Baugruppen-Trend im geförderten Wohnbau in Wien?

28. Juni 2016

Wie in vielen deutschen Städten ist auch in Wien der Trend zu Baugruppen angekommen. Neben allgemeiner medialer Begeisterung für das Thema, richten sich auch eigene Internetportale an Baugruppeninteressierte mit Informationen und Vermittlungsangeboten. Auch die dezidierte Ausschreibung von Wettbewerben für Baugruppenprojekte in den großen städtischen Neubaugebieten zeigt, die steigende Bedeutung des Themas. In 13 untersuchten Baugruppenprojekten, die in den letzten drei Jahren realisiert wurden oder sich gerade in Realisierung befinden wurden insgesamt ca. 400 Wohneinheiten realisiert. Die überwiegende Mehrheit der Projekte wird als Mietwohnungen mit Mitteln der Wiener Wohnbauförderung von größtenteils gemeinnützigen Bauträgern gebaut.

Gemeinschaftlich Wohnen…

Die Hauptmotivation der meisten Baugruppen liegt in dem Bestreben gemeinschaftlich zu leben. Die Wichtigkeit von Gemeinschaftsräumen, guten nachbarschaftlichen Beziehungen und dem Zusammenleben mit Gleichgesinnten steht im Vordergrund. Wichtig ist den Baugruppenmitgliedern auch die Möglichkeit an der Planung der eigenen Wohnungen sowie der gemeinschaftlichen Räume zu partizipieren. Aus der Idee der Baugruppe eröffnen sich auch Potentiale für die alternative und ressourcenschonende Organisation von weiteren Lebensbereichen wie gemeinschaftlicher Hausarbeit, car-sharing oder food-coops.

Manche Baugruppen schließen sich zusätzlich aufgrund spezifischer Interessen zusammen. Beispielsweise ‚bikes & rails‘ im Sonnwendviertel, das sich spezifisch an FahrradliebhaberInnen richtet, oder B.R.O.T, ein Wohnprojekt für christlich-gläubige Menschen. Besonders erfolgreich und daher auch schon mit drei Ablegerinnen vertreten ist die Initiative Frauenwohnprojekt, in der Mietverträge ausschließlich mit Frauen abgeschlossen werden. Oder auch das Projekt Que[e]rbau, das sich an Menschen richtet, die abseits heteronormativer Lebenskonzepte wohnen möchten.

… aber für wen?

Laut Baugruppen-Experte Robert Temel zeichnen sich Baugruppen meist durch einige verbindende sozialstrukturelle Charakteristika aus. Baugruppen-Mitglieder weisen meist ein hohes Bildungsniveau auf mit überdurchschnittlichen Anteilen von AkademikerInnen; vor allem die Initiierung und mitgestaltende Durchführung von Baugruppenprojekten setzt in vielen Fällen akademisches, bautechnisches oder architektonisches Wissen voraus. Um in einer Baugruppe aktiv mitgestaltend tätig zu sein, müssen bestimmte Zeitressourcen zur Verfügung stehen. Für zum Beispiel berufstätige AlleinerzieherInnen ist dies eher unwahrscheinlich.

Ein deutliches Bild zeichnen auch die vergleichsweise hohen Kosten, für die Baugruppen-Mitglieder aufkommen müssen. Auch wenn in Wien häufig mit Mitteln der Wohnbauförderung gebaut wird, liegen die Kosten in den Baugruppenprojekten durchschnittlich über den Kosten im gemeinnützigen Wohnbau. Durchschnittlich liegen laut aktueller AK-Studie im gemeinnützigen Wohnbau die Bruttomieten (inkl. BK und USt.) bei 6,48€/m2 im Bestand und bei 7,09€/m2 bei Neuvermietungen. In den untersuchten Baugruppen liegen die durchschnittlichen monatlichen Belastungen bei ca. 9,30€/m2 und die Finanzierungsbeiträge bei Einzug bei um die 400€/m2. Im Falle der Baugruppen schließen sich an die bereits per se überdurchschnittlichen monatlichen Mieten und Finanzierungsbeiträge noch einmalige sowie fortlaufende Beiträge für die Baugruppenvereine an. Beispielsweise in der Baugruppe Am Gleis 21 im Sonnwendviertel müsste – addiert man alle Angaben in deren Infofolder – ein Zwei-Personen-Haushalt in einer 80m2 Wohnung mit einmaligen Kosten von 64.400€ so wie mit einer monatlichen Bruttomiete von 843€ rechnen.

Zusammenfassend zeichnen sich Baugruppenprojekte durch einige spezifische Faktoren aus, durch die es zu einer strukturellen Bevorzugung von Mittelschichten kommt: höhere Kosten, professionalisierte Beteiligung, Zeitressourcen, Kontakte etc. prädisponieren gehobene Mittelschichten für die Mitgliedschaft in Baugruppen.

Öffentliche Förderung für Baugruppen?

Die meisten Baugruppenprojekte in Wien werden mit Mitteln der Wiener Wohnbauförderung umgesetzt. Es fällt auf, dass besonders gerne die sogenannte Heimförderung, die sich grundsätzlich an die Errichtung von Heimen für Jugendliche, Studierende und SeniorInnen richtet, von den Baugruppen in Anspruch genommen wird. So wurden etwa die Baugruppenprojekte Wohnprojekt Wien, Seestern Aspern, LiSa, B.R.O.T., Gleis 21 und bikes & rails mit Mitteln der Heimförderung errichtet.

Die Ursache für die Popularität der Heimförderung findet sich unter anderem in einem zentralen Element der Wiener Wohnbauförderung: der sogenannten Anbotsverpflichtung. Das Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz (WWFSG) sieht vor, dass bei Förderungserhalt ein Drittel der errichteten Wohnungen über die Wohnberatung Wien (also über die Stadt Wien) vergeben werden müssen. Eine soziale Vergabe der Wohnungen soll auf diese Weise garantiert werden. Die Vergabe anhand sozialer Kriterien allein läuft jedoch der Idee der ‚Gemeinschaft von Gleichgesinnten’ in Baugruppen zu wider. Aus Sicht der Baugruppen wird dazu argumentiert, dass „gemeinschaftliche Wohnformen ein spezielles Angebot für viele, aber eben nicht für alle Menschen gleichermaßen darstellen“. Der Umweg über die Inanspruchnahme einer Förderung für Heime erlaubt den Baugruppen, die Anbotsverpflichtung über die Wohnberatung Wien zu umgehen. Alle errichteten Wohneinheiten können direkt vom Bauträger bzw. direkt durch den Baugruppen-Verein vergeben werden.

Die Förderung für Heime bietet noch weitere Vorteile aus Perspektive der Baugruppen: Gemeinschaftsflächen können in der Förderung berücksichtig werden, die Obergrenze für förderbare Gesamtbaukosten erhöht sich und die Verpflichtung zur Schaffung von PKW Stellplätzen wird reduziert. Andererseits ergeben sich aber gravierende Probleme aus der Heimförderung, die die Leistbarkeit von Baugruppenprojekten noch zusätzlich reduzieren. Bei der Errichtung von Heimen kann nur die niedrigste Stufe der Förderung eingesetzt werden. In Kombination mit den erhöhten Gesamtbaukosten, die für die Errichtung von Heimen zulässig ist, macht sich dies in hohen monatlichen Kosten und Finanzierungsbeiträgen bei den BewohnerInnen bemerkbar. Zusätzlich ist es für BewohnerInnen von Heimen laut WWFSG nicht möglich, Wohnbeihilfe zu beziehen oder Eigenmittelersatzdarlehen zu beantragen. Im Weiteren stellt sich die Frage, ob auf Wohnungen, die mit Heimförderung errichtet wurden, das Mietrechtsgesetz (und damit unter anderem der Kündigungsschutz) anwendbar ist.

Baugruppen für alle?

Die Zahl der Baugruppenprojekte in Wien steigt und Baugruppen scheinen sich sowohl bei der Stadt als auch bei BewohnerInnen als sehr populäre Idee zu etablieren. Die positiven Aspekte von Baugruppen wie gemeinschaftliches Wohnen, partizipative Planung und lebendige Nachbarschaften, wären wohl für sehr viele unterschiedliche Menschen attraktiv. Die Teilhabebedingungen weisen jedoch in Richtung einer Mittelschichtsverzerrung.

Aus sozialpolitischer Sicht erscheint vor allem die Förderung von Baugruppen mit Mitteln der Wohnbauförderung für Heime problematisch: Hohe Kosten stehen dem Wegfall von Wohnbeihilfe und Eigenmittelersatzdarlehen gegenüber. Weiters entfällt die Anbotsverpflichtung von einem Drittel der Wohnungen durch die Stadt Wien. Dies erscheint aus sozialpolitischer Sicht in manchen Fällen nachvollziehbar, wenn etwa durch Baugruppen ansonsten diskriminierte Bevölkerungsgruppen bevorzugt werden sollen (wie etwa in den Frauenwohnprojekten oder im Queerbau). Handelt es sich jedoch um Baugruppen ohne spezifischen sozialen Schwerpunkt birgt die Vergabe von Wohnungen durch die Gruppe im Hinblick auf Verteilungspolitik und soziale Durchmischung Gefahren.

Wünschenswert wären Baugruppen, die für alle offen stehen und nicht gehobene Mittelschichten bevorzugen. Weiters dürfen die MieterInnenrechte nicht aufgrund von Förderbedingungen gefährdet werden und soziale Durchmischung im geförderten Wohnbau darf nicht verloren gehen. Anzudenken wären eigene Förderschienen für Baugruppen, die Kriterien für die soziale Durchmischung innerhalb der Gruppen vorsehen. Ein Weiterdenken in diese Richtung findet innerhalb von Baugruppen zum Teil bereits statt und sollte auch in die Diskussion von förderrechtlichen Bedingungen Einzug finden.