Öffentliche Verwaltungen nähern sich auch in Deutschland seit einiger Zeit dem Thema „Kulturelle Vielfalt“ – auf unterschiedliche Weise. In Interkulturellen Trainings werden Mitarbeitende geschult, in Workshops und Arbeitsgruppen strukturelle Fragen debattiert und Verwaltungsleitungen legen sich öffentlich auf eine „Willkommenskultur“ fest. Die Debatte über Qualität und Tiefe der Vorhaben muss auch aus gewerkschaftlicher Sicht geführt werden.
Verwaltungen interkulturell stärken
Dass die Personen, die in einer öffentlichen Verwaltung zu sehen sind immer vielfältiger werden ist auch in Deutschland kein Geheimnis: Migration ist dabei nur ein Grund, der BürgerInnen, Beschäftigte und Ratsuchende vielfältiger erscheinen lässt. Über viele Jahre antworteten öffentliche Verwaltungen mit Ablehnung oder Verdrängung auf diese Tatsache. Es gab sogar lange Zeit so etwas wie eine Abschreckungspolitik in manchen Ämtern. Der Begriff der „Ausländerpolizei“ war lange Zeit gebräuchlich für die zuständigen kommunalen Stellen. Die Begriffe und Ansätze haben sich seit einiger Zeit aber gewandelt. Durch den Nationalen Integrationsplan (2007), später durch den Nationalen Aktionsplan zur Integration (2012) und viele kommunale Integrationspläne wurde der Rahmen geschaffen, über Strukturen nachzudenken und die Herangehensweise an Migration und kulturelle Vielfalt zu ändern. Arbeitsgruppen entwickelten Checklisten, Strategien, Best Practices und vieles mehr; Personalabteilungen führten Interkulturelle Trainings ein – oft durch öffentliche Projektförderung gezahlt. Die Konzepte, wie eine notwendige Öffnung hin zu mehr Vielfalt gelingen kann, liegen vor und einige öffentliche Verwaltungen gelten als Vorbilder, wenn es um die Offenheit für (kulturelle) Vielfalt geht, wie z.B. die Stadt München oder die Stadt Stuttgart. Aber auch in der Breite wurde der Ansatz – oftmals als Interkulturelle Öffnung bezeichnet – umgesetzt. Beispielhaft dafür sind auch die drei Projektkommunen aus dem XENOS-Projekt des DGB Bildungswerk „Verwaltungen interkulturell stärken“: Kreis Lippe, Stadt Kassel und Stadt Waldkirch. Jetzt ist es an der Zeit diese Konzepte nachhaltig zu verankern und sich weiterhin in diese Debatte als Beschäftigtenvertretungen und Gewerkschaften einzumischen.
Die wichtigsten Punkte für einen Interkulturellen Öffnungsprozess oder eine Strategie zum Umgang mit (kultureller) Diversität aus Sicht der Beschäftigtenvertretungen sind:
- Personal- und Betriebsräte und Jugendauszubildendenvertretungen (JAV) müssen aktiv eingebunden sein (Interview mit einer Betriebsrätin),
- Anti-Diskriminierung, Gleichbehandlung und die gleichberechtigte Teilhabe müssen zentrale Elemente (Inhalte und Ziele) einer solchen Strategie sein,
- individuelle Kompetenzen und strukturelle Rahmenbedingungen müssen gleichwertig in den Blick genommen werden,
- die Perspektive von MigrantInnen (und andere Vielfaltsmerkmale) müssen berücksichtigt werden,
- die Motivationslagen der Beschäftigten müssen analysiert und berücksichtigt werden (Beispiel),
- Fortbildungen sollten einen direkten Arbeitsplatzbezug herstellen und für die Beschäftigten hilfreich sein,
- die Vernetzungen innerhalb der Verwaltungen und zwischen verschiedenen Verwaltungen sollten gefördert werden,
- ein umfassender Vielfaltsbegriff und ein weiter, dynamischer und heterogener Kulturbegriff (Kultur ist mehr als „Nation“) sollte dem Prozess zu Grunde liegen
- Willkommenskultur darf nicht auf „Nützlichkeit“ bestimmter Gruppen beschränkt sein – Beispiel „Hochqualifizierte“ und
- Kompetenzen im Umgang mit kultureller und sprachlicher Vielfalt müssen sich für die Beschäftigten auszahlen!
Beachtet man diese Punkte und bringt sie – auch gegen Widerstände – in die entsprechenden Prozesse und Gremien ein, so bieten sich aus Beschäftigtensicht und auch aus gewerkschaftspolitischer Sicht große Chancen für die betroffenen Verwaltungen. Die Kommunen können so eine Vorreiterrolle einnehmen, bei der Öffnung des Arbeitsmarktes, bei dem Abbau von Diskriminierungen, bei der Schaffung von Begegnungs- und Lernräumen und somit zu einer solidarischen Gesellschaft mit gleichberechtigter Teilhabe für alle beitragen.