Für die oftmals betriebene Panikmache vor einer „Kostenexplosion“ im Pensionssystem besteht kein Anlass. Dahinter stehen irreführende Argumentationsmuster und ein abwegiges Verständnis von „Generationengerechtigkeit“. Nach den vielen Reformen im Pensionsrecht muss jetzt die Verbesserung der Chancen der Menschen auf dem Arbeitsmarkt im Mittelpunkt der Pensionspolitik stehen. Erste Ankündigungen der neuen Bundesregierung lassen dazu allerdings nichts Gutes erwarten.
Die Pensionsreformen werden immer stärker wirksam – der Arbeitsmarkt hinkt nach
Nach den vielen bereits durchgeführten Reformen im Pensionsrecht muss jetzt vor allem sichergestellt werden, dass die Erwerbschancen der Menschen mit den immer stärker wirksam werdenden Restriktionen beim Pensionszugang Schritt halten. Darüber hinaus erfordert die Umstellung auf „Lebensdurchrechnung“ auch aus pensionspolitischen Gründen eine massive Gegensteuerung gegen die Ausbreitung prekärer Arbeitsformen. Regierungsprogramm und erste Ankündigungen der neuen Regierung lassen allerdings befürchten, dass es eher in die Gegenrichtung gehen wird (Infragestellung des Fachkräftestipendiums, Verschlechterung der Altersteilzeit, Abschaffung der „Aktion 20.000“, Abschaffung der Notstandshilfe, Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen etc.).
Das im Programm der neuen Bundesregierung formulierte Bekenntnis „zu einem stabilen und nachhaltigen Pensionssystem, das den Lebensstandard im Alter aufrechterhält“ mit dem Ziel, „auch den zukünftigen Generationen diese Sicherheit im Alter zu garantieren“, lässt aber immerhin hoffen, dass den neoliberalen Rufen nach einer weiteren großen Pensionsreform nicht gefolgt wird. Mit ziemlicher Sicherheit würde eine derartige Reform massive pensionsrechtliche Verschlechterungen vor allem für die heute Jüngeren bringen. Die vielen angekündigten Evaluierungen und Prüfungen (Hinterbliebenenleistungen, Ausgleichszulage, Anrechnung von Teilversicherungszeiten, „Kassasturz beim faktischen Pensionsalter“ etc.) zeigen allerdings, dass kein Grund zur Entwarnung besteht. Auch weitere Gesamtattacken auf die gesetzliche Pensionsversicherung werden nicht lange auf sich warten lassen.
Vor diesem Hintergrund werden die Perspektiven der gesetzlichen Pensionsversicherung durchleuchtet. Die Langfrist-Prognosen zeigen, dass sie viel besser sind als oft behauptet. Das Pensionssystem wurde bereits umfassend reformiert und auf den bevorstehenden demografischen Wandel vorbereitet. Nachgegangen wird auch den (irreführenden) Behauptungen, mit denen immer wieder das Gegenteil zu belegen versucht wird.
Eine weitere „große Pensionsreform“?
Von neoliberalen Instituten, WirtschaftsvertreterInnen etc. wird unbeirrt von allen bereits durchgeführten Reformen die Forderung nach einer „großen Pensionsreform“ erhoben. Besonders drastisch (und unseriös) behauptete z.B. eine Plattform, die als „ARGE Generationengerechtigkeit“ auftritt, im November 2017: „… dem System [droht der] Kollaps, wenn nicht rasch die notwendigen Schritte ergriffen werden“.
Hinter derartigen Attacken steht einerseits das Bestreben, im Bundesbudget Raum für massive Steuersenkungen vor allem zugunsten der Unternehmen zu schaffen und andererseits das Interesse von privaten Finanzdienstleistern an einer Verlagerung der Alterssicherung hin zu gewinnbringenden Produkten der privaten Altersvorsorge.
Bei näherer Betrachtung der Vorschläge (z.B. „Automatismus“) zeigt sich, dass diese im Kern auf weitere drastische Pensionskürzungen und/oder auf eine massive Anhebung des Pensionsalters für die heute Jüngeren hinauslaufen. Es entbehrt nicht einer gewissen Chuzpe, dass derartige Forderungen mit der vermeintlichen Sorge um die Alterssicherung gerade der Jüngeren begründet werden. Bedauerlich ist, dass viele darauf hereinfallen.
Ausblick bis 2060 – Pensionsausgaben steigen nur sehr moderat
Die aktuellsten Langzeitberechnungen von Pensionskommission, Finanzministerium und EU-Kommission (Ageing Report 2015 der Europäischen Kommission) lassen erwarten, dass der für die Finanzierung der gesetzlichen Pensionen erforderliche Anteil am BIP bis 2040 um 0,8 Prozentpunkte steigen und dann wieder zurückgehen wird. Für das Jahr 2060 lassen die Vorausberechnungen mit 14,4 % einen BIP-Anteil erwarten, der nur um 0,5 Prozentpunkte höher liegt als der aktuelle Wert. Im Vergleich zu den massiven demografischen Verschiebungen (ca. 80 % Zuwachs bei der Altersgruppe 65+) fällt damit die erwartete Kostensteigerung äußerst moderat aus.
Klar ist in Anbetracht dieser Werte, dass bei den Pensionskosten keinerlei Grund zur Panikmache besteht. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass sich die oft beschworene „Generationengerechtigkeit“ bei kräftigem Anstieg des Anteils älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung nur realisieren lässt, wenn ein gewisser Anstieg der BIP-Anteils für die Pensionskosten in Kauf genommen wird.