Kapitalbeteiligungen der öffentlichen Hand als Kriseninstrument

02. April 2020

Die Corona-Krise hält die Welt in Atem. Die weltweitaufgelegten Rettungspakete übersteigen selbst die während der Finanzkrise 2008/09beschlossenen Maßnahmen. Auch Österreich hat ein 38 Mrd. Euro schweresHilfspaket geschnürt.

Während in einem ersten Schritt die Sicherstellung derLiquidität von Unternehmen und der Erhalt der Arbeitsplätze durch Maßnahmen wieKurzarbeit, Gewährung von Garantien für Überbrückungskredite, Stundung vonSteuern und Sozialversicherungsbeiträgen vorrangig sind, stellt sich in einemmittelfristigen Szenario die Frage nach dem Schutz strategisch wichtiger österreichischerUnternehmen vor wirtschaftspolitisch unerwünschten Unternehmensübernahmen.Einen Ausverkauf strategisch wichtiger Technologien und Infrastrukturen insAusland befürchtet auch die EU-Kommission. Sie legte daher Leitlinien für eineverstärkte Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen durch dieMitgliedstaaten vor.

Dieser Beitrag fordert eine aktive Rolle des Staates zumSchutz der österreichischen Volkswirtschaft ein – bis hin zum Erwerb vonKapitalbeteiligungen durch die öffentliche Hand.

Ein Blickzurück – die Finanzkrise 2008/09

In der Finanzkrise 2008/09 haben die EU, die USAund andere Staaten ihre Banken mit Milliardensummen gerettet. Dabei wurdenunterschiedliche Instrumente angewendet: Garantien, nachrangige Kredite,Partizipationskapital und auch Kapitalbeteiligungen. Nun – mehr als zehn Jahrenach der Krise – zeigt sich, dass Staaten, die verstärkt aufKapitalbeteiligungen setzten, finanziell deutlich besser abgeschnitten haben,weil die Kurse der Banken nach der Sanierung wieder gestiegen sind und dieBankbeteiligungen mit Gewinn reprivatisiert wurden. Allen voran die USA:Während in Europa darüber diskutiert wurde, ob Banken verstaatlicht werdendürfen, reagierte die Politik in den USA umgehend und rekapitalisierte vielewichtige Kreditinstitute über direkte Kapitalbeteiligungen. In der Krise erwarbdie US-Regierung auch Anteile an General Motors und Chrysler. IdeologischeDiskussionen wurden hintangestellt und Barack Obama konnte nach Überwindung derKrise vermelden: „Wir haben jeden Dime zurückgekriegt, den wir investiert haben.“Aber auch in Europa sind einige Länder mit einem Plus ausgestiegen, darunterDänemark, Frankreich, Schweden und Luxemburg.

Die Erfahrungen aus der Finanzkrise machendeutlich, dass ideologische Auseinandersetzungen in der Krise fehl am Platz sind,wenn es um die kurzfristige Rettung von Unternehmen oder die längerfristigeSicherung strategischen Eigentums geht. Aussagen wie „Staatsbeteiligungen sindnur die Ultima Ratio“ tragen daher wenig zur Krisenbewältigung bei – vielmehr brauchtes hier einen pragmatischen Zugang.

Corona-Krisewird Bilanzen rot einfärben

Das gegenwärtige Corona-Rettungspaket derBundesregierung ist von der Hoffnung geprägt, dass in ein paar Wochen dasSchlimmste überstanden ist und sich die Wirtschaft wieder zu normalisieren beginnt.Je länger die „Lockdown-Periode“ allerdings anhält – die Szenarien einzelner ExpertInnenreichen, abhängig vom Vorliegen eines Impfstoffs, bis zu einem Zeitrahmen von12 bis 18 Monaten –, umso notwendiger werden Kapitalisierungsmaßnahmen inUnternehmen werden. Auch wenn die gegenwärtigen Maßnahmen Arbeitsplätze undLiquidität in Unternehmen sicherstellen sollen, so wird es bei vielenUnternehmen zu länger andauernden massiven Umsatz- und Ertragseinbrüchenkommen. In manchen Bereichen ist der Umsatz aufgrund von Schließungsvorschriftenoder sinkender Nachfrage völlig zum Erliegen gekommen (z. B. Flugverkehr,Tourismus, Gaststätten, Handel, Bahn, Bus).

In anderen Bereichen wiederum (z. B.Industrie) könnte es schwierig werden, die weltweiten Wertschöpfungskettenaufrechtzuerhalten – sei es durch Lieferprobleme bei Vorprodukten oder seien esProbleme bei der Lieferung der eigenen Produkte an weiterverarbeitendeUnternehmen.

Die Jahresbilanzen für 2020 werden in vielenUnternehmen Verluste und damit einen Rückgang des Eigenkapitals aufweisen. MitFortdauer der Krise wird sich die aktuelle Liquiditätskrise in eine Eigenkapitalkriseausweiten, womit einerseits eine Insolvenzwelle und andererseits der Verkauf vielerUnternehmen weit unter dem tatsächlichen Wert droht.

