Kapitalbeteiligungen der öffentlichen Hand als Kriseninstrument
Die Corona-Krise hält die Welt in Atem. Die weltweit aufgelegten Rettungspakete übersteigen selbst die während der Finanzkrise 2008/09 beschlossenen Maßnahmen. Auch Österreich hat ein 38 Mrd. Euro schweres Hilfspaket geschnürt.
Während in einem ersten Schritt die Sicherstellung der Liquidität von Unternehmen und der Erhalt der Arbeitsplätze durch Maßnahmen wie Kurzarbeit, Gewährung von Garantien für Überbrückungskredite, Stundung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen vorrangig sind, stellt sich in einem mittelfristigen Szenario die Frage nach dem Schutz strategisch wichtiger österreichischer Unternehmen vor wirtschaftspolitisch unerwünschten Unternehmensübernahmen. Einen Ausverkauf strategisch wichtiger Technologien und Infrastrukturen ins Ausland befürchtet auch die EU-Kommission. Sie legte daher Leitlinien für eine verstärkte Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen durch die Mitgliedstaaten vor.
Dieser Beitrag fordert eine aktive Rolle des Staates zum Schutz der österreichischen Volkswirtschaft ein – bis hin zum Erwerb von Kapitalbeteiligungen durch die öffentliche Hand.
Ein Blick zurück – die Finanzkrise 2008/09
In der Finanzkrise 2008/09 haben die EU, die USA und andere Staaten ihre Banken mit Milliardensummen gerettet. Dabei wurden unterschiedliche Instrumente angewendet: Garantien, nachrangige Kredite, Partizipationskapital und auch Kapitalbeteiligungen. Nun – mehr als zehn Jahre nach der Krise – zeigt sich, dass Staaten, die verstärkt auf Kapitalbeteiligungen setzten, finanziell deutlich besser abgeschnitten haben, weil die Kurse der Banken nach der Sanierung wieder gestiegen sind und die Bankbeteiligungen mit Gewinn reprivatisiert wurden. Allen voran die USA: Während in Europa darüber diskutiert wurde, ob Banken verstaatlicht werden dürfen, reagierte die Politik in den USA umgehend und rekapitalisierte viele wichtige Kreditinstitute über direkte Kapitalbeteiligungen. In der Krise erwarb die US-Regierung auch Anteile an General Motors und Chrysler. Ideologische Diskussionen wurden hintangestellt und Barack Obama konnte nach Überwindung der Krise vermelden: „Wir haben jeden Dime zurückgekriegt, den wir investiert haben.“ Aber auch in Europa sind einige Länder mit einem Plus ausgestiegen, darunter Dänemark, Frankreich, Schweden und Luxemburg.
Die Erfahrungen aus der Finanzkrise machen deutlich, dass ideologische Auseinandersetzungen in der Krise fehl am Platz sind, wenn es um die kurzfristige Rettung von Unternehmen oder die längerfristige Sicherung strategischen Eigentums geht. Aussagen wie „Staatsbeteiligungen sind nur die Ultima Ratio“ tragen daher wenig zur Krisenbewältigung bei – vielmehr braucht es hier einen pragmatischen Zugang.
Corona-Krise wird Bilanzen rot einfärben
Das gegenwärtige Corona-Rettungspaket der Bundesregierung ist von der Hoffnung geprägt, dass in ein paar Wochen das Schlimmste überstanden ist und sich die Wirtschaft wieder zu normalisieren beginnt. Je länger die „Lockdown-Periode“ allerdings anhält – die Szenarien einzelner ExpertInnen reichen, abhängig vom Vorliegen eines Impfstoffs, bis zu einem Zeitrahmen von 12 bis 18 Monaten –, umso notwendiger werden Kapitalisierungsmaßnahmen in Unternehmen werden. Auch wenn die gegenwärtigen Maßnahmen Arbeitsplätze und Liquidität in Unternehmen sicherstellen sollen, so wird es bei vielen Unternehmen zu länger andauernden massiven Umsatz- und Ertragseinbrüchen kommen. In manchen Bereichen ist der Umsatz aufgrund von Schließungsvorschriften oder sinkender Nachfrage völlig zum Erliegen gekommen (z. B. Flugverkehr, Tourismus, Gaststätten, Handel, Bahn, Bus).
In anderen Bereichen wiederum (z. B. Industrie) könnte es schwierig werden, die weltweiten Wertschöpfungsketten aufrechtzuerhalten – sei es durch Lieferprobleme bei Vorprodukten oder seien es Probleme bei der Lieferung der eigenen Produkte an weiterverarbeitende Unternehmen.
Die Jahresbilanzen für 2020 werden in vielen Unternehmen Verluste und damit einen Rückgang des Eigenkapitals aufweisen. Mit Fortdauer der Krise wird sich die aktuelle Liquiditätskrise in eine Eigenkapitalkrise ausweiten, womit einerseits eine Insolvenzwelle und andererseits der Verkauf vieler Unternehmen weit unter dem tatsächlichen Wert droht.
