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Die größte Differenz zwischen der Zufriedenheit in Gastronomieberufen (60,2 Prozent) und anderen Berufen (72 Prozent) betrifft die Arbeitszeitregelung. Die im Gastronomie- und Tourismusbereich üblichen Arbeitszeiten mit häufigen Nacht- bzw. Wochenenddiensten erschweren die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Die vom Gesetzgeber vor wenigen Jahren eingeführte Möglichkeit, die tägliche Ruhezeit auf acht Stunden zu verkürzen, beeinträchtigt im Lauf der Zeit zunehmend die Gesundheit.
Noch schwerwiegender als die Lage der Arbeitszeiten kommt allerdings die Verlässlichkeit von Dienstplänen bzw. die überhaupt fehlende Planbarkeit von Dienstzeiten für die Beschäftigten zum Tragen. Beklagt wird von den Beschäftigten maximale geforderte Flexibilität und oft kurzfristig angeordnete Mehrarbeit, die nicht selten mit einer Ruhezeitenverletzung einhergeht und oft nicht in Zeitausgleich oder Entgelt abgedeckt wird. Eine der problematischsten Praktiken der Branche, mit der die Rechtsberatung der Arbeiterkammer häufig konfrontiert ist, sind grundsätzlich unzureichende oder gänzlich fehlende Arbeitszeitaufzeichnungen.
Arbeitsplatzsicherheit und berufliche Planbarkeit schwierig
Schwerwiegend ist für die Beschäftigten die oft fehlende mittel- bis längerfristige Planbarkeit: Fast drei von zehn Beschäftigten in Gastronomieberufen schätzen laut Arbeitsklima Index ihren Arbeitsplatz als ziemlich oder sehr unsicher ein. Die Arbeitsplatzunsicherheit ist somit mehr als doppelt so hoch als in anderen Berufen. Von unregelmäßigem Einkommen belastet fühlen sich eineinhalbmal so viele als in anderen Berufen, was mit der hohen Anzahl an Saisonjobs im Tourismus zusammenhängt. So hatten Österreichs Beschäftigte laut ÖGK-Beitragsgrundlagenstatistik an 296 Tagen im Jahr 2020 ein Beschäftigungsverhältnis, für die Tourismus-Beschäftigten waren es lediglich 198 Versicherungstage, also beinahe um 100 Tage weniger.
Das verdeutlicht die instabilen, kurzen Beschäftigungsverhältnisse, die „regelmäßig“ von Zeiten der Arbeitslosigkeit unterbrochen werden, in denen das Einkommen drastisch absackt. Zudem wirken sich längere bzw. wiederholte Arbeitslosigkeitsphasen auch negativ auf die spätere Pensionshöhe aus, da diese Zeiten nur mit niedrigen Bemessungsgrundlagen berücksichtigt werden. Im Jahresdurchschnitt 2021 waren in Oberösterreich 14,7 Prozent der Gastronomiebeschäftigten arbeitslos. Damit war die Arbeitslosenquote der Branche fast dreimal so hoch wie in der Gesamtwirtschaft (fünf Prozent).
Die Unsicherheit hat sich seit dem Beginn der Corona-Krise verschärft. Rund 100.00 Beschäftigte aus der Branche verloren zu Beginn der Krise ihren Job. Einige haben den schon vor der Pandemie als unsicher geltenden Bereich in Richtung attraktiverer Branchen verlassen. Immer häufiger klagen in Medienberichten nun Gastronomen/-innen und Hoteliers, dass aufgrund der Corona-Krise der „Fachkräftemangel“ massiv zunehme. Tatsächlich hat das Beschäftigungsniveau in dieser Branche das Vorkrisenniveau allerdings bereits überschritten, was die von der Arbeitgeberseite hochgespielte Erzählung als Rekrutierungsproblematik einzelner Betriebe, die schon vor der Pandemie bestand, entlarvt. Im Juli 2019 waren 243.789 Personen in der Österreich unselbstständig in der Gastronomie und Beherbergung beschäftigt, im Juli 2022 lag die Beschäftigung bei 245.265 Personen.
