Bilanzpolizei wozu?

22. März 2013

Lange hat es gedauert, im Herbst 2012 hat sich die Bundesregierung doch entschlossen, den EU-Vorgaben nachzukommen und eine „Bilanzpolizei“ einzurichten – genauer ausgedrückt: eine Kontrollbehörde für die Einhaltung der Rechnungslegungsvorschriften. Seit 2007 war Österreich  als einziges europäisches Land  säumig. Gebraucht hat es deshalb so lange, da sich die beiden Regierungsparteien nicht über die Organisation der Bilanzpolizei einigen konnten. Während die SPÖ einen einstufigen Enforcementprozess – mit der Finanzmarktaufsicht FMA als zuständiger Kontrollbehörde – favorisierte, präferierte die ÖVP eine zweistufige Struktur, bei der die operative Durchführung der Prüfungen einem privatwirtschaftlichem Verein übertragen  wird– ähnlich der Konstruktion in Deutschland.  Gekommen ist nun eine zweistufige Struktur, wobei der FMA im Vergleich zur deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BAFIN, dem Pendant zur Österreichischen FMA,  weiter reichende Kompetenzen eingeräumt worden sind.  So wird die FMA unter bestimmten Voraussetzungen einzelne Prüfungen an sich ziehen und selbst durchführen können, auch für die Vorgabe des Prüfplans wird sie zuständig sein. Die AK hat sich immer für eine eingliedrige Organisation eingesetzt. Ein Verein, der für die operative Durchführung der Prüfungen verantwortlich ist, aber  vorwiegend von Unternehmerverbänden und Vertretern der Wirtschaftsprüfer getragen und finanziert wird, läuft schon alleine auf Grund des Systemaufbaus Gefahr, dass die Sicherung der Unabhängigkeit der Prüfung zum wunden Punkt wird.

Die erste Anforderung an die privatwirtschaftlich organisierte Prüfstelle muss es also sein, trotz dieses systemischen Defizits organisatorische Maßnahmen vorzusehen, die eine unabhängige und effektive Prüfung sichern. Der Gradmesser dazu wird etwa die Ausgewogenheit der Mitgliederstruktur sowie die Verankerung entsprechender Mitbestimmungs- und Kontrollrechte in den Vereinsorganen im Rahmen der Statuten sein. Die Organe haben darauf zu achten, dass die Durchführung der Prüfung entsprechend den in der Verfahrensordnung festgelegten Qualitätsstandard umgesetzt wird.  Entscheidend wird auch sein, wie die Schnittstelle zwischen der Prüfstelle und der FMA als zuständige Behörde aufgebaut wird.  Der Verein soll ja bloß die Durchführung organisieren, in der Hauptverantwortung bleibt in jedem Fall die Behörde selbst. Erfahrungen mit vergleichbaren Strukturen etwa bei  der Qualitätsprüfung der Wirtschaftsprüfer – die ebenfalls zweistufig aufgebaut ist (Qualitätskontrollbehörde und Arbeitsausschuss) – zeigen, dass die Zusammenarbeit aber auch die Kompetenzabgrenzung zwischen Behörde und privatwirtschaftlich organisierter Vorfeldprüfung eine große Herausforderung darstellt. Der Informationsfluss zur FMA muss jedenfalls optimal gewährleistet sein. Die Behörde muss die Qualität der Prüfungen in der Prüfstelle nachvollziehen und beurteilen können.

