„Build Back Better“: Die Biden-Pläne zum Wiederaufbau der USA

29. Juni 2021

In den USA ist nun wieder Aufbruchsstimmung bemerkbar. Nachdem die COVID-Pandemie und die damit verbundene Wirtschaftskrise auch Amerika schwer getroffen hat, möchte die Biden-Administration das zutiefst gespaltene Land einen und zu einem lebenswerten Platz für alle in Amerika lebenden Menschen machen. Biden hat sich viel vorgenommen und bereits nach wenigen Wochen im Amt ambitionierte Pläne präsentiert. Dringend notwendige Schritte wurden angekündigt, um die amerikanische Infrastruktur zu verbessern, die Wirtschaft zu fördern, Millionen von guten Arbeitsplätzen zu schaffen und die in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter steigende Verteilungsungerechtigkeit zu mindern.

Die Vorgeschichte unter Trump

Zwar wurden gleich zu Beginn der Pandemie im März und April des letzten Jahres große Hilfspakete zwischen Republikanern und Demokraten vereinbart und auch umgesetzt („Coronavirus Aid, Relief and Economy Security Act“ – CARES und das „Payment Protection Program“), mit denen Finanzhilfen für Haushalte, Unternehmen, Bundesstaaten und Kommunen umgesetzt, das Arbeitslosenentgelt ausgeweitet sowie Unternehmen staatliche Notkredite gewährt wurden, wenn sie Löhne fortzahlten, statt Beschäftigte zu kündigen. Letztlich wurde aber die Zusammenarbeit der beiden Parteien immer schwieriger. Die Priorität der Republikaner lag nach einigen Monaten nicht mehr auf der Bekämpfung der Gesundheitskrise, sondern in der baldigen völligen Öffnung der Wirtschaft. Zusätzlich befand man sich im Wahlkampf, und die Politik der Republikaner fokussierte sich darauf, mittels Marketing, Einschüchterungsgehabe und Nationalismus Präsident Trump zu dienen. Der Aufschwung, der im dritten Quartal 2020 eingesetzt hatte, kam so bereits gegen Ende des Jahres wieder zum Erliegen und die Anzahl der Infektionen stieg wieder rasant an. Nachdem die Demokraten im November die Wahlen gewonnen hatten, war klar, dass es dringend Konzepte brauchte, um sowohl die Gesundheits- als auch die Wirtschaftskrise in den Griff zu bekommen und einen Weg heraus zu finden.

Die Demokraten unter Präsident Biden setzen gleich zu Beginn Prioritäten

Die Biden-Administration übernahm Ende Jänner 2021 nach vier Jahren Trump-Regierung die Verantwortung in einem zutiefst gespaltenen Land. Die Ungleichheiten sind gravierend – sowohl zwischen Arm und Reich als auch zwischen „weißen“ und „nicht-weißen“ EinwohnerInnen. Von Chancengleichheit für alle Bevölkerungsgruppen kann keine Rede sein, viele Millionen Menschen arbeiten unter prekären Bedingungen und können trotz Vollzeitbeschäftigung oder mehrerer Teilzeit-Jobs mit ihrem Einkommen ihre Lebenskosten nicht bestreiten. Überdies haben Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz verloren. Die COVID-Pandemie hat sowohl die massive Ungleichheit als auch die Verwundbarkeit und Unzulänglichkeiten des Gesundheitssystems deutlich gemacht und weiter verschärft.

Weiters nimmt die Biden-Administration – im Unterschied zur letzten Präsidentschaft unter Trump – die Klimakrise ernst. Es war eine der ersten Amtshandlungen von Biden, dem Pariser Klimaabkommen wieder beizutreten. Nun wird daher massiv in den Klimaschutz und die Energiewende investiert. Auch die Digitalisierung soll vorangetrieben werden und die Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Wirtschaft – vor allem auch gegenüber China – gestärkt werden.

