Planlosigkeit als neues Geschäftsmodell – oder: Die ÖIAG auf Sinnsuche

09. Juli 2014

An dieser Stelle wurde ja schon über die Hintergründe des Telekom-Deals berichtet. Als Glanzleistung des ÖIAG-Managements wird die Übernahme durch America Movil wohl nicht in die Wirtschaftsgeschichte eingehen. America Movil hat die Herrschaft übernommen, die ÖIAG hat für den Verlust an Einfluss keine nennenswerte adäquate Gegenleistung erhalten. Ein für die Österreichische Infrastruktur besonders bedeutendes Unternehmen ist damit in mexikanische Hände gewandert. Die Geschichte ist nunmehr aber noch um einige Facetten reicher geworden: Zunächst werden sowohl Telekom- als auch ÖIAG-Vorstand vom 400 Mio Euro Verlust in Bulgarien überrascht. Dann sind statt der Hypo-Abbaubank plötzlich die Casinos Austria als ÖIAG-Beteiligung im Gespräch. Und daneben erneuert/reproduziert sich der ÖIAG-Aufsichtsrat ua mit Ex-Magna-Chef Wolf weiter selbst.

Die ÖIAG auf Sinnsuche

Zum einen ist dem Telekom Vorstand und dem ÖIAG Vorstand nicht aufgefallen, dass sie gerade eben 400 Mio Euro in Bulgarien verloren haben zum anderen sucht sich die ÖIAG – was ausgeschrieben immer noch Österreichische Industrie Aktiengesellschaft heißt – nun neue Geschäftsbereiche, die sie nun im Erwerb der Casinos Austria gefunden hat. Das macht vor dem Hintergrund, dass sie nun doch nicht – wie medial lange kolportiert wurde – für die Hypo Abbaueinheit zuständig sein soll, natürlich einen gewissen Sinn in der Aquisitionsstrategie. Industriepolitisch ist dieser geplante Kauf um – vermutlich – rund 300 Mio Euro allerdings schwer argumentierbar. Ob Ex Magna Chef Wolf die unternehmerische Sinnsuche der ÖIAG besser moderieren kann, als der frühere Aufsichtsratschef bleibt abzuwarten, seine ersten Pressemeldungen in der neuen Funktion, lassen jedenfalls Rückschlüsse auf seine Sicht der Welt zu: “Wir haben in der österreichischen Parteienlandschaft fast nur Umverteilungsparteien.” (APA, 3. Juli 2014)

Die Telekom nun doch ein Sanierungsfall?

Vor dem Hintergrund der Datenlage, die bei Abschluss des Syndikatsvertrags bekannt war, hat sich die Telekom trotz schwierigem Marktumfeld als nach wie vor profitables Unternehmen erwiesen. Aus dem laufenden Geschäft konnte die Telekom zuletzt ca 1,3 Mrd € (2013) erwirtschaften, die für Investitionen, Schuldentilgungen oder Dividendenzahlungen zur Verfügung stehen. Gemessen am Umsatz ist die EBITDA-Quote bei sehr guten 30,8 %. Die Group ist also bezüglich ihrer Finanzkraft nach wie vor sehr gut aufgestellt. Im letzten Quartalsbericht 1/2014 der Telekom wird ein positives Betriebsergebnis in der Höhe von 97 Mio € dargestellt, der Jahresüberschuss liegt mit 41 Mio € ebenfalls im positiven Bereich. In diesem Quartalsbericht war von einer Wertminderung in Höhe von rund 400 Millionen Euro bei der bulgarischen Telekom-Tochter Mobiltel nichts ersichtlich. Auch bei der Hauptversammlung am 24. Mai 2014 wurde zwar über eine schwierige wirtschaftliche Situation in Bulgarien berichtet, nicht aber das Ausmaß des Wertberichtigungsbedarfs dargestellt. Die Frage, die sich nunmehr stellt ist, ob der Vorstand der Telekom diese Informationen nicht schon vorher bekannt waren oder zumindest genügend Informationen zur Verfügung hatte, um mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können, dass entsprechende Risiken aller Voraussicht nach schlagend werden könnten. Und wenn die Informationen vorhanden waren und der neue Eigentümer vielleicht schon früher mehr wusste, warum ist er dann eingestiegen? Eines steht jedenfalls fest: Die Investitionen in Österreich, die die Telekom getätigt hat – insbesondere die Frequenzversteigerung  und die Übernahme von Yesss – dürften das Unternehmen attraktiv gemacht haben.

Wohin soll die ÖIAG industriepolitisch gehen?

Die Frage, die sich nun aber gerade auch mit den neuen Aufsichtsratsmitgliedern stellt ist, welche Strategie die ÖIAG in Zukunft verfolgen soll? Das Regierungsprogramm sieht ganz eindeutig eine strategische Neuausrichtung der ÖIAG vor, die auch neue Beteiligungen nicht ausschließt. Konkret ist von Zielen wie der „Sicherung und Ausbau des Standortes im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs …“ oder auch „der langfristigen Weiterentwicklung und Wertsteigerung der bestehenden Beteiligungen …“ die Rede. Aber auch von „Privatisierungen auf relevante Beteiligungsgrößen“ wird im Koalitionsübereinkommen gesprochen.