Die Europäische Kommission befürchtet aufgrund der mit der Gesundheitskrise verbundenen Volatilität der Aktienmärkte und der Unterbewertung des europäischen Aktienmarktes ebenfalls einen Ausverkauf strategisch wichtiger europäischer Technologien und kritischer Infrastrukturen ins EU-Ausland. Sie fordert in den am 26.3.2020 veröffentlichten Leitlinien zur VO 2019/452 eine verstärkte Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen durch die Mitgliedstaaten. Ziel der Kommission ist es, insbesondere in Bereichen wie Gesundheit, medizinische Forschung, Biotechnologie und Infrastruktur Unternehmen und kritische Vermögenswerte, die für die Sicherheit und öffentliche Ordnung von wesentlicher Bedeutung sind, in der EU zu erhalten.
Corona-Rettungspaket ohne Kapitalbeteiligungsfonds
Während Deutschland mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) 100 Mrd. Euro für direkte Unternehmensbeteiligungen bis hin zu Übernahmen fix veranschlagt hat, um den Ausverkauf „deutscher Wirtschafts- und Industrieinteressen“ zu verhindern, fehlt hierzulande ein Bekenntnis zum Schutz österreichischer Schlüsselunternehmen. Selbst das konservativ geprägte Bayern stellt mit einem eigenen Fonds zusätzlich 20 Mrd. Euro zur Verfügung, um Know-how und Arbeitsplätze in Bayern zu halten und Übernahmen zu verhindern. Das österreichische Rettungspaket sieht hingegen keine Mittel für Kapitalbeteiligungen durch die öffentliche Hand vor. Dabei ist von zentraler Bedeutung, dass auch nach der Corona-Krise bedeutende zukunftsweisende, technologiestarke und dynamische Industrieunternehmen mit ihren Headquarters bzw. regionalen Verantwortungen in Österreich verankert sind. Durch die Einrichtung von Rettungsfonds – insbesondere unter dem Dach bestehender Institutionen wie der ÖBAG – sollten entsprechende Vorkehrungen für ein rasches Handeln getroffen werden.
Kapitalbeteiligungen durch die öffentliche Hand müssen allerdings an konkrete Bedingungen geknüpft werden. Diesbezüglich lohnt sich ebenfalls ein Blick nach Deutschland. Der deutsche Wirtschaftsstabilisierungsfonds sieht im Falle von Rekapitalisierungsmaßnahmen durch die öffentliche Hand klare Vorgaben in Bezug auf die Höhe von Organvergütungen, die Ausschüttung von Dividenden sowie die Verwendung der öffentlich bereitgestellten Mittel vor. So wurde im Haushaltsausschuss des Bundesrates festgelegt, dass Unternehmen bzw. Konzerne, die unter den öffentlichen „Rettungsschirm“ schlüpfen, für diese Zeit weder Dividenden ausschütten noch Boni, Aktienpakete oder sonstige Sonderzahlungen für die Vorstände der Unternehmen gewähren dürfen.
Legt man die deutschen Verhältnisse auf Österreich um, so hätte die Bundesregierung im Rahmen des Corona-Rettungspaketes rund 10 Mrd. Euro für direkte Unternehmensbeteiligungen einplanen müssen. Leider sind bislang hierfür keine Mittel vorgesehen.
Folgende Gesellschaften könnten einen Kapitalbeteiligungsfonds für etwaige direkte Unternehmensbeteiligungen durch die öffentliche Hand verwalten bzw. Unternehmen bei Sanierungen unterstützen:
Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG)
Mit der Umwandlung der Österreichischen Bundes- und Industriebeteiligungen GmbH (ÖBIB) in die Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) wurde die Rolle des Staates im Rahmen des aktiven Beteiligungsmanagements der ÖBAG deutlich aufgewertet. Gemäß § 7 Abs. 4 ÖIAG-Gesetz kann die ÖBAG Anteile an anderen Unternehmen, die für den Wirtschaftsstandort Österreich von besonderer Bedeutung sind, erwerben. Dafür ist allerdings ein Beschluss der Bundesregierung erforderlich, wobei eine Unterstützung seitens der Organe (Vorstand und Aufsichtsrat) der betreffenden Gesellschaft anzustreben ist. Im Gesetz ist überdies eine Wiederveräußerung der Anteile in angemessener Frist festgehalten.
Darüber hinaus hat die ÖBAG gemäß § 7 Abs. 5 die Möglichkeit, selbst oder über eine Tochtergesellschaft Minderheitsbeteiligungen an für den Standort relevanten Unternehmen einzugehen sowie solchen Unternehmen Kredite, Garantien und sonstige Finanzierungen zur Verfügung zu stellen.
