Bewertung von Teilzeitarbeit

23. September 2013

Rein mathematisch betrachtet möchte man meinen, dass eine Stunde Arbeit für vergleichbare Tätigkeiten und Qualifikationen auch zu ähnlichen Stundenlöhnen führt. Dem ist jedoch nicht so. Eine aktuelle Auswertung zu den Stundenlöhnen  zeigt, dass bei einer Arbeitsstunde  im Durchschnitt mit einem Viertel weniger  zu rechnen ist, wenn es sich dabei um Teilzeitarbeit handelt.

Die Feststellung, dass Teilzeitarbeit oft mit Nachteilen verbunden ist, ist nicht neu. Zahlreiche Untersuchungen kommen zum Ergebnis: Teilzeitbeschäftigung erfährt in der Regel weniger Anerkennung. Es gibt Nachteile bei der betrieblichen Weiterbildung und kaum Aufstiegsmöglichkeiten mit Teilzeit. Dass nicht jede Arbeitsstunde für vergleichbare Tätigkeiten gleich viel Wert ist veranschaulicht auch, dass die Mehrarbeit von Teilzeitbeschäftigten lange Zeit zuschlagsfrei war im Unterschied zu den Überstunden von Vollzeitbeschäftigten. Nach längerer Debatte, ob mit einem Zuschlag ausschließlich das hohe Stundenausmaß oder auch die Flexibilität von zusätzlicher Arbeit abgegolten werden soll, wurde 2008 ein Mehrarbeitszuschlag eingeführt. Dieser wird allerdings mit einem Aufschlag von 25 Prozent noch immer schlechter bewertet als die Abgeltung von Überstunden mit 50 Prozent.

Dass Teilzeitarbeit in besonderem Maße von Benachteiligungen betroffen ist, verdeutlicht auch die gesetzliche Einführung des Diskriminierungsverbots von Teilzeitarbeit ab 1997.

Wieso wird Teilzeitarbeit gesellschaftlich benachteiligt?

Es existieren viele Vorurteile im Zusammenhang mit Teilzeit. So ist etwa die Meinung weit verbreitet, Teilzeitarbeit sei nicht mit Führungsaufgaben vereinbar.  Auch die nicht permanente Verfügbarkeit wird häufig problematisiert. Gleichzeitig ist nur allzu gut bekannt, dass Topmanager mit vielfachen Aufgaben, Funktionen wie Aufsichtsräten etc. betraut sind, so dass sie ihren unmittelbaren Führungsaufgaben oft nur sehr begrenzte Zeit nachkommen können.

Die Bewertung reduzierter Arbeitszeit ist im Kontext des dahinter liegenden Motivs zu sehen. Wird der Arbeitsumfang reduziert, um unbezahlte Arbeit wie Kinderbetreuung oder Pflege zu leisten, so ist dies oft mit einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen wie beruflichem Abstieg, Verlust von Leitungsfunktionen etc. verbunden. So zeigt eine Analyse von Beratungsfällen der AK Wien, dass  Benachteiligungen im Zusammenhang mit Betreuungspflichten häufiger vorkommen, wenn der Wiedereinstieg in Teilzeit erfolgt.

Dackweiler und Rosenberger konnten am Beispiel öffentlicher Führungskräfte mit politischem Mandat aufzeigen, dass in diesen Fällen Karriere und Teilzeit sehr wohl möglich ist, nicht jedoch, wenn es um die Vereinbarung von Familie und Beruf geht.

Faire Bewertung von Teilzeitarbeit und ausgewogene Verteilung von Arbeit zwischen den Geschlechtern

Es braucht noch viel Bewusstseinsarbeit, um die Vorurteile und Benachteiligungen gegenüber Teilzeitbeschäftigten zu beseitigen und ihnen die gleichen Karrierechancen zugänglich zu machen. Notwendig ist aber auch, die Kluft bei der Arbeitszeit zwischen den Geschlechtern zu verringern. Denn der rasante Anstieg von Teilzeit bei Frauen ist auch Ausdruck eines Umbruches bei der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern. War früher das Ernährermodell mit einem längeren  Fernbleiben von Frauen vom Arbeitsmarkt bestimmend, so ist heute das Haupt- und ZuverdienerInnenmodell an erster Stelle. Mit 43 Prozent ist die Arbeitsteilung „Mann Vollzeit/Frau Teilzeit“ das am häufigsten gewählte Modell zwischen Partnern mit Kindern bis 15 Jahren, wie dies die Familien- und Haushaltsstatistik 2012 eindrücklich dokumentiert.

Der Weg sollte dahin führen, dass Kinder nicht mehr zu dieser auf Jahre und oft Jahrzehnte unausgewogenen Verteilung von unbezahlter und bezahlter Arbeit führen. Es braucht eine Neuverteilung von Arbeit. Unbezahlte Arbeit muss zu bezahlter Arbeit werden durch bessere öffentliche Angebote der Kinderbetreuung, durch ganztägige Schulen, wo auch das Lernen und Aufgabenmachen stattfindet und durch gute Angebote für Menschen, die Pflege und Betreuung benötigen. Das schafft Arbeit, entlastet vor allem Frauen von der unbezahlten Arbeit und schafft Spielräume für mehr Erwerbsarbeit. Und es braucht kürzere Arbeitszeiten für Frauen und Männer, damit noch Zeit für die persönliche Entfaltung und für gemeinsame Zeit mit Kindern und Angehörigen bleibt.