Höchste Quote der Lehrabbrüche von allen Branchen
Der Berufseinstieg in diese Branche stellt sich in der Realität weitaus weniger problematisch dar, als gemeinhin von den Wirtinnen und Wirten beklagt. Die Relation von Lehranfängern/-innen zu Beschäftigten ist im Bereich der Gastronomie und Hotellerie vergleichsweise hoch, nämlich eineinhalbmal so hoch wie in anderen Branchen. Sich bei Lehrlingen und Praktikanten/-innen als attraktive Branche mit Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung zu positionieren und potenzielle zukünftige Mitarbeiter/-innen zu binden, wird allerdings von vielen Betrieben verabsäumt. Im Gegenteil: gerade Praktikanten/-innen und Lehrlinge fühlen sich von den Arbeitgebern/-innen häufig ausgebeutet und schließen aufgrund der negativen Erfahrungen im Praktikum oft eine Berufslaufbahn in der Gastronomie dezidiert aus. Auffällig ist die hohe Quote der Lehrabbrüche in dieser Branche. Im Lehrberuf Restaurantfachmann/-frau lag die Quote vorzeitiger Lehrabbrüche bei rund 34 Prozent. Inklusive negativen und nicht angetretenen Lehrabschlussprüfungen lag die Drop-Out-Quote im Durchschnitt 2018-2020 bei 51 Prozent.
Personal nicht nur bekommen, sondern auch halten
Derzeit wünschen sich mehr als 22 Prozent der Beschäftigten in diesem Bereich einen vollständigen Wechsel des Berufes, das sind fast doppelt so viele wie in anderen Berufen (12,7 Prozent). Nicht die Anwerbung neuer Arbeitskräfte, sondern das Halten bestehender Arbeitskräfte sollte bei den Arbeitgebern/-innen vermehrt in den Fokus rücken. Dafür braucht es neben fairen, gesund und zufrieden haltenden Arbeitsbedingungen auch Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung. Derzeit macht die Branche allerdings ihrem Sackgassenimage, in dem man kaum Aufstiegschancen oder Chancen zur beruflichen Weiterentwicklung vorfindet, alle Ehre: Beförderungsmöglichkeiten sind laut österreichischem Arbeitsklimaindex in anderen Berufen dreimal so häufig wie in Gastronomieberufen, Angebote zur betrieblichen Weiterbildung und Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung mehr als doppelt so häufig.
Fazit: Neupositionierung der Branche dringend nötig
Anstatt nach ernsthaften Lösungen zu suchen und sich zu bemühen, sich als einzelne Unternehmen und als ganze Branche am Arbeitskräftemarkt attraktiver in Position zu bringen, ruht sich die Gastronomie- und Tourismusbranche am Dogma eines ‚flächendeckenden, branchenübergreifenden „Fachkräftemangels“‘ aus. Vielmehr noch gibt man vor, als Paradebranche davon in besonderem Ausmaß und unverschuldet betroffen zu sein. Von den Rekrutierungsproblemen unattraktiver Betriebe auf einen generellen Fachkräftemangel zu schließen, ist allerdings falsch und verzerrt die Diskussion.
Ein nachhaltiger Strukturwandel in der Branche wäre dringend notwendig. Die wichtigsten Zutaten am Weg zur Zukunftsbranche sind faire, gesund und zufriedenhaltende Arbeitsbedingungen, Entwicklungsmöglichkeiten und längerfristige Perspektiven, eine angemessene Bezahlung und innovative Überlegungen zur Attraktivierung des Bereichs.
Einige weitere Vorschläge, die dringend angegangen werden sollten:
- Die 2018 erfolgten Gesetzesänderungen im Arbeitszeitgesetz und Arbeitsruhegesetz – insbesondere die vereinfachte Möglichkeit im Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe die tägliche Ruhezeit von zwölf auf acht Stunden zu verkürzen – sind zurückzunehmen und unter Einbindung der Sozialpartner/-innen neu zu gestalten.
- Keine Vermittlung des AMS in Betriebe mit systematischen Arbeitsrechtsverletzungen oder Anzeigen beim Arbeitsinspektorat.
- Unternehmen sollen im ersten Monat der Arbeitslosigkeit die Kosten für das Arbeitslosengeld übernehmen. Damit kann der Praxis des kurzfristigen Kündigens und Wiedereinstellens („Zwischenparken beim AMS“) entgegengewirkt und Anreize für längere Beschäftigungsverhältnisse geschaffen werden.
- Verbesserung der Existenzsicherung bei Arbeitslosigkeit durch Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent
- Qualitätssicherung in der dualen Lehrausbildung. Bei der betrieblichen Lehrstellenförderung weg vom Gießkannenprinzip hin zur Förderung von Betrieben, die sozial benachteiligten Jugendlichen eine Chance geben, niedrige Lehrabbruchsquoten haben und qualitätsvoll ausbilden.
- Beschäftigung im Tourismus darf keine berufliche Sackgasse sein: das AMS muss Wünsche von Arbeitsuchenden nach einem Berufs-/Branchenwechsel ernst nehmen und unterstützen, dann werden diese auch eher bereit sein, Tourismusjobs als „Zwischenlösung“ anzunehmen. Ein Wechsel muss akzeptiert werden, bevor dauerhafte gesundheitliche Probleme entstanden sind bzw. wenn sich die familiäre Situation grundlegend verändert hat.
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