Investitionen in den Öffentlichen Verkehr als Element einer sozial-ökologischen Erneuerung

03. November 2016

Ein flächendeckendes, qualitativ hochwertiges Angebot im öffentlichen Verkehr, das den Ausstieg aus der fossilen Energie ermöglicht und erleichtert, ist ein zentrales Element eines nachhaltigen Verkehrssystems. Neben der Verwirklichung eines österreichweiten integrierten Taktverkehrssystems und des geplanten Ausbaus der Schieneninfrastruktur sowie der städtischen ÖV-Systeme muss auch die Umsteigeinfrastruktur (Bahnhöfe und Haltestellen, Bike & Ride, Park & Ride; Informationssysteme) kundenfreundlich und barrierefrei ausgebaut werden. Investitionen in das Radwegenetz und eine fußgängerfreundliche Gestaltung von öffentlichen Verkehrsflächen sind ebenfalls geeignet, zu den Zielen Klimaschutz und Beschäftigung einen positiven, nicht vernachlässigbaren Beitrag zu leisten. In den kommenden Jahren wird es darum gehen, die wirtschaftlichen und sozialen Chancen für einen Ausstieg aus der fossilen Energie im Verkehrsbereich intensiv und aktiv zu nutzen.

 

Mobilität und Verkehrsinfrastruktur

Wer nicht mobil ist, kann am sozialen und öffentlichen Leben kaum teilnehmen. Neben der Frage der Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes geht es auch um die Befriedigung der materiellen und sozialen Bedürfnisse, um Nahversorgung, Bildung, Erholung und um Lebensqualität. Mobilität ist kein Selbstzweck, sondern Mittel zur Erfüllung dahinter liegender Grundbedürfnisse. In einer Gesellschaft, die Chancengleichheit und Verteilungsgerechtigkeit anstrebt, stellt die Sicherstellung einer ausreichenden Mobilität ein wichtiges Element der Daseinsvorsorge dar. Sie entscheidet darüber, ob und in welchem Umfang man am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann.

Welchen Anforderungen eine „zukunftsfähige“ Verkehrsinfrastruktur genügen sollte, hängt aber nicht nur von Mobilitätsbedürfnissen, sondern auch von politischen Rahmenbedingungen wie etwa den Klima- und Energiezielen bzw. dem Ziel einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung ab. Dabei können Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und insbesondere in den Umweltverbund – ÖV, Fuß- und Radverkehr – auch zur Stabilisierung der Beschäftigung einen wesentlichen Beitrag leisten.

Wachsende Bevölkerung in den städtischen Regionen

Österreichs Bevölkerung wächst, aber das Wachstum zeigt starke regionale Unterschiede. Das stärkste Wachstum findet sich aktuell – und auch in den Prognosen bis 2030 – in Wien und in der Ostregion sowie in den Bundesländern Tirol und Vorarlberg. Während die Landeshauptstädte insgesamt wachsen, dünnen periphere, ländliche Regionen vor allem im Süden Österreichs und inneralpine Regionen aus. In Österreich leben 65 % der Bevölkerung in Ballungsräumen. In Summe befinden sich 71 % aller Arbeitsplätze in diesen Gebieten.

Ein zweiter Trend, der sich auf die Mobilitätsbedürfnisse auswirkt, ist die Alterung der Gesellschaft. In den Ballungsräumen nahm zwischen 2002 und 2011 das Durchschnittsalter um 1,3 Jahre zu, in der Peripherie sogar um 2,8 Jahre. Österreichweit steigt die Zahl der Bevölkerung im Alter von 65 und mehr Jahren bis zum Jahr 2030 um 37% an.

