Privatstiftungen: Keine Rede von Gemeinnützigkeit

07. Juni 2016

Von der Österreichischen Nationalbank veröffentlichte Daten lassen erstmals einen Einblick in die Verteilung des Vermögens österreichischer Privatstiftungen zu. Auch bei Privatstiftungen gilt: wenige haben extrem viel Vermögen. Seit 1995 hat sich das Vermögen der ca. 3220 Privatstiftungen verzehnfacht, diese verfügten 2014 über 55 Milliarden Euro. Etwa ein Drittel davon ist in Immobilien veranlagt, der Rest überwiegend in Unternehmensbeteiligungen.

Die Daten basieren auf der Finanzierungsrechnung (1995-2014), aus der sich die finanziellen Sektorkonten ableiten. Diese geben wiederum Aufschluss über die Flüsse und Bestände der finanziellen Investitionen der einzelnen Sektoren. Üblicherweise wird das Immobilien- und Finanzvermögen der Privatstiftungen im Rahmen der Finanzierungsrechnung dem Sektor Private Haushalte zugerechnet. Schlüssig, denn die in der Stiftungsurkunde festgelegten Begünstigen von Stiftungen sind Privatpersonen, die dahinterstehende Stiftung lediglich ein juristisches Konstrukt zur Vermögensverwaltung.

Zuwendungen an Stiftungen können in der Form von Bargeld, Unternehmensbeteiligungen, Immobilien oder Sachvermögen, wie etwa Kunstgegenstände, erfolgen. Dem Standard gab Christoph Kraus vom Privatstiftungsverband jedoch den Tipp, dass sich die Gründung einer Privatstiftung erst ab 30 Millionen Euro lohnt.

Stiftungsvermögen in Österreich (1995 – 2014)

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Quelle: OeNB, Monetary Policy and the Economy Q4/15

Der rechtliche Rahmen zur Gründung von rein eigennützigen Privatstiftungen wurde in Österreich 1993 unter SPÖ-Finanzminister Ferdinand Lacina mit dem Privatstiftungsgesetz geschaffen, etwa zeitgleich mit der Abschaffung der letzten Reste der Vermögenssteuer. Ziel der Regierung war die Etablierung eines Konstrukts, das große Familienvermögen im Erbschaftsfall vor der Zersplitterung schützen sollte.

Außerdem wollte man Anreize für die Veranlagung ausländischen Vermögens in Österreich schaffen und dem Abfluss österreichischen Vermögens in ausländische Stiftungen entgegen wirken. Als entscheidender Unterscheid zu anderen europäischen Stiftungsrechten muss eine österreichische Privatstiftung keinen gemeinnützigen Zweck aufweisen. Faktisch wurde mit dem Privatstiftungsgesetz ein Vehikel zur eigennützigen Veranlagung und Verwaltung von Vermögensbeständen geschaffen, das besonders bis Anfang der 2010er mit zahlreichen Steuerprivilegien ausgestattet war.

Anfangs spielten Privatstiftungen in den finanziellen Sektorkonten noch eine marginale Rolle. Nach der Gründungsphase hat sich, wie die Grafik zeigt, das von Privatstiftungen gehaltene Vermögen in den letzten 10 Jahren verdoppelt. 2004 waren 26 Mrd. Euro in Stiftungen gebunkert, bis 2014 ist der Betrag auf 55 Mrd. Euro angewachsen. Das entspricht 2,2 % der in Österreich verwalteten finanziellen Ansprüche.

Privatstiftungen sind mitnichten reines Finanzvermögen – das berühmte scheue Reh – sondern durchaus reines Sachvermögen, wie die Daten der Nationalbank zeigen: etwa ein Drittel des Stiftungsvermögens ist in Immobilien investiert, der andere Teil ist überwiegend in Unternehmensbeteiligungen veranlagt. Bezüglich der von Privatstiftungen gehaltenen Unternehmensbeteiligungen zeigt eine Auswertung der AK Oberösterreich, dass 47 der 250 umsatzstärksten österreichischen Industriebetriebe zumindest teilweise im Eigentum von Privatstiftungen stehen.

Dem Zuwachs des Stiftungsvermögens konnten weder die Finanzkrise, die einen leichten Rückgang der Vermögensbestände mit sich brachte, noch der vom Stiftungsverband regelmäßig beklagte, kontinuierliche Abbau von Steuerprivilegien Schranken setzen. Bemerkenswert ist, dass die Anzahl der Stiftungen laut Stiftungsverband seit 2012 sinkt und heute unter dem Niveau von 2009 liegt. Folglich konzentrierte sich 2014 ein in Summe größeres Vermögen auf weniger Stiftungen als noch 2009.

Auch bei Privatstiftungen gilt: wenige haben extrem viel Vermögen

Über die Verteilung des Stiftungsvermögens war, abseits von Vermutungen, bis zur Veröffentlichung der Nationalbankstudie nichts öffentlich bekannt. Erstmals in der Geschichte der österreichischen Privatstiftungen liegen Zahlen über die Verteilung des Stiftungsvermögens vor: im Jahr 2010 verfügten die obersten 10 Prozent der Stiftungen über 80 % der direkten Unternehmensbeteiligungen, das oberste Prozent gar über 41 Prozent. Eine Schieflage, die jener der Nettovermögensverteilung ähnelt.

In Österreich ist ein Vermögen von 55 Mrd. Euro also auf 3220 Privatstiftungen konzentriert. Das ergibt ein Durchschnittsvermögen von 17 Millionen Euro pro Stiftung. Zur Illustration: Das durchschnittliche Nettovermögen der österreichischen Privathaushalte liegt bei unter 300.000 Euro, das Medianvermögen bei 76.000 Euro.

Bemerkenswert ist, dass die Zahlen der OeNB von jenen der Stiftungslobby abweichen. Der Verband der Österreichischen Privatstiftungen gibt an, dass ein Drittel mehr (rund 70 Milliarden Euro) in Stiftungen geparkt ist. Die Unterschiede sind auf verschiedene Bewertungsmethoden zurückzuführen: Die Nationalbank bewertet Unternehmensbeteiligungen zu den niedrigeren Buchwerten, die Schätzung des Verbandes basiert auf Marktwerten.

Keine Rede von Gemeinnützigkeit

Stiftungen werden häufig mit dem Begriff der Gemeinnützigkeit assoziiert. Das ist irreführend. Die Idee hinter dem Privatstiftungsgesetz 1993 war, Vermögen einer eigennützigen Privatstiftung zuwenden zu können. Jedoch verfolgen laut einer Studie der WU Wien aus dem Jahr 2010 lediglich gut 5 Prozent der Privatstiftungen (200 von über 3200) tatsächlich einen gemeinnützigen Zweck.

Dass der Aspekt der Gemeinnützigkeit nicht der ausschlaggebende Aspekt zur Stiftung von Vermögen ist, sondern der Erhalt des Familienvermögens und andere Vorteile, wird selbst auf der Homepage des Stiftungsverbandes betont. Obwohl der Stiftungsverband versucht, steuerliche Veränderungen durch Lobbying abzuwenden, wurde die steuerliche Behandlung seit 2009 langsam jener von Kapitalgesellschaften angeglichen. Die österreichische Privatstiftung wird jedoch weiterhin von österreichischen Banken als „interessantes Instrument für die individuelle Vermögens- und Nachfolgeplanung“ bezeichnet. Von Gemeinnützigkeit keine Rede.