Ein Prozent der Haushalte besitzt ein Viertel des gesamten Vermögens in Österreich. Der Anteil der obersten 5% der Haushalte, die über ein Nettovermögen von mehr als 800.000 Euro verfügen, liegt bei deutlich mehr als 40%, das ist etwa gleich hoch wie jener der unteren neun Zehntel der Haushalte. Besonders hoch ist das Vermögen im Durchschnitt bei UnternehmerInnen (Mittelwert 1,3 Mio. Euro) und Bauern/Bäuerinnen (0,9 Mio. Euro). BeamtInnen, Angestellte und PensionistInnen fallen demgegenüber weit zurück, darunter liegen noch ArbeiterInnen und Arbeitslose. Das sind die jüngsten Ergebnisse des neuen Household Finance and Consumption Survey (HFCS) 2014 der Oesterreichischen Nationalbank.
Vermögensforschung rückt ins Zentrum der Wirtschaftswissenschaft
Die erste Runde des Household Finance and Consumption Survey 2010 des Europäischen Zentralbankensystems wurde im Jahr 2012 veröffentlicht. Für Österreich lagen damit erstmals belastbare Daten über Höhe, Zusammensetzung und Verteilung des Vermögens der privaten Haushalte vor. Die Vermögensforschung, bis dahin kaum von Relevanz, rückte ins Zentrum der Wirtschaftsforschung und der HFCS bildete in Österreich für viele, vor allem jüngere Sozial- und WirtschaftswissenschafterInnen in der OeNB genauso wie am Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft der JKU, am INEQ-Forschungsinstitut an der WU, am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche, an den Soziologie- und Politikwissenschaftsinstituten der Universitäten Wien und Linz sowie der Wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung der AK Wien die Basis für zahlreiche wissenschaftliche Studien.
Diese reichten von den Determinanten der Höhe der Erbschaften, der Erfassung der Spitze der Vermögensverteilung, die Determinanten der Vermögensungleichheit, über sozioökonomische Charakteristika der Millionärshaushalte, soziologische Analysen unterschiedlicher Vermögenstypen, Genderunterschiede im Vermögensbesitz, die Bedeutung von Kapitaleinkommen bis zu den Verteilungseffekten von Wohneigentum und Miete. Die meisten dieser wissenschaftlichen Studien sind in der Working Paper Reihe der Wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung der AK Wien „Materialien zu Wirtschaft und Gesellschaft” elektronisch verfügbar.
Auch international steht die Vermögensforschung heute im Zentrum der Wirtschaftswissenschaften. Das hat ganz viel mit Thomas Pikettys bahnbrechendem Werk Capital in the 21st Century zu tun. Die Kombination aus umfangreichem Datenmaterial zu Bedeutung und Entwicklung von Vermögen und Erbschaften, profunder Analyse der Zusammenhänge zwischen der Verteilung von Vermögen und gesellschaftlicher Entwicklung und freimütiger Vorschläge für die Wirtschaftspolitik machen das Buch zur einflussreichsten ökonomischen Veröffentlichung des Jahrzehnts. Heute beschäftigen sich die besten jüngeren ÖkonomInnen der Welt, von Facundo Alvaredo bis Gabriel Zucman mit Fragen von Struktur und Dynamik des Haushaltsvermögens.
In Österreich wird mit den jüngst vorgestellten Ergebnissen des HFCS 2014 ein weiterer Meilenstein der Vermögensforschung gesetzt. Die kleine OeNB-ForscherInnengruppe wird im Europäischen Zentralbankensystem heute als methodisch und qualitativ führend geschätzt. Kaum eine Notenbank im Eurosystem schenkt dem Design und der Durchführung der Befragung, sowie der statistischen Aufbereitung der Daten so großes Augenmerk. Die OeNB-VermögensforscherInnen haben sich deshalb international enorme Reputation erworben, was sich leider noch nicht in der gebührenden Anerkennung in der eigenen Institution spiegelt.
Wichtigste Ergebnisse des HFCS 2014
- Obwohl besonders die vermögenderen Haushalte glauben, mit ihrem Besitz eher in der Mitte der Verteilung angesiedelt zu sein, ist das Vermögen stark konzentriert: Die oberen 5% der Haushalte besitzen etwa gleich viel wie die unteren 90%.
- Die untere Hälfte der Haushalte nennt keinen nennenswerten Besitz ihr Eigen: sie wohnen zur Miete; Kfz, Giro- und Sparkonten sind die wichtigsten Besitztümer.
- Das heißt allerdings nicht, dass es sich hierbei um arme Haushalte handeln würde. In Österreich muss man dank eines gut ausgebauten Sozial- und vor allem Pensionssystems sowie einer guten Versorgung mit sozialem Wohnbau kein Vermögen bilden, um hohe Lebensqualität und Sicherheit zu haben.
- Nur ein Viertel der Haushalte weist ein Finanzvermögen von mehr als 40.000 Euro auf und liegt damit über dem Mittelwert.
- UnternehmerInnen und Bauern/Bäuerinnen weisen einen deutlich höheren Mittelwert des Nettovermögens auf als BeamtInnen, PensionistInnen, Angestellte, ArbeiterInnen und Arbeitslose.