Dementsprechend hat sich die Biden-Administration zum Ziel gesetzt, einen riesigen Kraftakt bei öffentlichen Investitionen zu initiieren. Das Weiße Haus zitiert Biden mit: „… this is no time to just build back to the way things were before, with the old economy’s structural weaknesses and inequalities still in place. This is the moment to reimagine and rebuild an American economy for our families and the next generation.” Biden selbst vergleicht die Vorhaben mit dem Bau der Highways und den Anstrengungen im Wettlauf in der Raumfahrt. Drei große Pakete wurden konzipiert, wovon eines bereits in Umsetzung und eines in Verhandlung ist. Das dritte wurde vor Kurzem vorgestellt. Die Demokratische Partei hofft, dass noch vor dem Sommer dieses Jahres die entsprechenden Beschlüsse gefasst werden können.

„Build Back Better“ – die drei großen Pakete

Die drei Pakete bestehen aus einer Soforthilfe („The American Rescue Plan“) in Höhe von rund 1,8 Billionen Dollar, die aus dem Budget finanziert werden, sowie zwei längerfristigen Investitionsprogrammen, dem „American Jobs Plan“ und dem „American Families Plan“, im Ausmaß von 1,8 Billionen bzw. mehr als 1 Billion US-Dollar.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

„The American Rescue Plan“

Gleich zum Start der demokratischen Präsidentschaft hat die Regierung im Rahmen des am 11. März verabschiedeten „American Rescue Plan“ mehrere Maßnahmen im Ausmaß von insgesamt 1,8 Billionen US-Dollar als Soforthilfe vorgesehen. Diese Maßnahmen werden aus dem laufenden Budget finanziert. Die Demokraten konnten diese Maßnahmen im Alleingang durchsetzen, da sie erstens im Kongress über eine Mehrheit verfügen und zweitens beim 50:50-Patt im Senat mit der Vizepräsidentin Kamala Harris über die ausschlaggebende Stimme verfügen.

Dieser Rescue Plan fokussiert darauf, zunächst die allerdringendsten Probleme in den Griff zu bekommen. Das war erstens die Bekämpfung der Gesundheitskrise mit einem riesigen Impfprogramm – Biden hatte versprochen, 100 Millionen Impfungen in den ersten 100 Tagen seiner Präsidentschaft bereitstellen zu lassen. Tatsächlich wurde dies in wesentlich kürzerer Zeit geschafft und das Impfprogramm auf alle AmerikanerInnen ab 16 Jahren ausgeweitet. Zweitens brachten sie eine Soforthilfe auf den Weg für jene, die am meisten unter der Krise leiden. Dabei wurden bisher rund 165 Millionen Auszahlungen getätigt, die nicht-wohlhabende Familien, ArbeiterInnen, Selbstständige und PensionistInnen mit 1.400 US-Dollar pro Person unterstützen. Mit diesem „American Rescue Plan“ sollen laut Biden in diesem Jahr über fünf Millionen Kinder aus der Armut geholt und damit die Kinderarmut um mehr als die Hälfte reduziert werden.

„The American Jobs Plan“

Dieses riesige Investitionsprogramm über einen Zeitraum von acht bis zehn Jahren, das laut „New York Times“ 2,3 Billionen US-Dollar schwer ist, wurde am 31. März 2021 präsentiert und betrifft Reparatur und Ausbau der amerikanischen Infrastruktur sowie die Schaffung von Millionen von guten Arbeitsplätzen. Seit den 1960er-Jahren ist der Anteil der öffentlichen Investitionen an der Gesamtwirtschaft kontinuierlich gesunken, und nun besteht enormer Nachholbedarf.

Eingeplant sind 621 Mrd. US-Dollar für Verkehrsprojekte (Brücken, Straßen, öffentlicher Verkehr, Flughäfen und Hafenanlagen) sowie für die Förderung der Elektromobilität. Weitere 111 Mrd. US-Dollar sollen für die Modernisierung der Wasserinfrastruktur und Energienetze sowie den Ausbau des Breitbandinternets aufgebracht werden. Für den Bau und die Renovierung von Schulen sollen 100 Mrd. US-Dollar zur Verfügung stehen. Weiters soll Geld für die Erneuerung öffentlicher Gebäude und die Förderung von 500.000 leistbaren Wohnungen zur Verfügung stehen. Ein mit 400 Mrd. US-Dollar großer Teil des Plans ist für Pflegeeinrichtungen und betreutes Wohnen für alte und behinderte Personen vorgesehen.

