Soziale Dienstleistungen sind unverzichtbare und gewichtige Elemente eines Sozialstaates und die Grundlage für ein gutes Leben für alle. Ohne gute öffentliche Gesundheitsversorgung, frühkindliche Bildung und Betreuung, Langzeitpflege, Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderung etc. würde das Leben der meisten Menschen massiv an Lebensqualität einbüßen. Damit muss den sozialen Dienstleistungen schon unabhängig von den Herausforderungen des sozial-ökologischen Umbaus großes Augenmerk zukommen. Darüber hinaus sind soziale Dienstleistungen aber auch eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass ein gerechter sozial-ökologischer Übergang und die Entwicklung eines neuen Wohlstandsmodells gelingen kann.
Soziale Dienstleistungen: quer durchs Leben wichtig
Aber was zählt überhaupt zu den sozialen Dienstleistungen? Charakteristisch ist, dass eine Dienstleistung exakt zum gleichen Zeitpunkt verbraucht wird, an dem ihre Erbringung erfolgt. Das haben soziale mit anderen personenbezogenen Dienstleistungen – wie zum Beispiel Services in Friseursalons oder Nagelstudios – gemeinsam. Ebenso verbindet sie, dass sie direkt an einer oder mehreren Personen erbracht werden.
Soziale Dienstleistungen (SDL) zeichnet auch aus, dass jeder und jede im Laufe seines oder ihres Lebens (mehrfach) Bedarf an ihnen hat, dieser aber abhängig von der jeweiligen Lebenssituation ist – und oft in sozial verletzlichen Lebensphasen bedeutsam wird (Kindheit, Alter, Krankheit, …). Das unterscheidet sie von anderen wichtigen Leistungen der Grundversorgung wie Wasser, Energie oder Müllabfuhr, die alle Menschen mehr oder weniger täglich brauchen.
In diesem Sinne gehören zu SDL frühkindliche Bildung und Betreuung, der Gesundheitsbereich einschließlich der Langzeitpflege, die soziale Arbeit und Sozialpädagogik, spezielle Dienstleistungen für ältere Menschen, Assistenz für Menschen mit Behinderungen oder auch Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik (z. B. Jugendcoaching). Je nach Zugang zu dem Begriff können auch weite Teile des Bildungssektors darunter gefasst werden. Vieles spricht für ein breites Verständnis sozialer Dienstleistungen, da alle genannten Bereiche für das Wohlergehen der Menschen hohe Relevanz haben. Sollen SDL eine wichtige Rolle für den Übergang in eine ökologische und sozial gerechte Gesellschaft spielen, sind jedenfalls sieben Aspekte relevant.
1. Keine Gesellschaft ohne Sorgearbeit
Ohne Care-Arbeit ist kein menschliches Zusammenleben denkbar: Kinder, Menschen, wenn sie zeitweise krank sind, pflegebedürftige oder auf sonstige Hilfe angewiesene Menschen müssen die Unterstützung bekommen, die sie brauchen, sonst wäre es eine unmenschliche Gesellschaft. Tätigkeiten des Sorgens und Versorgens, des Sich-Kümmerns („Care-Arbeit“) – egal, ob sie bezahlt oder unbezahlt verrichtet werden – müssen daher einen deutlich größeren Stellenwert erhalten als bisher.
Dafür müssen wir weg von einer ressourcenintensiven Ökonomie, die auf das Produzieren „immer neuer materieller Güter“ abstellt, hin zu einer Wirtschaft, die das Wohlergehen der Menschen und den Schutz natürlicher Ressourcen in den Mittelpunkt rückt. Soziale Dienstleistungen spielen dabei eine zentrale Rolle, weil sie genau diese unverzichtbaren Care-Arbeiten in einer gesellschaftlich organisierten Form erbringen, bei der jene, die sie leisten, dafür bezahlt werden und sozial abgesichert sind.
2. Gleichstellung und andere gesellschaftspolitische Ziele
Soziale Dienstleistungen sind eine wesentliche Voraussetzung, damit Frauen besseren Zugang zu Erwerbsarbeit erhalten. Da diese noch immer für die meisten Menschen das zentrale Mittel ist, Einkommen und soziale Absicherung zu erlangen, aber auch zur Gesellschaft beizutragen und sozial eingebunden zu sein, muss die gleichberechtigte Partizipation am Arbeitsmarkt ein zentrales Ziel bleiben. Das kann nur gelingen, wenn es eine gut ausgebaute Infrastruktur im Bereich der Kinderbetreuung und Pflege gibt. Nur so können Frauen von der Sorgearbeit, die sie ganz überwiegend und unbezahlt erbringen, entlastet werden.