Die ÖBAG verwaltet bereits jetzt die Kapitalbeteiligungen der öffentlichen Hand an den Unternehmen OMV, Telekom Austria, Post und Verbund, BIG und Casinos Austria. Ihre Konzentration liegt auf Schlüsselindustrien, die meisten Gesellschaften notieren zusätzlich an der Börse. Ein bei der ÖBAG angesiedelter Kapitalbeteiligungsfonds würde daher in dieser Krisensituation ein gut geeignetes Vehikel für größere – auch börsennotierte – österreichische Leitunternehmen darstellen. Ein Anteilserwerb bzw. eine direkte Beteiligung würde hier vor allem einen Schutz vor einem Ausverkauf dieser für Österreich bedeutenden Unternehmen an ausländische Investoren darstellen.
Austria Wirtschaftsservice GmbH (aws)
In Bezug auf kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) ist die aws die Förderbank des Bundes und verfügt über vielfältiges Know-how bei Finanzierungen (Zuschüsse, Haftungen, Kredite, Beteiligungen). Im Bereich von Gründungen und mittelständischen Wachstumsfinanzierungen werden im Rahmen verschiedener EU- und nationaler Programme bzw. Beauftragungen auch Beteiligungen eingegangen und in der Folge wieder abgegeben. Beispiele wären der aws-Gründerfonds, das Business-Angels-Programm oder der Mittelstandsfonds. In der derzeitigen Krise wurde die aws bereits mit der Abwicklung von Überbrückungsgarantien beauftragt.
Es wäre sinnvoll, das umfängliche Know-how der aws zu nützen, um hier einen Kapitalbeteiligungsfonds als Kriseninstrument speziell für KMUs, also Unternehmen unter 250 MitarbeiterInnen, einzurichten.
Abbaumanagementgesellschaft des Bundes (ABBAG)
Die ABBAG steht ebenfalls im Eigentum des Bundes und ist vor allem im Zusammenhang mit der Abwicklung und bestmöglichen Verwertung des Vermögens der Abbaugesellschaften insolventer Banken bekannt (KA Finanz AG vormals Kommunalkredit AG, Heta Asset Resolution AG vormals Hypo Alpe Adria International AG).
Der Aufgabenbereich der ABBAG wurde im COVID-19-Gesetz in Richtung finanzieller Unterstützung von Unternehmen erweitert, die aufgrund der durch die Corona-Pandemie verursachten wirtschaftlichen Auswirkungen in Schwierigkeiten kommen. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 des Gesetzes hat die ABBAG nun den Auftrag zur Erbringung von Dienstleistungen und zum Ergreifen von finanziellen Maßnahmen zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten solcher Unternehmen.
Man darf gespannt sein, mit welchen Aufgaben die ABBAG betraut wird. Doppelgleisigkeiten sind jedenfalls zu vermeiden. Als Abbaumanagementgesellschaft eignet sich die ABBAG allerdings weniger für Kapitalbeteiligungen bei grundsätzlich wirtschaftlich soliden Unternehmen. Für insolvenzgefährdete Unternehmen mit regionaler beschäftigungspolitischer und/oder strukturpolitischer Relevanz könnte die ABBAG hingegen die Rolle einer Auffanggesellschaft mit dem Ziel der Sanierung einnehmen. Ein Tätigwerden der ABBAG sollte zur Voraussetzung haben, dass das in seiner Existenz gefährdete Unternehmen über einen „sanierungsfähigen“ operativen Kern verfügt und ein gerichtliches oder außergerichtliches Sanierungsverfahren erfolglos blieb. Darüber hinaus ist eine wichtige Voraussetzung, dass die ABBAG über ein entsprechendes Krisenmanagement-Know-how verfügt und dieses auch einbringt.
Fazit
Das österreichische Corona-Rettungspaket zur Unternehmensförderung stellt im Wesentlichen eine Mischung aus Zuschüssen und Garantien dar. Im Gegensatz zu Deutschland ist kein Kapitalbeteiligungsfonds vorgesehen, um den Ausverkauf österreichischer Schlüsselunternehmen durch Direktbeteiligungen der öffentlichen Hand zu verhindern. Selbst die EU-Kommission verweist auf die Notwendigkeit, den Ausverkauf strategischer Technologien und Infrastrukturen hintanzuhalten. Österreich hat hier Handlungsbedarf. Als Gesamtbetrag des österreichischen Rettungspaketes sind bislang 38 Mrd. Euro für Hilfen durch die öffentliche Hand vorgesehen. Im Rahmen des COVID-3-Paketes sollte jedenfalls ein substanzieller Betrag für direkte Unternehmensbeteiligungen fix veranschlagt werden, um die österreichische Volkswirtschaft bestmöglich durch die Krise zu steuern.