TINA oder TATA? Ein Plädoyer für eine intelligente Ökomomie

04. Juni 2013

„There Is No Alternative“ (TINA) proklamierte einst Margret Thatcher und meinte damit die Alternativlosigkeit zum Neoliberalismus. Dem konterte die Globalisierungskritikerin Susan George mit dem Slogan TATA – „There are Thousands of Alternatives“.

Mehr als 30 Jahre nach dem legendären Ausspruch Margret Thatchers und knapp fünf Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise regiert noch immer TINA

– beim Auffangen der Banken, zumindest so sie „systemrelevant“ sind,
– bei der Flutung der Finanzmärkte mit billigem Geld,
– bei der Niedrigzinspolitik,
– bei der strikten Austeritätspolitik in den südeuropäischen Krisenländern,
– und schließlich bei der Verteilung der Lasten dieser Krisenpolitik auf jene Bevölkerungsgruppen, derer man am leichtesten habhaft werden kann, also auf ArbeitnehmerInnen und TransferleistungsbezieherInnen.

Zunehmend regt sich aber Widerstand. TATA! „Eine andere Welt ist möglich“, frei nach dem Motto der jährliche stattfindenen Weltsozialforen. Sie sind in den etwas mehr als zehn Jahren ihres Bestehens ein mächtiger Gegenpol zum G8-Gipfel oder dem Davoser Weltwirtschafsforum geworden. Und es mehren sich die Anzeichen, dass die Alternativen jenseits des ökonomischen Mainstreams weiter an Bedeutung gewinnen könnten. Drei kleine Beispiele:

– Crowdfunding: 450.000 Suchanfragen nach diesem Begriff bei Google im Jahr 2010, 140.000 ein Jahr davor.

– Crowdinvesting: 2011 wurden am deutschen Crowdinvesting-Markt 450.000 Euro eingesammelt, 2012 waren es bereits 4,3 Mio Euro.

–  Auch Tausch- und Mietbörsen boomen. Im Jahr 2011 reihte das TIME Magazin Sharing unter jene zehn Ideen, die die Welt verändern werden.

TATA folgt (noch) keiner großen Theorie, wie sie der Neoliberalismus herausgebildet hat. TATA besteht aus einer Vielzahl kleiner Initiativen, die eines eint: Das Bestreben, Märkten wieder ein Gesicht zu geben. Marktbeziehungen begreifbar zu machen. Die Spekulation und die Anonymität der Märkte zurückzudrängen. Den Geldkreislauf an die Realwirtschaft und an gesellschaftspolitische Ziele zu koppeln und die „sinnlose“ Akkumulation zu bekämpfen. Und die Nutzung der Social-Media-Möglichkeiten bei der Verwirklichung all dieser Vorhaben. TATA sind viele kleine Nadelstiche in den Goliath TINA:

  • Anfang 2010 wird Respekt.net gegründet, eine österreichische Internet-Projektbörse mit dem Ziel, sich für gute Ideen von „InvestorInnen der Zivilgesellschaft“ Geld zu holen. Gut im Sinne der Förderung von Respekt, Toleranz und Offenheit. Eingereicht werden konkrete Vorhaben mit einem bestimmten Budget und einer klar definierten Finanzierungsfrist. Diese Spenden – es gibt weder eine Rückzahlung noch eine Verzinsung – werden zunächst treuhändisch verwaltet und gelangen erst dann zur Auszahlung, wenn das angestrebte Finanzierungsvolumen in der festgesetzten Frist tatsächlich erreicht wird. Derzeit läuft unter anderem ein Spendenaufruf für eine Facebook-Kampagne zur Anhebung der Mindestlöhne.
  • Einer ähnlichen Logik folgt die derzeit noch im Gründungsstadium befindliche „Demokratische Bank“. Bei der Kreditvergabe sollen Projekte bevorzugt werden, die sozial und ökologisch nachhaltig sind. Die SparerInnen treten dabei in die Rolle der InvestorInnen, die bei besonders förderungswürdigen Projekten auf jegliche Verzinsung verzichten. Zinsen können sehr wohl dann lukriert werden, wenn den bevorzugten Projekten kein besonderer Gemeinwohlgedanke zugrunde liegt.
  • In Curitiba, der siebtgrössten Stadt Brasiliens, kam der ehemalige Bürgermeister Jaime Lerner auf die geniale Idee, Busfahrkarten als Komplementärwährung einzuführen: Wer sich an der Müllsortierung in den Favelas beteiligte, wurde mit Bustickets entschädigt, die wiederum gegen Schulhefte und Lebensmittel getauscht werden konnten. Innerhalb eines Jahres wurden auf diese Weise 11.000 Tonnen Müll gegen 1.200 Tonnen Lebensmittel getauscht. Heute liegt die 3,5-Millionen-Einwohner-Metropole auf dem dritten Platz der 15 grünsten Städte der Welt.
  • Schließlich gibt es noch das gewinnorientierte Crowdinvesting, um das derzeit eine heftige politische Auseinandersetzung tobt. Die InvestorInnen beteiligen sich am Unternehmen und sind, in welcher Form auch immer, Nutznießer des Unternehmeserfolges oder Geschädigte im Falle eines Mißerfolgs. Auf der Crowdinvesting-Plattform Conda wird beispielsweise für die Investition in einen Wohnwagon geworben. Bis 10. Juni sollen dafür 70.000 Euro aufgebracht werden, knapp 10 Tage vor Ende der Zeichnugsfrist fehlten allerdings noch fast zwei Drittel der avisierten Summe. Wird die Fundingschwelle nicht erreicht, müssen sich die Gründer andere Finanzierungsquellen suchen. Neben verschiedenen Untersützungsleistungen übernimmt CONDA auch die treuhändische Verwaltung der eingebrachten Beiträge.

Selbst wenn alternative Finanzierungsformen eine enorme Dynamik aufweisen, braucht es sicherlich noch einiges an Entwicklungsarbeit. Zum Beispiel was die Angebotstransparenz und den InvestorInnenschutz betrifft. Derzeit kumuliert dies in der öffentlichen Diskussion um den Finanzierungsmodus des Waldviertler Schuhproduzenten Heini Staudinger. Er hatte über einen Sparverein bei 250 Kunden und Bekannten mehr als drei Millionen Euro eingesammelt, für die er vier Prozent Zinsen zahlt. Ohne Bankenkonzession und ohne Prospekt. Ab 100.000 Euro Fremdkapital sind Geldnehmer nämlich verpflichtet, einen Prospekt mit den wichtigsten unternehmensrelevanten Daten aufzulegen. Ein oftmals nicht gerade billiges Unterfangen zum Schutz der AnlegerInnen. Trotzdem scheint es durchaus nachvollziehbar, dass derartige Schutzmaßnahmen nicht einfach durch die Gründung von Sparvereinen umgangen werden können. Diese berechtigten Schutzanliegen sollten dem Schwarmfinanzierungsansatz aber nicht fundamental entgegenstehen.

„It’s the economy, stupid!“ war einst ein Wahlkampfslogan Bill Clintons. Ja schon, aber von welcher Ökonomie sprechen wir eigentlich?