Bleibt noch die Kernfrage: wozu braucht man eigentlich die Bilanzpolizei? Der Wirtschaftsprüfer Alfred Brogyani meinte kürzlich in einer Ausgabe der Zeitschrift „Der Wirtschaftstreuhänder“ (01/2013, S37), dass das Rechnungslegungskontrollgesetz „eine weitere Regulierung sei, die außer Kosten nichts bringen wird.“ Er stützt sich in seinem Kommentar vor allem auf die zahlreichen gesetzlichen und sonstigen Maßnahmen in den letzten Jahren – etwa der Einrichtung eines Prüfungsausschusses, Verschärfungen der Rechnungslegungsbestimmungen, der Implementation freiwilliger Regelungen im Corporate Governance Kodex etc., die seiner Meinung nach „ausreichend in Geltung seien um die Rechtmäßigkeit und Richtigkeit der Rechnungslegung….zu gewährleisten.“ Brogyanis Skepsis kann durchaus etwas abgewonnen werden.  Tatsächlich reicht es nicht, gesetzliche Regelungen zu installieren, neue Kontrollinstanzen einzurichten oder bestehende mit neuen Kompetenzen auszustatten.  Das Problem liegt in der Umsetzung derselben. Und hier sind offensichtlich nach wie vor Schwachstellen zu orten, die dazu führen, dass das Vertrauen in die Rechnungslegung nach wie vor ein eher eingeschränktes ist. Dies wundert aber auch nicht wirklich. Ein Blick auf die komplexen IFRS-Standards, verschachtelten internationalen Konzernaufbauten, undurchschaubaren Finanzinstrumenten oder auf Bewertungsmethoden, die zukünftige Zahlungsströme als Grundlage für den Fair Value am Bilanzstichtag machen, genügt, um sich eine Vorstellung darüber zu machen, welche Unabwägbarkeiten das Rechenwerk eines Unternehmens in sich bergen.  Auch bei der Wirtschaftsprüfung sind Baustellen offen, insbesondere die Unabhängigkeit vom geprüften Unternehmen muss verbessert werden. Die Vorschläge der Kommission diesbezüglich werden gerade im EU-Rat diskutiert, die Wirtschaft sowie die Wirtschaftsprüfer laufen gegen einzelne Vorschläge wie der externen Rotation Sturm.

Der Nutzen einer Bilanzpolizei wird daher vor allem darin bestehen, die gelebte Praxis mit den komplexen regulatorischen Anforderungen in Einklang zu bringen. Ziel muss es sein, einen Beitrag zu leisten, dass sich Stakeholder auf das Zahlenwerk der Unternehmen verlassen können.  Gelingen wird dies aber wohl nur dann, wenn die Finanzmarktaufsicht als zuständige Behörde ihren Prüfungsauftrag optimal erfüllen kann und die privatwirtschaftlich organisierte Prüfstelle ihre Aufgabe primär in der Unterstützung der FMA  dabei sieht. Ein absolutes „No Go“ wäre eine Entwicklung, in der die Prüfstelle lediglich als Puffer zwischen Behörde und geprüften Unternehmen bzw mitgeprüften Wirtschaftsprüfern gesehen wird, mit dem impliziten Ziel, den Prüfungsdruck für die Geprüften zu reduzieren.

 

war Österreich  als einziges europäisches Land  säumig. Gebraucht hat es deshalb so lange, da sich die beiden Regierungsparteien nicht über die Organisation der Bilanzpolizei einigen konnten. Während die SPÖ einen einstufigen Enforcementprozess – mit der Finanzmarktaufsicht FMA als zuständiger Kontrollbehörde – favorisierte, präferierte die ÖVP eine zweistufige Struktur, bei der die operative Durchführung der Prüfungen einem privatwirtschaftlichem Verein übertragen  wird– ähnlich der Konstruktion in Deutschland.  Gekommen ist nun eine zweistufige Struktur, wobei der FMA im Vergleich zur deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BAFIN, dem Pendant zur Österreichischen FMA,  weiter reichende Kompetenzen eingeräumt worden sind.  So wird die FMA unter bestimmten Voraussetzungen einzelne Prüfungen an sich ziehen und selbst durchführen können, auch für die Vorgabe des Prüfplans wird sie zuständig sein. Die AK hat sich immer für eine eingliedrige Organisation eingesetzt. Ein Verein, der für die operative Durchführung der Prüfungen verantwortlich ist, aber  vorwiegend von Unternehmerverbänden und Vertretern der Wirtschaftsprüfer getragen und finanziert wird, läuft schon alleine auf Grund des Systemaufbaus Gefahr, dass die Sicherung der Unabhängigkeit der Prüfung zum wunden Punkt wird.

