Die Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung ist nach wie vor eine große Herausforderung, die trotz des Trends in Richtung aktiver Vaterschaft, Papamonate und leichter Erhöhung des Männeranteils an der Elternkarenz, noch immer vorwiegend Frauen betrifft bzw. Frauen eher ermöglicht wird. In einer Studie von L&R Sozialforschung im Auftrag der AK Wien zeigen sich nun die tatsächlichen institutionellen und vor allem betrieblichen Rahmenbedingungen, mit denen berufstätige Eltern konfrontiert sind: Eine (fehlende) Vereinbarkeitsunterstützung auf betrieblicher Ebene, geschlechtsspezifische intrapartnerschaftliche Einkommens- und Arbeitsteilung sowie begrenzte institutionelle Kinderbetreuungsmöglichkeiten – drei Seiten derselben Medaille.
Er Vollzeit (und Überstunden) – sie Teilzeit (und Kinderbetreuung): das Eineinhalb-VerdienerInnen-Modell als gelebte Praxis
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie findet in Österreich typischerweise vor folgendem Hintergrund statt: Nach der Geburt des Kindes/der Kinder erfolgt eine längere Erwerbsunterbrechung von vor allem der Frau, die daran anschließend in Teilzeit beschäftigt ist, während der Mann relativ ungebrochen eine Vollzeit-Tätigkeit ausübt bzw. häufig sogar noch mehr Überstunden leistet als vor der Geburt des Kindes/der Kinder. Ebenso wie beispielsweise in Deutschland oder Belgien gestaltet sich das geschlechtstypische Erwerbsarbeitsteilungsarrangement von Eltern in Österreich mittlerweile vorwiegend als „Eineinhalb-VerdienerInnen-Modell“. Dieses ist in Österreich besonders ausdifferenziert: Mütter arbeiten überwiegend in Teilzeit-Modellen, die unter 20 Stunden Wochenarbeitszeit vorsehen, während Väter oft von überlangen Arbeitszeiten mit regelmäßiger Überstundenleistung betroffen sind. Als „Faustregel“ zeigt sich hier: Je kürzer die Erwerbsarbeitszeit der Mütter, desto häufiger die Betroffenheit von (vielen) Überstunden bei den Vätern. Die Hauptzuständigkeit der Frauen für Kinderbetreuung und Haushalt ist die andere Seite des „Eineinhalb-VerdienerInnen-Modells“.
Schiefe intrapartnerschafliche Verteilungen: Nur bei 6% der Haushalte gibt es eine egalitäre Einkommensverteilung
Bestehende Einkommensunterschiede und intrapartnerschaftliche Schieflagen werden so weiter verstärkt: Fast die Hälfte der befragten Frauen gab an, ein Einkommen unter 1.301 Euro zu verdienen, während dies auf lediglich 4 % der befragten Männer zutraf. Die Unterschiede sind jedoch nicht ausschließlich durch Teilzeit verursacht, denn auch 8 % der vollzeitbeschäftigten Frauen fielen in diese Niedriglohngruppe. Die intrapartnerschaftliche Einkommensverteilung wird dementsprechend nur von einer sehr geringen Zahl der Befragten (6%) als egalitär eingestuft. Diese Rahmenbedingungen haben weitreichende Auswirkungen auf die Aufteilung von Betreuungs- und Erwerbsarbeit zwischen Männern und Frauen, aber auch hinsichtlich deren „Verhandlungsmacht“ gegenüber dem Betrieb.
Vereinbarkeit erfolgt in Österreich für Frauen vor allem über das Stundenausmaß und weniger über angepasste Arbeitszeitmodelle
Überspitzt ausgedrückt ist teilzeitbeschäftigten Frauen die Vereinbarkeit vor allem aufgrund relativ kurzer Arbeitszeiten möglich, nicht unbedingt aufgrund abgestimmter familienfreundlicher Arbeitszeitmodelle, vollzeitbeschäftigte Frauen arbeiten hingegen in verstärktem Ausmaß in Gleitzeitmodellen bzw. wird ihnen durch diese erst Vollzeitarbeit ermöglicht und Männer arbeiten dank weitestgehender Befreiung von Betreuungspflichten oft überlange Vollzeit, die besonders Zufriedenen unter ihnen allerdings in Gleitzeit, die „kleine Flexibilitäten“ und die Teilhabe an Kinderbetreuung trotz (über-)langer Arbeitszeit ermöglicht. Männer in Teilzeit können ebenfalls verstärkt auf relativ flexible Modelle zurückgreifen, vor allem jene mit relativ langen Teilzeiten.
