Warum die Verschrottungsprämie kontraproduktiv ist

05. Juni 2020

In Deutschland scheint die Abwrackprämie für Benziner und Diesel passé. In Österreich wird sie noch diskutiert und gefordert– auch wenn es Kritik hagelt und ÖkonomInnen sich an den Kopf greifen. Warum eigentlich?

„Ich verstehe nicht, warum man die Verschrottungsprämie fordert“, sagte unlängst der Chef des Autozulieferers Polytec, Markus Huemer, in einem Interview. „Aus österreichischer Sicht sind Kaufanreize für Autos, die in Deutschland oder sonst wo gebaut werden, kompletter Blödsinn. Das wäre Verschwendung von Steuergeld.“ Die Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung weist darauf hin, dass eine „Kaufprämie für Autos ökologisch und ökonomisch unsinnig und sozial ungerecht ist“.

Verschrottungsprämie ist aus Klimasicht kontraproduktiv

Ganz prinzipiell stellt sich die Frage, weshalb der Autoindustrie aktuell eine Sonderbehandlung zukommen sollte, obwohl andere, nicht minder relevante Wirtschaftsbereiche (etwa Tourismus, Kunst und Kultur, öffentlicher Verkehr) von der COVID-19-Krise sehr hart getroffen wurden. Schuh- oder Kleidungsgeschäfte finanzieren ihre Rabatte selbst, auch wenn ihre Gewinnreserven bei Weitem nicht so umfangreich sind wie jene der Autokonzerne. Nach Milliardengewinnen im Jahr 2019 erzielte zum Beispiel VW im ersten Quartal 2020 – trotz Corona-Krise – einen Reingewinn von 517 Millionen Euro.

Die Bezeichnung als „Ökoprämie“ ist irreführend. Die Argumentation beruht darauf, dass neuere Autos im Betrieb weniger CO2 ausstoßen würden. Leider stimmt das nur auf dem Papier – denn der reale CO2-Ausstoß beim Fahren auf der Straße ist deutlich höher. Betrug die Abweichung zwischen Theorie und Praxis im Jahr 2000 noch 7 Prozent, waren es 2016 rund 39 Prozent. Dazu kommt der allgemeine Trend zu größeren, schwereren und stärker motorisierten Autos. Insgesamt ist der reale CO2-Ausstoß der Neuwagenflotte somit nur rund 4 Prozent niedriger als im Jahr 2000. Ein wesentlicher Punkt wird in der Debatte zudem oft ausgeblendet: Bereits die Herstellung eines Pkws verursacht in etwa so viel Treibhausgas-Emissionen wie 30.000 gefahrene Kilometer im Betrieb.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Aus Klimasicht ist es sinnvoller, ältere Pkw nicht frühzeitig zu verschrotten, sondern länger zu nutzen – vor allem dann, wenn sie als eines der 1,5 Millionen Zweitautos in Österreich genutzt werden, mit denen im Jahresdurchschnitt nur rund halb so viele Kilometer zurückgelegt werden wie mit Erstautos. Noch besser für die Umwelt ist – immer dann, wenn dies möglich ist – der Umstieg auf den öffentlichen Verkehr, aktive Mobilität oder Carsharing. Eine Autokaufprämie fördert die Anschaffung und Nutzung von Privat-Pkw und steht damit der notwendigen Mobilitätswende in Richtung Klimaverträglichkeit und Multimodalität diametral entgegen.

Prämie für Autokauf ist auch wirtschaftlich und politisch unsinnig

Auch aus wirtschaftspolitischer Perspektive ist die Verschrottungsprämie unsinnig, weshalb sich zahlreiche Ökonominnen und Ökonomen dagegen aussprechen. So sagt der Ökonom Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft: „Eine Autokaufprämie ergibt ökonomisch keinen Sinn, setzt falsche industriepolitische Anreize und nützt dem Klimaschutz nicht.“

Der Haupteffekt besteht in einer Nachfrageverschiebung: Bereits geplante Autokäufe werden vorgezogen und fehlen dafür später. In Deutschland hatte dies bei der Abwrackprämie im Jahr 2009 den Effekt, dass auf ein Rekordhoch ein Rekordtief im Folgejahr folgte. Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer bringt es auf den Punkt: „Ein klassisches Eigentor.“

Da Neuwagen – zumal in Krisenzeiten – eher von wohlhabenden Personen gekauft werden, wirkt eine Autokaufprämie zudem aus sozialpolitischer Perspektive regressiv und bringt jenen Haushalten nichts, die von der Wirtschaftskrise besonders hart getroffen wurden.

Zudem unterläuft eine Verschrottungsprämie, insbesondere wenn sie Pkw mit Verbrennungsmotoren einschließt, zahlreiche politische Zielsetzungen. Laut EU-Regulierung darf der Flottendurchschnitt der Treibhausgas-Emissionen für Pkw-Neuzulassungen ab dem Jahr 2021 maximal 95 Gramm CO2 pro Kilometer betragen, bis zum Jahr 2030 sinkt dieser Wert um 37,5 Prozent. Für jedes Gramm Überschreitung zahlen Fahrzeugproduzenten Strafe – pro verkauftem Auto. Eine Autokaufprämie für Pkw mit Verbrennungsmotoren erschwert die Einhaltung dieser Regulierung.

Konjunkturbelebung durch beschäftigungswirksame Klima-Investitionen

Kaufprämien sind daher nur für Null-Emission-Pkw argumentierbar. Und diese Kaufprämie gibt es bereits, nämlich in Höhe von 3.000 Euro. Zudem genießen E-Pkw im Steuerrecht Vorteile. Deutlich wirksamer für eine rasche Verbesserung der Umweltbilanz des Autoverkehrs ist das Vorziehen der ökosozialen Steuerreform.

Im Autoland Deutschland scheint die Abwrackprämie für Benziner und Diesel passé. In Österreich wird sie noch diskutiert und gefordert. Warum eigentlich? An Kritik mangelt es auch hierzulande nicht – wie etwa ein kürzlich veröffentlichter „Offener Brief an die Bundesregierung“ von Umweltorganisationen und ÖkonomInnen zeigt.

Wirtschaftspolitisch sinnvoller, effizienter und nachhaltiger sowie klimapolitisch wirkungsvoller als eine Neuauflage der Verschrottungsprämie wären direkte Investitionen in zukunftsorientierte Projekte. Zum Beispiel in die Elektrifizierung der Busflotte oder eine leistungsfähige Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge – davon würde auch die Autoindustrie langfristig mehr profitieren als von einer Verschrottungsprämie.

Dieser (aktualisierte) Beitrag erschien zuerst im VCÖ-Blog.

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