Seit Ausbruch der Corona-Pandemie im Februar 2020 haben sich unzählige Menschen am Arbeitsplatz oder am Weg dorthin mit dem Virus infiziert. Insbesondere für Betroffene von Long-Covid kann die Anerkennung der Erkrankung als Berufskrankheit bedeutend sein, um existenziellen Ängsten entgegenzuwirken und eine bestmögliche medizinische Versorgung zu erhalten. Aktuelle Zahlen zeigen, dass Versicherte in der praktischen Durchsetzung ihrer Ansprüche allerdings vor zahlreiche Probleme gestellt sind.
Wann liegt eine Berufskrankheit vor?
Eine Erkrankung an Covid-19 ist eine Berufskrankheit, wenn die Infektion in einem in der Berufskrankheitenliste (BK-Liste) angeführten „Listenunternehmen“ erfolgte. Explizit genannt werden Gesundheitseinrichtungen, wie Kranken- und Pflegeanstalten, öffentliche Apotheken, Bildungseinrichtungen, Laboratorien und Justizanstalten; erfasst werden aber auch Unternehmen, in denen eine „vergleichbare Gefährdung“ besteht. Durch die Einführung dieser Generalklausel im Jahr 1998 sollten „alle anderen potentiell in Frage kommenden“ Unternehmen erfasst werden. Vor dem Hintergrund der Pandemie und der zahlreichen Einschränkungen durch die Covid-19-Gesetzgebung besteht unbestreitbar ein allgemein sehr hohes Risiko, sich mit Corona zu infizieren, das nicht auf bestimmte Unternehmen beschränkbar ist. Sofern in der Arbeit Kontakt zu anderen Menschen, insbesondere Kund:innen oder Kolleg:innen, besteht, kann in Zeiten einer Pandemie nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um vorwiegend gesunde Menschen handelt. Versicherte, die am Arbeitsplatz persönlichen Kontakt zu anderen Personen haben, sind daher unweigerlich einem vergleichbaren Infektionsrisiko ausgesetzt wie Beschäftigte von in der BK-Liste ausdrücklich aufgezählten Unternehmen.
Beweisführung
Wer behauptet, sich im beruflichen Umfeld infiziert zu haben, muss dies auch beweisen. Das bedeutet, die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung am Arbeitsplatz und die Infektion müssen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Wenn dies gelingt, wird im Sinne des sogenannten Anscheinsbeweises vermutet, dass die Infektion am Arbeitsplatz erfolgte. Zur Widerlegung dieses Beweises müsste der Unfallversicherungsträger nachweisen, dass die Infektion im privaten Umfeld zumindest gleich wahrscheinlich ist.
Der Nachweis der versicherten Tätigkeit und der Erkrankung wird in der Praxis kein Problem darstellen. Sofern die Indexperson bekannt ist bzw. ein Cluster am Arbeitsplatz vorlag, lässt sich auch die schädigende Einwirkung leicht beweisen. Schwieriger wird es dann, wenn man sich bei einer unbekannten Person infiziert hat. Bei regelmäßigem Kontakt mit anderen Menschen im beruflichen Umfeld (Patient:innen, Kinder, Kund:innen etc.) ist es in Zeiten einer Pandemie sehr wahrscheinlich, dass eine Exposition mit dem Virus im krankheitsauslösenden Ausmaß am Arbeitsplatz vorliegt. Ob die Infektion mit überwiegender Wahrscheinlichkeit am Arbeitsplatz erfolgt ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Sofern allerdings ein privater Kontakt mit einer infizierten Person, insbesondere z. B. durch Mitbewohner:innen, ausgeschlossen werden kann, wird bei entsprechend vielen Kontakten im Arbeitsumfeld in der Regel die Ansteckung im beruflichen Kontext wahrscheinlicher sein als bei einer privaten Tätigkeit wie Einkaufen, Theater- oder Friseurbesuch etc.
Aktuelle Daten – Probleme in der Praxis
Die Vollziehungspraxis der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) hat gezeigt, dass Versicherte in der praktischen Durchsetzung ihrer Ansprüche vor zahlreiche Probleme gestellt sind. Beispielsweise wird die in der BK-Liste normierte „vergleichbare Gefährdung“ de facto nicht geprüft, folglich eine Anerkennung als Berufskrankheit außerhalb der explizit aufgelisteten Unternehmen von Vornherein ausgeschlossen.
Zudem hat sich gezeigt, dass selbst die Nennung einer Indexperson bzw. das Aufzeigen eines Clusters im Arbeitsumfeld unter gleichzeitigem Ausschluss einer Infektion im privaten Umfeld von der Unfallversicherung teilweise als nicht ausreichende Beweisführung befunden wird. Beispielsweise wurde im Fall einer Kindergartenpädagogin, die sich bei ihrer Kollegin infizierte, die Infektion nicht als Berufskrankheit anerkannt.
Ein weiteres Problemfeld ist die schleppende Erledigung der Meldungen durch die Unfallversicherung. Seit Ausbruch der Pandemie wurden in Österreich 27.045 Covid-Erkrankungen als Berufskrankheit gemeldet, wovon bislang nur 15.655 erledigt wurden. In 42 % der Fälle warten Versicherte daher nach wie vor auf eine Entscheidung der AUVA. Von den bereits abgeschlossenen Fällen wurde jeder zweite negativ entschieden. Ein Blick nach Deutschland zeigt, dass es auch anders geht: Von bislang 290.259 gemeldeten Verdachtsanzeigen wurden bereits 216.956, also knapp 75 %, erledigt. In 74 % der Fälle wurde die Infektion als Berufskrankheit anerkannt.