Betriebliche Rahmenbedingungen machen einen Unterschied bei der Vereinbarkeit
Die Vereinbarung von Beruf und Kinderbetreuung hängt aber nicht unbedingt vom Stundenausmaß ab, welches gearbeitet wird, sondern könnte vor allem davon abhängen, inwiefern die Beschäftigung an die Bedürfnisse der ArbeitnehmerInnen angepasst wird und nicht umgekehrt sich die Beschäftigten ausschließlich an betriebliche Vorgaben anpassen müssen. Die Planbarkeit und Flexibilität ist hier ein wesentliches Kriterium, vielleicht noch mehr als das Stundenausmaß.
Hier kommt die Studie zu relativ ambivalenten Ergebnissen:
Einerseits verdeutlicht die Studie einmal mehr, dass für viele Beschäftigte vor allem hinsichtlich der Arbeitszeitlage und der Planbarkeit der Arbeitszeiten Rahmenbedingungen existieren, die eine Vereinbarkeit erschweren: So sind für immerhin 34% der Befragten die Arbeitszeiten nicht immer fix bekannt und damit die Koordination betreuerischer Aufgaben nicht längerfristig planbar, für 21% sind die Arbeitszeiten sogar weniger als 2 Wochen bekannt. Im Speziellen für Männer stellen zudem überlange Arbeitszeiten bedingt durch Über- und Mehrstunden ein zusätzliches Hemmnis dar.
Andererseits können – branchenspezifisch relativ unterschiedlich – Erleichterungen der Vereinbarkeit über selbstgesteuerte Flexibilitäten im Rahmen von Gleitzeitmodellen sowie eines Entgegenkommens einer Mehrzahl der Betriebe bei kinderbetreuungsbedingten Engpässen abgelesen werden. Eine zusätzliche Absicherung stellen Elternteilzeitvereinbarungen dar. Auffallend ist, dass vollzeitbeschäftigte Eltern zu einem größeren Anteil auf Gleitzeitmodelle zurückgreifen können bzw. umgekehrt Gleitzeitmodelle die Vollzeitbeschäftigung beider PartnerInnen unterstützen kann, da Gleitzeit gewisse „kleine“ Vereinbarkeitsflexibilitäten ermöglicht.
Große branchenspezifische Unterschiede hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung
Hier lassen sich – durchaus branchenspezifisch – unterschiedliche Trends ablesen: Die höchsten Anteile an Personen, die sich sowohl mehr generelles Verständnis als auch eine andere Arbeitszeitgestaltung wünschen, finden sich in den Branchen Beherbergung und Gastronomie sowie in den männerdominierten Branchen Verkehr und Lagerei, Bau und Herstellung von Waren. Diese Branchen sind durch fehlende Gleitzeitmöglichkeiten ebenso gekennzeichnet, wie durch fehlende Planbarkeit (die Arbeitszeiten sind überdurchschnittlich häufig kürzer als 2 Wochen bekannt) und auch das Fehlen kleiner Flexibilitäten bei beispielsweise Betreuungsengpässen.
Demgegenüber wird in der Studie deutlich, dass Gleitzeit sowie das Reagieren-Können auf spontane Betreuungsnotwendigkeiten in moderneren Dienstleistungsbranchen wie Information und Kommunikation oder bei freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen sowie von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen weit verbreitet ist und es hier auch am wenigsten Änderungswünsche bezüglich der Arbeitszeit gibt. Allerdings wird in der arbeitsintensiven und weniger regulierten Branche der freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen generell mehr Verständnis für Eltern gewünscht, während dies in der relativ regulierten Branche der Finanz- und Versicherungsdienstleistungen nicht der Fall ist.