Die Europäische Kommission befürchtet aufgrundder mit der Gesundheitskrise verbundenen Volatilität der Aktienmärkte und der Unterbewertungdes europäischen Aktienmarktes ebenfalls einen Ausverkauf strategisch wichtigereuropäischer Technologien und kritischer Infrastrukturen ins EU-Ausland. Sie fordertin den am 26.3.2020 veröffentlichten Leitlinien zur VO 2019/452 eine verstärkteKontrolle ausländischer Direktinvestitionen durch die Mitgliedstaaten. Ziel derKommission ist es, insbesondere in Bereichen wie Gesundheit, medizinischeForschung, Biotechnologie und Infrastruktur Unternehmen und kritischeVermögenswerte, die für die Sicherheit und öffentliche Ordnung von wesentlicherBedeutung sind, in der EU zu erhalten.

Corona-Rettungspaketohne Kapitalbeteiligungsfonds

Während Deutschland mit demWirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) 100 Mrd. Euro für direkteUnternehmensbeteiligungen bis hin zu Übernahmen fix veranschlagt hat, um denAusverkauf „deutscher Wirtschafts- und Industrieinteressen“ zu verhindern, fehlthierzulande ein Bekenntnis zum Schutz österreichischer Schlüsselunternehmen.Selbst das konservativ geprägte Bayern stellt mit einem eigenen Fonds zusätzlich20 Mrd. Euro zur Verfügung, um Know-how und Arbeitsplätze in Bayern zu haltenund Übernahmen zu verhindern. Das österreichische Rettungspaket sieht hingegen keineMittel für Kapitalbeteiligungen durch die öffentliche Hand vor. Dabei ist vonzentraler Bedeutung, dass auch nach der Corona-Krise bedeutendezukunftsweisende, technologiestarke und dynamische Industrieunternehmen mit ihrenHeadquarters bzw. regionalen Verantwortungen in Österreich verankert sind. Durchdie Einrichtung von Rettungsfonds – insbesondere unter dem Dach bestehenderInstitutionen wie der ÖBAG – sollten entsprechende Vorkehrungen für ein raschesHandeln getroffen werden.

Kapitalbeteiligungen durch die öffentliche Handmüssen allerdings an konkrete Bedingungen geknüpft werden. Diesbezüglich lohntsich ebenfalls ein Blick nach Deutschland. Der deutsche Wirtschaftsstabilisierungsfondssieht im Falle von Rekapitalisierungsmaßnahmen durch die öffentliche Hand klareVorgaben in Bezug auf die Höhe von Organvergütungen, die Ausschüttung vonDividenden sowie die Verwendung der öffentlich bereitgestellten Mittel vor. Sowurde im Haushaltsausschuss des Bundesrates festgelegt, dass Unternehmen bzw.Konzerne, die unter den öffentlichen „Rettungsschirm“ schlüpfen, für diese Zeitweder Dividenden ausschütten noch Boni, Aktienpakete oder sonstigeSonderzahlungen für die Vorstände der Unternehmen gewähren dürfen.

Legt man die deutschen Verhältnisse aufÖsterreich um, so hätte die Bundesregierung im Rahmen desCorona-Rettungspaketes rund 10 Mrd. Euro für direkte Unternehmensbeteiligungeneinplanen müssen. Leider sind bislang hierfür keine Mittel vorgesehen.

Folgende Gesellschaften könnten einen Kapitalbeteiligungsfondsfür etwaige direkte Unternehmensbeteiligungen durch die öffentliche Hand verwaltenbzw. Unternehmen bei Sanierungen unterstützen:

ÖsterreichischeBeteiligungs AG (ÖBAG)

Mit der Umwandlung der Österreichischen Bundes-und Industriebeteiligungen GmbH (ÖBIB) in die Österreichische Beteiligungs AG(ÖBAG) wurde die Rolle des Staates im Rahmen des aktiven Beteiligungsmanagementsder ÖBAG deutlich aufgewertet. Gemäß § 7 Abs. 4 ÖIAG-Gesetz kann die ÖBAGAnteile an anderen Unternehmen, die für den Wirtschaftsstandort Österreich vonbesonderer Bedeutung sind, erwerben. Dafür ist allerdings ein Beschluss derBundesregierung erforderlich, wobei eine Unterstützung seitens der Organe(Vorstand und Aufsichtsrat) der betreffenden Gesellschaft anzustreben ist. ImGesetz ist überdies eine Wiederveräußerung der Anteile in angemessener Fristfestgehalten.

Darüber hinaus hat die ÖBAG gemäß § 7 Abs. 5 dieMöglichkeit, selbst oder über eine Tochtergesellschaft Minderheitsbeteiligungenan für den Standort relevanten Unternehmen einzugehen sowie solchen UnternehmenKredite, Garantien und sonstige Finanzierungen zur Verfügung zu stellen.