Zugleich können andere wesentliche gesellschaftliche Ziele, wie Bildungs- oder Gesundheitsziele, politisch nur dann sinnvoll verfolgt werden, wenn dafür professionelle Strukturen zur Verfügung stehen, in denen die Menschen, die dort die notwendige Arbeit erbringen, gut ausgebildet sind und die notwendigen Rahmenbedingungen vorfinden. Die öffentliche Hand kann und muss hohe Qualitätsstandards festlegen, damit jene, die diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen (müssen), bestens versorgt werden.
3. Gute soziale Dienstleistungen brauchen gute Arbeitsbedingungen
Hohe Qualitätsstandards in der sozialen Grundversorgung bedingen ausreichende Mittel, um die vorhandenen Bedarfe abzudecken und gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten sicherzustellen. Die Menschen, die die zu leistende Arbeit erbringen, müssen fair bezahlt werden, arbeits- und sozialrechtlich gut abgesichert sein und sich kollektiv organisieren können. Das bedeutet allem voran ausreichend Personal, sodass genug Zeit für die wichtigen Tätigkeiten bleibt und auch für die Hinwendung zu den Menschen, an denen sie erbracht werden. Eine neue, gesunde Vollzeit muss sicherstellen, dass den Belastungen dieser Tätigkeiten genug Zeit für Erholung gegenübersteht. Planbare Arbeitszeiten sind unabdingbar, damit auch das Privat- und Familienleben planbar ist.
Bislang sind wir davon leider weit entfernt. Im Zuge der Pandemie wurden die unverzichtbaren Leistungen in den sozialen Dienstleistungen plötzlich als „systemerhaltend“ zum öffentlich diskutierten Thema. Nachhaltige Veränderungen gab es seither aber nicht.
4. Öffentliche Bereitstellung ist besser für Mensch und Klima
Da SDL essenziell für das Funktionieren einer Gesellschaft sind, besteht ein klares öffentliches Interesse daran. Profitinteressen privater Unternehmen müssen daher zurückgedrängt und scharf begrenzt werden. Denn Beispiele aus Großbritannien oder auch Deutschland zeigen eindrücklich, dass der Markt nicht in der Lage ist, eine angemessene Versorgung mit SDL zu gewährleisten. Die Privatisierungen führten dort zu deutlichen Verschlechterungen bei der Qualität der Leistungen und schlechteren Arbeitsbedingungen. Aber auch in Österreich spielen private Anbieter, z. B. im Bereich der Langzeitpflegeheime, eine immer größere Rolle.
Der Staat muss hier alle verfügbaren Möglichkeiten nutzen, in der Grundversorgung politisch zu steuern. Die beste Kontrolle hat die öffentliche Hand natürlich dann, wenn sie selbst als Leistungserbringerin auftritt. In vielen Bereichen sind private Anbieter:innen aber kurzfristig kaum wegzudenken. So entfallen beispielsweise in Wien zwei Drittel der angebotenen Krippen- und Kindergartenplätze auf private Träger. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist hier, öffentliche Förderungen an Gemeinnützigkeit zu koppeln. So sieht etwa das Burgenländische Sozialeinrichtungsgesetz vor, dass Einrichtungen im Bereich der Pflege und Betreuung von betagten, hilfsbedürftigen oder behinderten Menschen alle Einnahmenüberschüsse für Verbesserungen der Leistungen verwendet müssen, wenn diese aus Landesmitteln gefördert werden. Zusätzlich zeigt neue Forschung, dass die öffentliche Bereitstellung dieser Infrastrukturen der Grundversorgung deutlich ressourcenschonender ist. So stößt das stark privatisierte US-amerikanische Gesundheitssystem mehr als doppelt so viel CO2 pro Kopf aus wie die meisten europäischen Gesundheitssysteme (während es dabei aber schlechtere Resultate erzielt, was z. B. die Lebenserwartung und viele andere Indikatoren betrifft). Das zeigt eindrücklich, dass sowohl für das Erreichen sozialer wie auch klimapolitischer Ziele die Erbringung sozialer Dienstleistungen über öffentliche Systeme unverzichtbar ist.