Klar ist, dass die ÖIAG derzeit nur über 3 relevante Beteiligungen verfügt, wobei bei der OMV und nunmehr der Telekom auf Grund abgeschlossener Syndikatsverträge die strategischen Entscheidungen nicht mehr alleine (OMV) bzw gar nicht mehr (Telekom) in Österreich getroffen werden. Einzig die Post ist in einer relevanten Größe  noch mehrheitlich im öffentlichen Eigentum.

Zur Reform der ÖIAG wurden zuerst seitens der ÖVP Überlegungen angestellt, eine Art Mittelstandsfonds für KMU in der ÖIAG zu etablieren. Neu gegründete KMU sollten in der Startphase finanziell mit Eigenkapital unterstützt werden. Dieses Konzept ist aber offenbar wieder genauso schnell aus der öffentlichen Diskussion verschwunden, wie es dort aufgetaucht ist. Und das ist aus zweierlei Gründen auch gut so: Zum einen wird von der Austria Wirtschaftsservice ein solcher Fonds bereits betrieben, zum anderen würden KMU nicht wirklich zu einer Industrieholding passen. Im Mai dieses Jahres wurden Überlegungen laut, die Abbaueinheit der Hypo in die ÖIAG zu transferieren, auch diese Überlegungen wurden aber rasch wieder ad acta gelegt – zu groß wäre die Ansteckungsgefahr, so die Begründung. Abgesehen davon ist auch nicht bekannt, dass die ÖIAG über spezielle Kompetenzen verfügen würde, um eine derart sensible Aufgabe erfolgreich managen zu können. Und nun wird also über einen Einstieg bei den Casinos Austria überlegt –  „Glückspiel als strategische Hoffnung“ könnte  man sagen.  Warum die ÖIAG gerade in diesem Bereich besondere Kompetenzen aufweisen sollte, ist auf den ersten Blick jedenfalls auch hier nicht erkennbar. Die ÖIAG ist offenbar in der Sinnkrise.

Wohin könnte sich die ÖIAG entwickeln?

Wenn man das Regierungsprogramm ernst nimmt, ist zweierlei anzumerken:

Neue Beteiligungen wären eine sinnvolle Strategie, vor allem, um über die bestehenden drei Beteiligungen hinaus österreichische Mehrheiten großer österreichischer Unternehmen abzusichern und Konzernzentralen hier zu halten. Es gibt genug Länder, die mit Staatsfonds diese Art der nationalen Industriepolitik realisieren. Ein solches Beteiligungsmanagement müsste professionell durchgeführt werden – und strategische Ziele und Synergieeffekte mit den anderen bereits in der ÖIAG befindlichen Unternehmen berücksichtigen. Eine Zusammenarbeit mit anderen institutionellen heimischen Investoren oder Mitarbeiterbeteiligungsstiftungen etwa durch Stimmbündelung würde den Schutz vor unerwünschten Übernahmen zusätzlich erhöhen. Die Finanzierung eines derartigen Modells wäre darstellbar, da die ÖIAG aktuell schuldenfrei ist und daher über ausreichend finanziellen Spielraum verfügt.

Was jedenfalls dafür notwendig ist, ist eine neue Governancestruktur. Allerdings werden sich selbst erneuernde Aufsichtsräte, die zu einem großen Teil der Privatisierungsideologie anhängen, die ÖIAG aber wohl kaum auf neue Wege führen. Als Eigentümer der ÖIAG soll der Staat auch wieder selbst das Sagen im Aufsichtsrat haben. In der „Privatwirtschaft“ würde kein Eigentümer einen Aufsichtsrat akzeptieren, bei dem er selbst keine Möglichkeit hat, aktiv mitzugestalten. Oder um es mit den Worten von Brigitte Ederer zu formulieren: „Peter Mitterbauer, bis vergangene Woche Aufsichtsratsvorsitzender der ÖIAG, hätte nie im Leben in seinem Unternehmen akzeptiert, dass sich der Aufsichtsrat selbst wählt. Es geht darum, wie der Eigentümer seine Interessen durchsetzt.“  Warum soll dies bei ÖIAG anders sein?

Dazu im Gegensatz steht allerdings der ebenfalls im Koalitionsübereinkommen vereinbarte Privatisierungsansatz – ein solcher passt jedenfalls nicht zu einer Beteiligungsstrategie.

Zusammenfassend kann festgehalten werden: Eine Reform der ÖIAG wäre dringend notwendig – vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrung mit strategischen Entscheidungen dieser Regierung liegt allerdings der Verdacht nahe, dass eine solche notwendige und grundlegende Reform nicht vorgenommen wird. Dann soll die Regierung bitte weiterhin besser nichts tun, statt unsinnige Aktionen setzen. Es bleibt zu hoffen, dass die aktuell handelnden Personen in der momentanen Situation nicht mehr anstellen als sie bisher schon angestellt haben.