Möglichst rasches Handeln und Einsetzen von integrationspolitischen Maßnahmen, Priorität von Ausbildung für jugendliche Asylsuchende und ihr Zugang zu allen Ausbildungsmöglichkeiten, Erleichterungen beim Arbeitsmarktzugang für AsylwerberInnen mit hoher Anerkennungswahrscheinlichkeit, das Trachten nach gleichen Zugangsbedingungen im gesamten Staatsgebiet, Berücksichtigung der häufigen gesundheitlichen und psychischen Probleme von Flüchtlingen. Und nicht zuletzt und vor allem: Langer Atem, Geduld und Nachhaltigkeit, auch der finanziellen Grundlagen für die integrationspolitischen Maßnahmen. Das sind – kurz zusammengefasst – die Elemente einer erfolgversprechenden Integrationspolitik, die sich aus einer Reihe von Evaluierungen und Analysen ableiten lassen.
Keine „early intervention“ für AsylwerberInnen
Die Überzeugung, dass ein möglichst rascher Einsatz integrationsfördernder Maßnahmen sinnvoll und notwendig ist, wird nicht von allen Verantwortlichen für Integrationspolitik geteilt. Vom Innenministerium – schließlich verantwortlich für die Betreuung von Flüchtlingen während der Asylverfahren – wurden bislang alle Vorschläge für „early intervention“ in der Integrationspolitik abgelehnt. Sie würden nur zu verstärkter Zuwanderung von Asylsuchenden führen, seien also zu vermeidende “pull-Faktoren”.
Die Folgen dieser Haltung sind im Arbeitslosenregister schon erkennbar: Denn sie verursacht beispielsweise die in vielen Fällen sehr schlechten Sprachkenntnisse von Asylberechtigten mit freiem Arbeitsmarktzugang. Diese Defizite müssen dann vom AMS ausgeglichen werden. Dass die vielen Monate der Asylverfahren nicht genutzt werden, führt dann in der Regel zu längerer Arbeitslosigkeit. Deutschkenntnisse auf einem Mindestlevel von A2 sind für Vermittlung und berufliche Qualifizierung unerlässlich. Umso zynischer erscheinen dann die Forderungen des Innenministers nach verpflichtender gemeinnütziger Arbeit zu einem Euro die Stunde für arbeitslose anerkannte Flüchtlinge, die von der Mindestsicherung leben müssen.
Was für Spracherwerb gilt, gilt erst recht für die Erhebung mitgebrachten beruflichen Qualifikationen und Kompetenzen, von beruflicher Ausbildung oder der Einleitung von Anerkennungs- bzw. Nostrifikationsverfahren bei Flüchtlingen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit. Auch das Anerkennungsgesetz hat bislang die Situation bei der Erhebung und Anerkennung von Qualifikationen – jedenfalls bei den AsylwerberInnen mit hoher Bleibechance – bis dato nicht verbessert. Auch hier verstreicht viel Zeit, bleiben Chancen für die Betroffenen, aber auch für die nach Fachkräften suchende Wirtschaft ungenützt. Und dass etwa der Gesundheitszustand der Geflüchteten bundesweit systematisch erhoben und verbessert würde, gar Beratung und Hilfe bei posttraumatischen Störungen angeboten würde, erscheint gänzlich unvorstellbar.
Jugendliche Asylsuchende bleiben ohne Ausbildung
Dieser kritische Befund gilt auch für ein ganz entscheidendes Element erfolgversprechender Integrationspolitik – die Öffnung von Ausbildungsmöglichkeiten für jugendliche AsylwerberInnen mit hoher Bleibechance: Von den für Integration verantwortlichen Ressorts wurde etwa der Vorschlag der Sozialpartner abgelehnt, alle Lehrberufe für diese Jugendlichen zugänglich zu machen.
Nach Meinung der Sozialpartner soll auch jugendlichen AsylwerberInnen eine Teilnahme an den Maßnahmen der Ausbildungsgarantie – den überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen, die seit Jahren den Mangel an betrieblichen Lehrstellen ausgleichen – oder den gerade aufgebauten Maßnahmen der Ausbildung bis 18 möglich sein. Neben dem Defizit beim Umgang mit den Trauma-Belastungen der zu uns Geflüchteten ist das wohl die Vorgangsweise mit den langfristig am schwersten wiegenden nachteiligen Folgen für Integration und die Arbeitsmarktentwicklung, von den jahrzehntelangen Belastungen für die Arbeitslosenversicherung und die anderen Sozialschutz-Systeme ganz zu schweigen.
