Public Governance gilt im wissenschaftlichen Diskurs als eine Weiterentwicklung des als sehr neoliberal kritisierten New Public Management. Es geht in diesen Reformentwicklungen um einen Mehrwert für die BürgerInnen anstatt um reine betriebswirtschaftliche Effizienz. Eine effektive Steuerung gesellschaftlicher Entwicklungen braucht daher die Einbeziehung unterschiedlicher AkteurInnen, wie etwa den Gewerkschaften. Der umfassende Einzug des viel diskutierten Public Governance Ansatzes in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens ist für Interessensgruppen wie etwa Gewerkschaften relevant. Der vorliegende Beitrag zeigt, welche Möglichkeiten die Gewerkschaften im Sinne des Public Governance Ansatzes auch zukünftig verstärkt nutzen sollten.
Veränderungen in den Branchen sowie Verschiebungen in Richtung des tertiären Sektors stellen schwierige Herausforderungen für die Gewerkschaften dar. Die Globalisierung birgt schwerwiegende Konsequenzen, wie beispielsweise die veränderten Unternehmensstrukturen in multinationalen Konzernen zeigen. Nicht zuletzt die Demontage des Sozialstaates beinhaltet sowohl Herausforderungen als auch Ansatzpunkte für das zukünftige gewerkschaftliche Engagement. Der Public Governance Ansatz bietet dabei einen guten Rahmen um zukünftige Steuerungsinstrumente analysieren zu können.
Analysiert man damit das gewerkschaftliche Potential in der Sozial- und Wirtschaftspolitik, zeigen sich hier wertvolle Mechanismen zur aktiven Mitgestaltung. Sowohl das gesetzliche Begutachtungsverfahren, als auch die Kampagnenarbeit und Kooperationsbereitschaft müssen im Sinne des Public Governance als effiziente Instrumente in der Sozial- und Wirtschaftspolitik wahrgenommen werden. Public Governance soll dabei in erster Linie als ein Analysekonzept verstanden werden, das die Steuerungsmöglichkeiten der AkteurInnen in den Vordergrund stellt. Der Ansatz basiert unter anderem auf folgenden Gedanken:
- Stärkung der Demokratie
- aktive Teilnahme der BürgerInnen (BürgerInnenbeteiligung)
- Einbeziehung verschiedener Interessensgruppen zur gemeinsamen Aufgabenerfüllung unter der Führung des Staates
- Weiterentwicklung von Entscheidungs- und Steuerungsprozessen, die wiederum auf die Verbesserung der Lebensqualität in jeglicher wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht abzielen
Organisatorische Herausforderungen
Zweifellos ist Österreich durch einen stark institutionalisierten Interessensausgleich gekennzeichnet. Dabei gilt das österreichische System der Konsensfindung auch als ein Garant für eine erfolgreiche Sozial- und Wirtschaftspolitik. Insbesondere die Vereinigung verschiedener Fachgewerkschaften unter dem Dach des Gewerkschaftsbundes macht ein vergleichsweises starkes Agieren aus der Organisation heraus möglich.Der Grundgedanke des Public Governance stellt die Möglichkeit der Teilhabe in den Vordergrund, um in diesem Sinne auch eine gemeinsame Aufgabenerfüllung besser koordinieren zu können. Eine solche Partizipationsmöglichkeit gilt als eines der Grundprinzipien des Public Governance Ansatzes. Durch die demokratischen Strukturen, die sich von den Fachgewerkschaften bis hin zum Gewerkschaftsbund ziehen und seine daraus resultierende breite Legitimation, kann der ÖGB diese Rolle übernehmen.
