesentliches Verkaufsargument. Tatsächlich ist es so, dass z.B. in der Spielzeugindustrie die Entlohnung der Arbeiterinnen in China nur schlappe 1% des Verkaufspreises ausmacht. Immer mehr KonsumentInnen entscheiden mittlerweile bei ihren Kaufhandlungen nicht nur nach dem Preis – mehr als drei Viertel der befragten KonsumentInnen gibt an, manchmal bestimmte Produkte aus ethischen Gründen, wie z.B. Kinderarbeit nicht zu kaufen. Unternehmen sind genauso in der Pflicht, für nachhaltige Produktions- und Arbeitsbedingungen zu sorgen, ihr direkter Einfluss auf die Zulieferketten und die Arbeitsbedingungen gibt ihnen entsprechende Macht! Gerade bei einem Unternehmen wie amazon, das einen Milliardenumsatz erwirtschaftet und durch entsprechende Maßnahmen äußerst wenig Steuern zahlt, ist es nicht einzusehen, dass es in Deutschland keine adäquaten Löhne zahlt.
Um Arbeitsplätze zu sichern, locken Staaten große Unternehmen mit Vergünstigungen, wie z.B. geringe Steuerabgaben. Durch die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen ist es beispielsweise möglich, nationale Bestimmungen hinsichtlich Arbeitsrecht oder Umweltschutz zu unterwandern. Der internationale Gewerkschaftsbund startete 2007 die Kampagne „Decent work, decent life“ (Menschenwürdige Arbeit, menschenwürdiges Leben), der 7. Oktober wurde zum „Welttag für menschenwürdige Arbeit“ gewählt. Die ILO (International Labour Organisation) setzt sich seit ihrer Gründung im Jahr 1919 für menschenwürdige Arbeit ein und fordert u.a. Verbot von Kinderarbeit, Einführung einer Tageshöchstarbeitszeit oder Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Es ist beschämend, dass gewisse Forderungen, die bald 100 Jahre alt sind, in Teilen der Welt noch immer aktuell sind. Die internationale Staatengemeinschaft ist daher in der Pflicht, für faire Rahmenbedingungen zu sorgen. Freihandelsabkommen können dazu genutzt werden, nicht nur wirtschaftliche Vorteile zu gewähren, sondern auch zur Festlegung von Standards im Arbeitsrecht dienen.
Durchsichtiges Marketing
Denn 97% der ÖsterreicherInnen sind laut SORA-Umfrage der Meinung, Unternehmen und Staat tragen die Verantwortung für soziale Anliegen. Nicht zuletzt aus Marketinggründen setzen Unternehmen vermehrt auf Nachhaltigkeit – Stichwort „Social Responsibility“. Das Vertrauen der KonsumentInnen in den guten Willen der Unternehmen ist allerdings kaum vorhanden. Im Gegenteil oft wird es als Greenwashing gesehen – so glauben 83% der ÖsterreicherInnen, dass Unternehmen rein auf Gewinnmaximierung aus sind. Dabei hätte eine ernsthaftere Umsetzung von CSR (Corporate Social Responsibility) einen großen Mehrwert für Unternehmen – die Zufriedenheit der MitarbeiterInnen steigt, die Umwelt wird geschont und KonsumentInnen tragen zu dieser Nachhaltigkeit bei.
Es muss also noch an vielen Schrauben gedreht werden, um Produktion und damit auch den Konsum nachhaltiger zu gestalten. Ein kleiner (erster) Schritt kann aber vielleicht beim Ausfüllen des eigenen Weihnachtswunschzettels bzw. beim Weihnachtseinkauf gemacht werden.
Links zum Thema:
Der entwicklungspolitische Verein des ÖGB
Nachhaltig leben. Bewusst kaufen, sinnvoll verwenden – Alternativen zum Wegwerfen. herausgegeben vom Verein für Konsumenteninformation