Daraus ergeben sich unterschiedliche Herausforderungen für den öffentlichen Verkehr und die Verkehrsinfrastruktur. Während in den Ballungsräumen die teilweise schon jetzt überlastete Infrastruktur und das Angebot an öffentlichen – und vor allem barrierefreien – Verkehrsdiensten weiter ausgebaut werden muss, stellt sich für periphere Regionen mit einer alternden Bevölkerung die schwierige Frage, wie hier ein finanzierbares öffentliches Verkehrsangebot überhaupt erst entwickelt und zur Verfügung gestellt werden kann. Neue Formen des Micro-ÖV und der Elektromobilität im ländlichen Raum sind ein positiver Ansatz, wenn sie auch zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region genutzt werden. Auch dazu braucht es jedoch die entsprechende materielle und immaterielle Infrastruktur.

Leistbarkeit und soziale Aspekte

Die Ausgaben für Verkehr und Mobilität spielen für die österreichischen Haushalte eine große Rolle. Laut Konsumerhebung 2014/15 von Statistik Austria stellen die Mobilitätskosten nach den Ausgaben für Wohnen und Energie (26,1%) mit 14,2% den zweitgrößten Ausgabenposten dar, wobei für den Öffentlichen Verkehr im Schnitt nur 0,8%, für den Kfz-Verkehr jedoch 13,3% ausgegeben werden.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Die aktuellen Verkehrsausgaben der Haushalte sind stark von der Bevölkerungsdichte abhängig. In ländlichen Regionen (mit bis zu 10.000 Einwohnern) gibt ein durchschnittlicher Haushalt für sein(e) Kraftfahrzeug(e) monatlich etwa 545 Euro, für den öffentlichen Verkehr nur 15 Euro aus, in Wien hingegen nur 270 Euro fürs Kfz und 41 Euro für den öffentlichen Verkehr.

Ein wesentlicher Faktor für eine geringere Belastung mit Mobilitätsausgaben ist daher ein gut ausgebautes Netz an Öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Konsumerhebung zeigt auch ganz deutlich, dass der Besitz eines Pkw sehr stark mit dem Einkommen zusammenhängt. Während bei den Haushalten mit den niedrigsten Einkommen rund 40% kein Kraftfahrzeug besitzen, sind es im Quartil mit den höchsten Einkommen nur 11%. Beim Besitz einer Jahreskarte gibt es hingegen kaum Unterschiede zwischen den Einkommensgruppen. Dies zeigt ganz klar, dass die größte Herausforderung für den Ausstieg aus der fossilen Energie darin liegt, der Bevölkerung in den ländlichen Regionen Österreichs leistbare und attraktive Angebote zum Umstieg auf den öffentlichen Verkehr zu bieten, die keine negativen verteilungspolitischen Effekte haben und die Abwanderung nicht zusätzlich verstärken.

Öffentlicher Verkehr als ökologische Form der Mobilität

Dass abgesehen vom Rad- und Fußverkehr die unterschiedlichsten Formen des öffentlichen Verkehrs aus umweltpolitischer Sicht eindeutig besser abschneiden, lässt sich auf unterschiedliche Arten belegen (Verursachung externer Kosten, Treibhausgasemissionen etc.). Eine mögliche Darstellungsform bezieht sich auf die Energieeffizienz der verschiedenen Verkehrsarten im Personenverkehr, wobei der Energieverbrauch pro Personenkilometer herangezogen wird. Laut Umweltbundesamt benötigen die öffentlichen Verkehrsmittel U-Bahn, Straßenbahn, Bus und Zug 0,02 bis 0,19 kWh pro Personenkilometer. Der PKW ist mit einem Energieverbrauch von durchschnittlich 0,56 kWh pro Personenkilometer das energetisch ineffizienteste Verkehrsmittel.

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Öffentlicher Verkehr und Beschäftigung

Die soziale Nachhaltigkeit des öffentlichen Verkehrs hängt nicht nur davon ab, ob es gelingt, die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen leistbar und flächendeckend zu erfüllen, sondern letztlich auch davon, welche und wie viele Jobs der öffentliche Verkehr bietet. Insgesamt beschäftigt der öffentliche Verkehr derzeit rund 90.000 Menschen. Gemeinsam mit den Investitionen in Infrastruktur und Fahrzeuge sichert der Öffentliche Verkehr in Österreich rund 170.000 Arbeitsplätze.