Im Kontext des Public Governance Ansatzes stehen Gewerkschaften organisationsintern als auch extern vor großen Herausforderungen. Intern hat sich die MitgliederInnenzahl nach der Blütezeit in den 80er Jahren bei ca. 1,2 Mio. eingependelt. Dies hat allerdings zur Folge, dass ein vermehrter Rechenschaftsdruck gegenüber anderen AkteurInnen aus der Wirtschaft spürbar wird. Gleichzeitig kann auch die interne Willensbildung zwischen den Fachgewerkschaften aufgrund komplexer Themenbereiche und unterschiedlicher Interessenslagen durchaus schwieriger werden.Schwierig ist und bleibt es auch, die Balance zwischen der MitgliederInnen- und Verbandslogik zu finden: Während es organisationsintern durch das gemeinsame Ziel der Interessensdurchsetzung zu einer Legitimation durch die MitgliederInnen kommt, steht im Zuge des politischen Prozesses die Konsensfindung mit den anderen politischen AkteurInnen im Vordergrund. Neben gesetzlich legitimierten Mitentscheidungs- und Begutachtungsrechten spielen weitere Instrumente eine wesentliche Rolle:
Beispiel 1: Sozialleistung
Als ein ausgesprochen gutes Beispiel für gewerkschaftliche Arbeit gilt hierzulande etwa die Umsetzung der bedarfsorientierten Mindestsicherung. Hier konnten, neben der Einbeziehung in den Gesetzgebungsprozess mittels Begutachtungsverfahren, auch laufend gewerkschaftliche Forderungen deponiert und Konzepte vorgelegt werden. Dem ÖGB ging es vor allem darum, eine bundesweit einheitliche Regelung zu erzielen und dadurch die sozialen Mechanismen zukünftig abzusichern. Darüber hinaus besitzt der Gewerkschaftsbund im sozialpolitischen Kontext auch den Vorteil, aktiv in Institutionen wie dem Arbeitsmarktservice oder der Selbstverwaltung der Sozialversicherung eingebunden zu sein. Das formale Miteinbeziehen mittels Begutachtungsverfahren ist immer noch das stärkste Instrumentarium das die Koordination mit PartnerInnen aus Wirtschaft und Politik stärkt.
Im Kontext des Public Governance müssen dabei vor allem die beiden Prinzipien – demokratische Strukturen und Partizipationsmöglichkeiten – klar hervorgehoben werden. All diese Gesichtspunkte müssen allerdings immer im Kontext des gesellschaftspolitischen Wandels und den möglichen Veränderungen in der Organisationsstruktur betrachtet werden. Die nächsten beiden Beispiele stellen zusätzliche Instrumente zu dieser Institutionalisierung dar.
Beispiel 2: Internationale Maßnahmen
Interessant erscheint ein Vergleich mit der europäischen Ebene. Hier fehlt bekanntlich ein vergleichbarer institutionalisierter Interessensausgleich und damit die Einbindung des europäischen Gewerkschaftsbundes, wie es auf nationaler Ebene der Fall ist. So ist etwa bei dem umstrittenen Freihandelsabkommen „TTIP“ dementsprechend mehr Kampagnenarbeit von Seiten der europäischen Gewerkschaften von Nöten, um auf mögliche Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen. Nur dadurch können viele Verhandlungen auch abseits des politischen Prozesses mitgesteuert werden.
Neben der institutionalisierten Macht stellt so die Bündnismacht einen wichtigen Faktor dar. Über die Organisationsgrenzen hinaus können Gewerkschaften für gewisse Thematiken gezielt mit anderen Organisationen zusammenarbeiten. Eine solche Vernetzung leistet im Zusammenspiel mit der politischen und administrativen Ebene einen wichtigen Beitrag zum demokratischen Prozess. Diese Art der gewerkschaftlichen Kooperationsbereitschaft und grenzüberschreitender Zusammenarbeit wird auch im Zuge des europäischen Integrationsprozesses immer wichtiger. Dies zeigt sich beim Freihandelsabkommens „TTIP“ eindrucksvoll.
Beispiel 3: Nationale Kampagnen
Beispiele für erfolgreiche Kampagnenarbeit sind die Kampagne „Sozialstaat fairbessern“ im Jahr 2012 und der darauffolgende Jahresschwerpunkt „Lohnsteuer runter“. Durch den gezielten Einsatz solcher Aufforderungen kann der Druck auf die politischen EntscheidungsträgerInnen erhöht und neue Impulse für eine innovative Problemlösung gesetzt werden. Die öffentlichkeitswirksame Kampagnenarbeit stellt so ein wertvolles Instrumentarium der Gewerkschaftsarbeit dar. Gezielte Koordination und Kooperation sind zwei bedeutende Faktoren, die auch zukünftig die Steuerungsmechanismen der Gewerkschaften in sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen mit beeinflussen können.
In diesen Themenbereichen entstehen oftmals ungleiche Informationslagen zwischen der politischen Ebene und den BürgerInnen. Dies führt wiederum zu Unverständnis und einer demokratischen Schieflage. Die Einbeziehung einer historisch gewachsenen Interessensgruppe wie dem ÖGB kann dem wirksam entgegenwirken. Genau dies entspricht auch dem Kerngedanken des Public Governance Ansatzes.