Die ÖBAG verwaltet bereits jetzt die Kapitalbeteiligungender öffentlichen Hand an den Unternehmen OMV, Telekom Austria, Post undVerbund, BIG und Casinos Austria. Ihre Konzentration liegt aufSchlüsselindustrien, die meisten Gesellschaften notieren zusätzlich an derBörse. Ein bei der ÖBAG angesiedelter Kapitalbeteiligungsfonds würde daher indieser Krisensituation ein gut geeignetes Vehikel für größere – auchbörsennotierte – österreichische Leitunternehmen darstellen. Ein Anteilserwerbbzw. eine direkte Beteiligung würde hier vor allem einen Schutz vor einemAusverkauf dieser für Österreich bedeutenden Unternehmen an ausländischeInvestoren darstellen.

AustriaWirtschaftsservice GmbH (aws)

In Bezug auf kleine und mittlere Unternehmen (KMUs)ist die aws die Förderbank des Bundes und verfügt über vielfältiges Know-how beiFinanzierungen (Zuschüsse, Haftungen, Kredite, Beteiligungen). Im Bereich vonGründungen und mittelständischen Wachstumsfinanzierungen werden im Rahmenverschiedener EU- und nationaler Programme bzw. Beauftragungen auchBeteiligungen eingegangen und in der Folge wieder abgegeben. Beispiele wärender aws-Gründerfonds, das Business-Angels-Programm oder der Mittelstandsfonds.In der derzeitigen Krise wurde die aws bereits mit der Abwicklung vonÜberbrückungsgarantien beauftragt.

Es wäre sinnvoll, das umfängliche Know-how deraws zu nützen, um hier einen Kapitalbeteiligungsfonds als Kriseninstrument speziellfür KMUs, also Unternehmen unter 250 MitarbeiterInnen, einzurichten.

Abbaumanagementgesellschaftdes Bundes (ABBAG)

Die ABBAG steht ebenfalls im Eigentum des Bundesund ist vor allem im Zusammenhang mit der Abwicklung und bestmöglichenVerwertung des Vermögens der Abbaugesellschaften insolventer Banken bekannt (KAFinanz AG vormals Kommunalkredit AG, Heta Asset Resolution AG vormals Hypo AlpeAdria International AG).

Der Aufgabenbereich der ABBAG wurde im COVID-19-Gesetzin Richtung finanzieller Unterstützung von Unternehmen erweitert, die aufgrund der durch die Corona-Pandemie verursachtenwirtschaftlichen Auswirkungen in Schwierigkeiten kommen. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 3des Gesetzes hat die ABBAG nun den Auftrag zur Erbringung von Dienstleistungenund zum Ergreifen von finanziellen Maßnahmen zur Erhaltung derZahlungsfähigkeit und Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten solcherUnternehmen.

Man darf gespannt sein, mit welchen Aufgaben dieABBAG betraut wird. Doppelgleisigkeiten sind jedenfalls zu vermeiden. AlsAbbaumanagementgesellschaft eignet sich die ABBAG allerdings weniger fürKapitalbeteiligungen bei grundsätzlich wirtschaftlich soliden Unternehmen. Für insolvenzgefährdeteUnternehmen mit regionaler beschäftigungspolitischer und/oderstrukturpolitischer Relevanz könnte die ABBAG hingegen die Rolle einer Auffanggesellschaftmit dem Ziel der Sanierung einnehmen. Ein Tätigwerden der ABBAG sollte zurVoraussetzung haben, dass das in seiner Existenz gefährdete Unternehmen übereinen „sanierungsfähigen“ operativen Kern verfügt und ein gerichtliches oderaußergerichtliches Sanierungsverfahren erfolglos blieb. Darüber hinaus ist einewichtige Voraussetzung, dass die ABBAG über ein entsprechendes Krisenmanagement-Know-howverfügt und dieses auch einbringt.

Fazit

Das österreichische Corona-Rettungspaket zur Unternehmensförderung stellt im Wesentlichen eine Mischung aus Zuschüssen und Garantien dar. Im Gegensatz zu Deutschland ist kein Kapitalbeteiligungsfonds vorgesehen, um den Ausverkauf österreichischer Schlüsselunternehmen durch Direktbeteiligungen der öffentlichen Hand zu verhindern. Selbst die EU-Kommission verweist auf die Notwendigkeit, den Ausverkauf strategischer Technologien und Infrastrukturen hintanzuhalten. Österreich hat hier Handlungsbedarf. Als Gesamtbetrag des österreichischen Rettungspaketes sind bislang 38 Mrd. Euro für Hilfen durch die öffentliche Hand vorgesehen. Im Rahmen des COVID-3-Paketes sollte jedenfalls ein substanzieller Betrag für direkte Unternehmensbeteiligungen fix veranschlagt werden, um die österreichische Volkswirtschaft bestmöglich durch die Krise zu steuern.

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