Heranführen an den Arbeitsmarkt? Weiterhin Fehlanzeige
Von der OECD wird rasche Aktivierung jedenfalls der AsylwerberInnen mit hoher Bleibechance empfohlen – im Kontext der österreichischen Situation wird damit die Ermöglichung von Aktivitäten während des Wartens auf den Asylbescheid angesprochen. Dafür gibt es im Grundversorgungsgesetz die rechtlichen Grundlagen. Die allerdings eines nicht bringen: Ausreichend Rechtssicherheit etwa für die Gemeinden, die AsylwerberInnen in gemeinnützigen Tätigkeiten beschäftigen und sie so in Kontakt und Kooperation mit der Wohnbevölkerung bringen wollen. Rechtsicherheit brauchen auch die NGOs, die Flüchtlingsunterkünfte betreiben und die den BewohnerInnen nicht nur Hilfstätigkeiten in diesen Unterkünften, sondern ihnen Arbeiten auf der Höhe der jeweiligen Qualifikation ermöglichen wollen.
Die Bundesregierung hat dafür in ihrem Integrationspaket vom 20.6.2016 einen “Katalog erlaubter Tätigkeiten” angekündigt. Abgesehen davon, dass mit einem solchen Katalog Rechtsicherheit nicht hergestellt werden kann – denn schließlich entscheiden in einem Rechtsstaat nicht Verwaltungsbehörden sondern Gerichte über die Qualifikation einer Tätigkeit als arbeits- und sozialrechtliches Arbeitsverhältnis – werden die Betroffenen und Beteiligten wohl noch länger auf diesen Katalog warten müssen. Schließlich müssen bei seiner Erstellung Interessenkonflikte berücksichtigt werden – denn Gemeinden beauftragen ja auch profitorientierte Unternehmen mit Dienstleistungen, die sie im Rahmen kommunaler Daseinsvorsorge ihren EinwohnerInnen anbieten wollen oder müssen.
Fehlende Integrationspolitik und ihre Folgen auf dem Arbeitsmarkt: Rechtfertigung für Abbau sozialer Rechte?
Klar ist: Eine so angelegte Integrationspolitik der dafür inhaltlich und finanziell Verantwortlichen leistet keinen Beitrag zur Bewältigung der zweifellos hohen Herausforderungen für eine rasche und gute Eingliederung der Flüchtlinge in den österreichischen Arbeitsmarkt.
Integrationspolitik wird vielmehr doppelt umgedeutet, um den Preis hoher sozialer und materieller Kosten bei der Integration in den Arbeitsmarkt: Zunächst soll sie einen zusätzlichen “Grenz-Zaun” darstellen und Asylsuchende vom Weg nach Österreich abschrecken. Das dürfte ebenso wirkungslos bleiben wie die Plakate, die die Vorgängerin des derzeitigen Innenministers in Kabul affichieren ließ und auf denen vor einer Flucht nach Österreich gewarnt wurde.
Und dann wird aus den – zu einem guten Teil auch bewusst herbeigeführten– realen Problemen bei der Integration die Rechtfertigung für eine General-Attacke auf die bisherige Sozial- und Arbeitsmarktpolitik abgeleitet. Die sehenden Auges produzierten Probleme bei der Arbeitsmarktintegration sind dann die Grundlage für Forderungen wie Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln, Abschaffung der Notstandshilfe, Ein-Euro-Jobs, Rückbau der Mindestsicherung.
Alternativen gibt es – es braucht aber rechtliche Kompetenz und finanzielle Mittel für ihre Umsetzung
Es gibt sie zwar, die gegenteiligen Ansätze, konzipiert und umgesetzt etwa im Programm “Start.Wien” der Gemeinde Wien, vorgeschlagen vom Sozialminister und der für Diversität zuständigen Staatssekretärin im Positionspapier “Sicherheit und Integration” am 1. September 2016. Doch in Verbindung von mangelnder ministerieller Zuständigkeit und fehlender budgetärer Unterlegung können diese Ansätze und Vorschläge für eine “Integration vom ersten Tag” wenn überhaupt, dann nur regional realisiert werden.