Hans Jörg Schelling hat den Ruf eines besonnenen Ministers. Dann kam sein Dictum, das Arbeitslosengeld sei zu hoch. Oder eigentlich die Mindestsicherung. Vielleicht aber sollten die Zumutbarkeitsregeln verschärft werden. Nein, es sei das Fachkräftestipendium: Das war – nach Meinung Schellings – nur für Arbeitslose da und daher sinnlos. Hartz IV in Deutschland funktioniere dagegen ganz nach seinem Geschmack. Jedenfalls brauche es daher bei uns nun auch so eine Arbeitsmarktreform. Soweit, so irritierend. Was ist das Ziel des Ministers – hat Schelling einen Plan?
Zunächst einmal darf auch ein Minister irren. Insbesondere wenn er fachunzuständig ist.
Fachkräftestipendium: Vom Finanzminister finanziell abgedreht
Das Fachkräftestipendium konnten keineswegs nur Arbeitslose beziehen. Er selbst hat diesem guten Instrument der beruflichen Weiterbildung das finanzielle Lebenslicht ausgeblasen, indem er dafür ab 2016 kein Budget mehr bewilligt. Er könnte und sollte es wieder zum Leben erwecken und zwar nicht nur für Arbeitslose. Nur – darum geht es ihm anscheinend nicht.
Die Sündenbockstrategie als Ersatzhandlung
Kürzen, Verschärfen, Streichen. Das ist der gemeinsame Nenner seiner ziemlich holprig vorgebrachten Forderungen. Zur Erinnerung: Bei uns explodieren die Arbeitslosenzahlen, weil die Beschäftigung wegbricht und allmonatlich viel mehr Menschen auf Arbeitsuche sind, als offene Stellen zur Verfügung stehen. Dafür brauchen wir eine Lösung. Und die scheint auch Schelling nicht zu haben. Was er dagegen anzubieten hat, sind Sündenböcke: Nämlich die Arbeitsuchenden selbst. Was er zudem anbieten kann, ist ein klein wenig Aufwiegelung. Ausgespielt werden sollen jene, die unter schlechten Bedingungen wie geringem Lohn und weiten Anfahrtswegen ihrem Job nachgehen müssen gegen jene, die gar keinen haben und denen er unterstellt, sie ruhen sich auf Kosten der anderen aus. Diese Methode ist sachlich unseriös und politisch destruktiv. Sie zielt auf den Abbau von gesellschaftlicher Solidarität und sozialen Zusammenhalt und soll davon ablenken, dass für die Behebung der wirklichen Ursachen unserer Arbeitsmarktmisere offenbar der Plan fehlt.
Zumutbarkeitsdebatte: Alle Jahre wieder
Die Zumutbarkeitsdiskussion ist nicht neu. Bereits im November des Vorjahres brachte Vizekanzler Mitterlehner die Idee der Zumutbarkeitsverschärfung. Von ÖVP- und Arbeitgeberseite wird dieses Thema generell alle paar Jahre aufgewärmt, was mitunter auch zu Verschärfungen führt: So wurde die zumutbare Wegzeit zuletzt 2007 auf zwei Stunden und darüber (unter besonderen Bedingungen) festgelegt. Bei einem allgemeinen Arbeitsplatzmangel bringt es aber nichts, noch eine halbe Stunde länger dorthin zu pendeln, wo es auch keinen Job gibt. Zumal: Österreich ist heute schon ein Land der Pendler. Immerhin pendeln mehr als zwei Mio. ArbeitnehmerInnen regelmäßig über die Gemeindegrenzen, viele davon über sehr weite Strecken.
Arbeitnehmerinnen die nicht in ihrer Heimatgemeinde arbeiten: