Potenzial positiv, Wirkung ambivalent, Mitbestimmung ausbaufähig. Der digitale Wandel im Betrieb aus der Sicht von BelegschaftsvertreterInnen.
Um konkurrenzfähig bleiben zu können, sind Unternehmen gefordert, sich einem stetig wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel anzupassen – so die These. In den letzten Jahren wurden in den meisten Unternehmen zunehmend moderne digitale Entwicklungen und Erweiterungen implementiert. Die Arbeit mit neuesten technischen Werkzeugen und Arbeitsformen, wie zB. Smartphones, Fertigungsroboter oder Teleworking – um nur einige wenige Beispiele zu nennen – gehört in vielen Betrieben zum Alltag. Solche Entwicklungen bringen Vor- und Nachteile, jedenfalls Veränderungen. Neben den Veränderungen des Arbeitsklimas und der Erhöhung von Flexibilitätsanforderungen sowie des Zeitdrucks, kommen nun auch digitale Herausforderungen auf die Belegschaft zu. Um die Auswirkungen des betrieblichen Strukturwandels auf ArbeitnehmerInnen greifbar machen zu können, wurden im Auftrag der Arbeiterkammer in den Jahren 2012 bis 2015 Online-Befragungen von 250 bis 300 Betriebsratsvorsitzenden durch das Institut für empirische Sozialforschung (IFES) unter der Projektleitung von Georg Michenthaler durchgeführt. Erstmals wurde im Rahmen des AK-IFES-Strukturwandelbarometers auch explizit die Wahrnehmung struktureller Veränderungen aufgrund der Einführung/der Veränderung des Einsatzes digitaler Technologien in den Betrieben angesprochen und abgefragt. Im Kontext aktueller Debatten über „Industrie 4.0“ (zur Kritik an diesem Diskurs siehe etwa https://awblog.at/industrie-4-0-als-globaler-power-speak/) oder neuer digitaler Arbeitsformen (siehe dazu etwa https://awblog.at/videoblog-arbeitswelt-4-0/) scheint es zweckdienlich, konkrete Erfahrungen von betroffenen ArbeitnehmerInnenvertreterInnen im Bereich des Einsatzes digitaler Technologien sowie der treibenden Kräfte sichtbar zu machen.
Was meint „Digitalisierung“ im Betrieb?
Die Operationalisierung des Phänomens „Digitaler Wandel“ erfolgte dabei durch die Abfrage, ob bestimmte digitale Technologien (Verwendung von mobilen Endgeräten mit Anbindung an das Firmennetzwerk, Softwaresystem zur Planung oder Steuerung der Produktion, automatisierter digitaler Austausch mit KundInnen oder Zulieferunternehmen, computergestützte Fertigungsprozesse oder virtuelle Arbeitsformen, wie etwa virtuelle Gruppenarbeit) bereits im gegenständlichen Betrieb eingesetzt werden oder im letzten Halbjahr in ihrer Einsatzintensität verändert wurden.
Was die Evidenz der digitalen Veränderungen in Betrieben betrifft zeigen die Ergebnisse der IFES-Studie das folgende Bild: 28% aller befragten Betriebsratsmitglieder sehen im letzten Halbjahr eine Erhöhung des Einsatzes digitaler Technologien in ihrem Betrieb (vgl. IFES, 2016: 18). Interessant ist auch, dass 71% der Befragten diese Entwicklung als eher von Vorteil für die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens würdigen, 48% sehen auch Vorteile für die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Ein deutlich differenzierteres Bild gibt es jedoch im Bereich der Arbeitsbelastungen: Hier sehen 59% der Befragten die Einführung digitaler Technologien als eher negativ (vgl. IFES, 2016: 29), ebenso sehen 49% eher negative Auswirkungen auf die Situation älterer Beschäftigter während hier nur 8% eher positive Auswirkungen sehen. Auch die Auswirkungen der Einführung digitaler Technologien auf die Work-Life-Balance werden von 34% eher negativ und nur von 18% eher positiv wahrgenommen.
Auf die Frage, ob die Einführung digitaler Technologien im Zusammenhang mit betrieblichen Veränderungen stand (vgl. IFES, 2016: 25), antworten nur 24% der Befragten negativ. In 60% der Fälle wurde die Einführung digitaler Technologien von organisatorischen Veränderungen im Betrieb begleitet, in etwa einem Viertel der Fälle wurden Geschäftsfelder verändert bzw. größere Investitionsvorhaben umgesetzt, in jedem fünften Fall gab es einen Wechsel im Management, einen Wechsel des Eigentümers oder eine Fusion. Der digitale Wandel steht also oftmals im Zusammenhang mit betrieblichen Veränderungen, die auch der Zustimmung der Aufsichtsgremien und somit auch der Information und der Einbindung der dort entsandten ArbeitnehmerInnenvertreterInnen bedürfen.
Unternehmen treiben – ArbeitnehmerInnen kämpfen um Mitbestimmung
Auf die Frage von welchen Gruppen die Umsetzung und die Einführung digitaler Technologien maßgeblich vorangetrieben wurde (vgl. IFES, 2016: 26) gibt es von Seiten der befragten ArbeitnehmerInnenvertreterInnen relativ klare Antworten. In 87% der Fälle war dies die Geschäftsführung, darauf folgen in 41% der Fälle die mittleren Führungskräfte und erst deutlich dahinter die technischen bzw. kaufmännischen Angestellten. In Unternehmen, die Teil eines Konzerns sind, gaben darüber hinaus 53% der Befragten an, dass die Einführung digitaler Technologien eine Konzernvorgabe und keine eigenständige Entscheidung der örtlichen Niederlassung war (vgl. IFES, 2016: 23). In 92% der Fälle erfolgte die Einführung digitaler Technologien aus Sicht der Betriebsratsmitglieder schlichtweg aus betrieblichen Kosten-Nutzen-Erwägungen (vgl. IFES, 2016: 24).