Problematisch ist jedoch der steigende Druck auf die Arbeitsbedingungen und Löhne, der vor allem aus der Liberalisierung des Verkehrssektors resultiert. Seit der Pflicht zu wettbewerblichen Ausschreibungen im öffentlichen Busverkehr ist klar erkennbar, dass der Wettbewerb fast ausschließlich über die Lohnkosten geführt wird. Dies führt zu sinkenden Löhnen, schlechteren Arbeitsbedingungen und Arbeitsverdichtung. Die Bemühungen der Gewerkschaften und der Arbeiterkammer zur Verankerung verpflichtender Sozialkriterien bei Ausschreibungen oder zu einer Regelung des Personalübergangs, bei dem Einkommen und Rechte der Beschäftigten auch bei Betreiberwechsel erhalten bleiben, waren bisher – trotz Unterstützung durch die Arbeitgeber der Busbranche – von wenig Erfolg gekrönt. Die Besteller des öffentlichen Verkehrs – vor allem die Länder – setzen auf Kostenreduktion und scheuen nachhaltige Vergaben.

Investitionen in den öffentlichen Verkehr als Konjunktur- und Jobmotor

Zunächst ist es wichtig, die direkten Beschäftigungseffekte eines flächendeckenden, attraktiven ÖV mit einem integrierten, aufeinander abgestimmten Taktsystem zu sehen. Stark wachsende Fahrgastzahlen rund um die Ballungszentren, Netzergänzungen und neue Micro-ÖV-Systeme in peripheren Regionen, bessere Kundeninformation und –betreuung erfordert mehr und gut geschulte Beschäftigte im öffentlichen Verkehr. Klar ist, dass deutlich mehr öffentlicher Verkehr mit weniger Personal und schlechten Arbeitsbedingungen nicht gehen wird.

Wie viele zusätzliche Arbeitsplätze nötig sind, ist schwer abzuschätzen. Vorsichtige Schätzungen rechnen allein aufgrund des Bevölkerungswachstums in der Ostregion und einer Fortschreibung der bisherigen Fahrgastzuwächse mit einer Steigerung des Passagieraufkommens von rund 20% bis 2030. Dabei sind noch keine stärkeren Veränderungen des Mobilitätsverhaltens einberechnet. Auch wenn dies nur grob die Richtung vorgeben kann, würde eine Steigerung der Beschäftigten um 20% im selben Zeitraum 18.000 Jobs mehr im Öffentlichen Verkehr bedeuten.

Die Beschäftigungswirkung von Investitionen im Bereich der nachhaltigen Mobilität kann ein wesentliches, unterstützendes Element für einen sozial-ökologischen Umbau darstellen. Infrastrukturmaßnahmen für den nicht-motorisierten Verkehr (Fußgängerzonen, Radwege, Verkehrsberuhigung) weisen bis zu doppelt so hohe Beschäftigungseffekte auf wie der Autobahnbau, und auch Investitionen in die Bahn und in die städtische Nahverkehrsinfrastruktur liegen deutlich darüber.

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Quelle: Haller, Reinhard: Beschäftigungseffekte von Verkehrsinfrastruktur-Investitionen, Diplomarbeit 2005; eigene Zusammenstellung

Verkehrsvermeidende Infrastruktur und Elektromobilität

Abschließend sind noch zwei Punkte festzuhalten: Die umweltverträglichste Form der Mobilität ist jene, die mit kurzen Wegen auskommt. Dies wird am besten durch Verkehr vermeidende Raumplanung und Infrastrukturen erreicht. Auch diese Investitionen schaffen deutlich mehr Arbeitsplätze als jene im Straßenbau. Und ein zweiter Aspekt: Die Förderung der Elektromobilität erfordert Investitionen – sowohl im Bereich der Forschung und Entwicklung, als auch im Bereich der Infrastruktur. Auch hier kann zukunftsfähige Mobilität Beschäftigungseffekte generieren.