Die erste Anforderung an die privatwirtschaftlich organisierte Prüfstelle muss es also sein, trotz dieses systemischen Defizits organisatorische Maßnahmen vorzusehen, die eine unabhängige und effektive Prüfung sichern. Der Gradmesser dazu wird etwa die Ausgewogenheit der Mitgliederstruktur sowie die Verankerung entsprechender Mitbestimmungs- und Kontrollrechte in den Vereinsorganen im Rahmen der Statuten sein. Die Organe haben darauf zu achten, dass die Durchführung der Prüfung entsprechend den in der Verfahrensordnung festgelegten Qualitätsstandard umgesetzt wird.  Entscheidend wird auch sein, wie die Schnittstelle zwischen der Prüfstelle und der FMA als zuständige Behörde aufgebaut wird.  Der Verein soll ja bloß die Durchführung organisieren, in der Hauptverantwortung bleibt in jedem Fall die Behörde selbst. Erfahrungen mit vergleichbaren Strukturen etwa bei  der Qualitätsprüfung der Wirtschaftsprüfer – die ebenfalls zweistufig aufgebaut ist (Qualitätskontrollbehörde und Arbeitsausschuss) – zeigen, dass die Zusammenarbeit aber auch die Kompetenzabgrenzung zwischen Behörde und privatwirtschaftlich organisierter Vorfeldprüfung eine große Herausforderung darstellt. Der Informationsfluss zur FMA muss jedenfalls optimal gewährleistet sein. Die Behörde muss die Qualität der Prüfungen in der Prüfstelle nachvollziehen und beurteilen können.

Bleibt noch die Kernfrage: wozu braucht man eigentlich die Bilanzpolizei? Der Wirtschaftsprüfer Alfred Brogyani meinte kürzlich in einer Ausgabe der Zeitschrift „Der Wirtschaftstreuhänder“ (01/2013, S37), dass das Rechnungslegungskontrollgesetz „eine weitere Regulierung sei, die außer Kosten nichts bringen wird.“ Er stützt sich in seinem Kommentar vor allem auf die zahlreichen gesetzlichen und sonstigen Maßnahmen in den letzten Jahren – etwa der Einrichtung eines Prüfungsausschusses, Verschärfungen der Rechnungslegungsbestimmungen, der Implementation freiwilliger Regelungen im Corporate Governance Kodex etc., die seiner Meinung nach „ausreichend in Geltung seien um die Rechtmäßigkeit und Richtigkeit der Rechnungslegung….zu gewährleisten.“ Brogyanis Skepsis kann durchaus etwas abgewonnen werden.  Tatsächlich reicht es nicht, gesetzliche Regelungen zu installieren, neue Kontrollinstanzen einzurichten oder bestehende mit neuen Kompetenzen auszustatten.  Das Problem liegt in der Umsetzung derselben. Und hier sind offensichtlich nach wie vor Schwachstellen zu orten, die dazu führen, dass das Vertrauen in die Rechnungslegung nach wie vor ein eher eingeschränktes ist. Dies wundert aber auch nicht wirklich. Ein Blick auf die komplexen IFRS-Standards, verschachtelten internationalen Konzernaufbauten, undurchschaubaren Finanzinstrumenten oder auf Bewertungsmethoden, die zukünftige Zahlungsströme als Grundlage für den Fair Value am Bilanzstichtag machen, genügt, um sich eine Vorstellung darüber zu machen, welche Unabwägbarkeiten das Rechenwerk eines Unternehmens in sich bergen.  Auch bei der Wirtschaftsprüfung sind Baustellen offen, insbesondere die Unabhängigkeit vom geprüften Unternehmen muss verbessert werden. Die Vorschläge der Kommission diesbezüglich werden gerade im EU-Rat diskutiert, die Wirtschaft sowie die Wirtschaftsprüfer laufen gegen einzelne Vorschläge wie der externen Rotation Sturm.

Der Nutzen einer Bilanzpolizei wird daher vor allem darin bestehen, die gelebte Praxis mit den komplexen regulatorischen Anforderungen in Einklang zu bringen. Ziel muss es sein, einen Beitrag zu leisten, dass sich Stakeholder auf das Zahlenwerk der Unternehmen verlassen können.  Gelingen wird dies aber wohl nur dann, wenn die Finanzmarktaufsicht als zuständige Behörde ihren Prüfungsauftrag optimal erfüllen kann und die privatwirtschaftlich organisierte Prüfstelle ihre Aufgabe primär in der Unterstützung der FMA  dabei sieht. Ein absolutes „No Go“ wäre eine Entwicklung, in der die Prüfstelle lediglich als Puffer zwischen Behörde und geprüften Unternehmen bzw mitgeprüften Wirtschaftsprüfern gesehen wird, mit dem impliziten Ziel, den Prüfungsdruck für die Geprüften zu reduzieren.