Diesen Plan unterstützt auch die US-amerikanische Umweltorganisation World Resources Institute (WRI), die von 1 Billion Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen ausgeht, da auch große Beträge u. a. für die Verbesserung von Energieeffizienz von Gebäuden, Elektroautos und Ladestationen sowie den öffentlichen Verkehr vorgesehen sind. Außerdem soll für den Klimaschutz ein sogenannter „Climate Corps“, ein bezahlter Freiwilligendienst, geschaffen werden.

Die Biden-Administration legt auch Wert darauf, dass die Arbeitsbedingungen verbessert, faire Löhne gezahlt werden und die gewerkschaftliche Vertretung wieder gestärkt wird.

Die Maßnahmen dieses „American Jobs Plan“ sollen innerhalb von 15 Jahren über den sogenannten „Made in America Tax Plan“ finanziert werden. Dabei soll einerseits die Körperschaftsteuer von 21 Prozent auf 28 Prozent angehoben werden und andererseits steuerminimierendes Verhalten ausländischer Konzerne abgestellt werden. Die Mindeststeuer auf Gewinne global agierender Unternehmen möchte Biden von 10,5 auf 21 Prozent erhöhen. Konkret zitiert wird hierbei Amazon, das laut Biden in den USA keine Gewinnsteuern zahlt. Biden dazu: „The plan will ensure that corporations won’t be able to get away with paying little or no tax by shifting jobs and profits overseas. It will reward investment at home, stop profit shifting, and ensure other nations won’t gain a competitive advantage by becoming tax havens.” Die Schaffung von Arbeitsplätzen in den USA soll hingegen belohnt werden.

Bei all diesen Maßnahmen dürften allerdings noch langwierige Verhandlungsrunden bevorstehen, da dieser Plan eine Mehrheit in beiden Kammern braucht und sich nicht nur die Republikaner dagegenstemmen, sondern auch manche Abgeordnete aus den eigenen Reihen der Demokraten ihre Kritik angemeldet haben. Darunter auch Alexandria Ocasio-Cortez, die der Meinung ist, dass sich das Programm über einen zu langen Zeitraum streckt und zu gering bemessen ist.

„The American Families Plan“

Dieses dritte große Paket in Höhe von insgesamt 1,8 Billionen US-Dollar zielt darauf ab, die Mittelschicht wieder zu stärken und die ökonomische Sicherheit, Chancen und Perspektiven für benachteiligte Bevölkerungsgruppen zu verbessern. Es besteht aus zwei Teilen: Erstens sollen Gelder im Ausmaß von 1 Billion US-Dollar in Ausbildung und Gesundheit investiert werden, zweitens sollen 800 Mrd. US-Dollar als Steuererleichterungen für Familien und ArbeitnehmerInnen eingesetzt werden.

Zur Finanzierung soll ein Maßnahmenbündel beitragen, das darin besteht, erstens Trumps Steuergeschenke an Reiche wieder zurückzunehmen, und zweitens eine Steuerreform inkludiert, die laut Biden Arbeit und nicht Reichtum honoriert („a tax reform agenda that rewards work – not wealth“).

Ausblick

Auch wenn abzuwarten bleibt, welche konkreten Umsetzungsschritte in den politischen Verhandlungen durchgesetzt werden können, ist die positive Grundstimmung bereits jetzt wahrnehmbar. Sowohl die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) als auch die OECD schätzen, dass durch die Ankündigungen der „Build Back Better“-Maßnahmenbündel und die in Aussicht gestellten enormen Investitionsprogramme das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr in den USA um 6,5 Prozent wachsen könnte (Zum Vergleich: Für die Eurozone erwartet die OECD mit 4 Prozent ein niedrigeres Wachstum, wobei damit gerechnet wird, dass auch Europa durch vermehrte Exporte vom US-amerikanischen Aufschwung profitieren kann).

Sollten die Pläne tatsächlich binnen der nächsten Jahre umgesetzt werden können, würden die USA viele Versäumnisse der Vergangenheit wieder aufholen und große Schritte in Richtung mehr Verteilungsgerechtigkeit, Chancengleichheit und Klimaschutz unternehmen.

Dieser Artikel ist Ende Mai in „Wirtschaftspolitik-Standpunkte“, 1/2021 erschienen.

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