Generell zeigt sich die große Bandbreite an entgegenkommenden bzw. wenig entgegenkommenden Branchen. Frauendominierte Branchen wie Handel oder Gesundheits- und Sozialwesen liegen hinsichtlich des Entgegenkommens mit Arbeitszeitmöglichkeiten dabei im Mittelfeld und zeichnen sich durch eher starre Regelungen aus, die aber durch ein kollegiales Klima bzw. die Tatsache, dass hier vorwiegend Teilzeit gearbeitet wird, „wettgemacht“ werden. Männerdominierte Branchen zeichnen sich ebenfalls durch starre Regeln, aber auch dem relativ geringstem Verständnis für die Bedürfnisse der Eltern aus, weshalb hier auch seitens der Beschäftigten großer Änderungsbedarf gesehen wird.
Wie lässt sich die Vereinbarkeit verbessern?
Die Studie verdeutlicht einmal mehr, den Bedarf an institutioneller Kinderbetreuung: Jede dritte erwerbstätige Person, die Kinder zwischen 0 und 12 Jahren im Haushalt betreut, wünscht sich explizit ein ganztägiges Betreuungsangebot. Derzeit können institutionelle Angebote insbesondere von Eltern mit jüngeren Kindern und von Eltern im städtischen Gebiet in Anspruch genommen werden. Dabei zeigt sich, dass eine bessere Verfügbarkeit institutioneller Angebote in urbanen Gebieten auch zu höheren Nutzungsanteilen führen. Für Frauen sind solche Angebote insbesondere von großer Bedeutung, als sie bei einer Vollzeittätigkeit meist nicht auf einen Partner als Betreuungsressource zurückgreifen können. In den Ferienzeiten verlagert sich die Betreuungsorganisation vielfach in den privaten Bereich, weil viele Einrichtungen geschlossen sind. Dabei wird deutlich, dass die unzureichende Bedarfsdeckung in den Zeiten der Schulferien viele Eltern dazu zwingt, sich Urlaubstage zur Überbrückung von Betreuungslücken zu nehmen. Für viele Eltern wäre der Ausbau eines ganztägigen Betreuungsangebots daher zentral, um die Erwerbstätigkeit beider Elternteile zu ermöglichen.
Die derzeitigen Rahmenbedingungen haben zudem nicht nur Auswirkungen auf die Aushandlungsprozesse auf Elternebene, sondern beeinflussen auch die Verhandlungssituation mit den Unternehmen. Um die Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuungspflichten vor allem für Frauen zu verbessern, muss an verschiedenen Punkten angesetzt werden. Neben dem Ausbau eines hochwertigen und flächendeckenden Angebots an sozialer Infrastruktur, ist die Förderung einer egalitären Verteilung der Arbeitszeit zwischen Müttern und Vätern zentral, wie auch die Erhöhung der Väterbeteiligung an der Betreuungsarbeit. Hier gibt es viele interessante Modelle in anderen EU-Ländern: Beispielsweise gibt es in Schweden für jene Eltern, die die Elternzeit gleichwertig untereinander aufteilen einen „Gleichstellungsbonus“ zusätzlich zum Elterngeld. Die Einführung eines ähnlichen Modells wird gerade auch in Deutschland sehr intensiv diskutiert.
Aber auch auf betrieblicher Ebene gibt es Möglichkeiten die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Erwerbsintegration von Frauen und Männern besser zu gestalten. Ein wesentlicher Punkt ist hierbei die Implementierung arbeitnehmerInnenfreundlicher Arbeitszeitmodelle, die diesen eigenständige Flexibilitäten und ein hohes Ausmaß an Planbarkeit ermöglichen. Dabei kann es in einem ersten Schritt um die Ermöglichung „kleiner Flexibilitäten“ und ein Entgegenkommen seitens der Betriebe gehen, Betreuungsengpässe zu überbrücken, in einem weiteren Schritt darum, Arbeitszeitmodelle generell so zu gestalten, dass sich diese auch an den institutionellen und privaten Betreuungsmöglichkeiten der Beschäftigten orientieren. Gerade in männerdominierten Branchen, in welchen es bislang wenig Bewusstsein dafür gibt, dass (auch die männlichen) Beschäftigten in immer stärkerem Ausmaß vereinbaren wollen, wäre es wichtig, entsprechende Initiativen und Schritte zu setzen.