Die 1970er Jahre haben die Maxime: „Jedes Kind muss gleich viel wert sein“, hervorgebracht…und auch im aktuellen Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung ist zu lesen: „Alle Kinder sollen unbeschwert aufwachsen und beste Zukunftschancen haben…“. Tatsächlich hat so mancher Reformvorschlag aber den gegenteiligen Effekt: Familien mit höheren Einkommen würden deutlich stärker profitieren.
Vorschläge für eine steuerliche Entlastung von Familien
Die österreichische Familienpolitik und die Förderung der Kinder baut auf 3 Säulen: Sachleistungen, Geldleistungen und steuerliche Begünstigungen. In der aktuellen Steuerreformdiskussion spielt die Förderung und die steuerliche Entlastung von Familien eine zentrale Rolle. Wie eine solche mögliche Entlastung ausschauen könnte, dazu gibt es natürlich verschiedene Möglichkeiten und auch Standpunkte. Wird dabei der Maxime, dass jedes Kind gleich viel wert sein soll nachgekommen? Oder sind mache Kinder, alleine weil sie in die richtige Familien hineingeboren wurden, doch ein bisschen mehr wert?
Derzeit existieren verschiedene steuerliche Begünstigungen nebeneinander die unterschiedlichste Zwecke erfüllen und einem schnell den Überblick verlieren lassen. ExpertInnen sind sich einig, dass eine Vereinfachung und Vereinheitlichung der steuerlichen Familienförderung unabdingbar ist, um die vorhandenen Mittel effizienter und zielführender einsetzen zu können. Hierzu gibt es verschiedene Vorschläge. Die einen treten vor allem für den Ausbau des Kinderfreibetrags und eine Zusammenführung der derzeitigen Familienbeihilfe mit dem Kinderabsetzbetrag und dem Alleinverdiener/erzieherabsetzbetrag ein. Andere hingeben bevorzugen die Zusammenführung der steuerlichen Leistungen (Kinderfreibetrag, Alleinverdiener/erzieherabsetzbetrag, Kinderbetreuungskosten) zu einem einheitlichen Kinderbildungsbonus, der auch voll negativsteuerfähig sein soll. Zweiteres würde bedeuten, auch Personen mit einem Einkommen unter der Steuergrenze profitieren von dieser Regelung.
Nicht alle profitieren
Bereits in der Vergangenheit hat sich der Kinderfreibetrag und die Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten – sie wurden beide 2009 eingeführt – als problematisch herausgestellt. Berücksichtigt werden diese nur dann, wenn sie beantragt werden. Vielfach wissen oder wussten die Eltern aber nicht, dass es diese steuerlichen Begünstigungen gibt und diese extra zu beantragen sind. Ein weiterer Spielverderber: Das oft zu geringe Einkommen der Person, die die steuerlichen Begünstigungen beantragt. Voraussetzung für eine steuerliche Entlastung ist ein Gehalt von mehr als 1.200 Euro brutto im Monat. Die Entlastung steigt entsprechend der Progression an: Je höher das Einkommen, desto größer auch der finanzielle Gewinn. Gerade alleinerziehende Personen stehen oft vor dem Dilemma, dass sie wegen der Kinderbetreuungsverpflichtung nur Teilzeit arbeiten können und die zusätzlich anfallenden Kinderbetreuungskosten dennoch nicht steuerlich verwerten können, weil sie zu wenig verdienen.
Umverteilung von Unten nach Oben
Verteilungspolitisch ist vor allem die Ausweitung des Kinderfreibetrages kritisch zu beurteilen. Zum einen stellt der Zugang zum Kinderfreibetrag bereits eine Barriere dar – denn auch dafür ist jedes Jahr ein Antrag notwendig. Gesellschaftspolitisch werden zudem nicht die richtigen Signale ausgesandt, denn es kommt zu einer massiven Umverteilung von unten nach oben. Unabhängig von der sozialen Herkunft ist der Grundbedarf, zum Beispiel für Bekleidung, Nahrung usw. für jedes Kind gleich hoch. Von diesem Prinzip ausgehend werden auch die Regelbedarfssätze abgeleitet, die den Durchschnittsbedarf für ein Kind in einer bestimmten Altersgruppe abbilden. Die Regelbedarfssätze werden als Grundlage für den Kindesunterhalt herangezogen. Was ein Kind im steuerrechtlichen Sinn unterm Strich tatsächlich „wert“ ist, wäre bei einem Ausbau des Kinderfreibetrags, aber von der Einkommenshöhe und der Steuerleistung der Eltern abhängig. Je höher das Einkommen, desto höher auch die finanzielle Stützung. Gerade Eltern die ein geringes Einkommen haben und umso dringender finanzielle Entlastung benötigen, profitieren im besten Fall in geringem Ausmaß von der Regelung, im schlimmsten Fall schauen sie komplett durch die Finger.
Die Frage die schlussendlich übrig bleibt: Ist nun jede Familie und jedes Kind tatsächlich gleich viel wert? Oder anders gefragt: warum sind manche Kinder mehr wert? Haben tatsächlich alle Kinder die gleichen Zukunftschancen? Natürlich werden die Zukunftschancen der Kinder nicht alleine von diesem einem Faktor abhängen, aber besteht nicht die Möglichkeit für mehr Ausgewogenheit zu sorgen?
Die faire Ausgestaltung ist eine Frage des politischen Willens
In der Verfassung ist festgelegt, dass der durchschnittliche Unterhalt für Kinder unabhängig von der sozialen Herkunft steuerlich zu berücksichtigen ist. Das bedeutet, dass ein bestimmter Teil des Einkommens zur Bestreitung des Unterhalts für die Kinder steuerfrei zu bleiben hat. Die Familienbeihilfe dient zumindest teilweise als Abdeckung des Unterhalts und vermindert somit die steuerlich relevante Unterhaltslast. Unabhängig vom Einkommen wird die Familienbeihilfe in gleicher Höhe als steuerfreie Transferleistung an alle Eltern ausbezahlt. Sie führt damit zumindest indirekt zu einer steuerlichen Entlastung, reduziert aber nicht die Steuerlast.
Neben der Familienbeihilfe stehen zwei weitere steuerrechtliche Instrumente zur Verfügung, mit denen der verfassungsrechtlichen Vorgabe entsprochen werden kann: der Kinderfreibetrag und der Kinderabsetzbetrag. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden liegt in ihrer Verteilungswirkung. Während der Kinderfreibetrag von der Einkommenshöhe abhängig ist, bringt der Kinderabsetzbetrag für alle Eltern eine gleich hohe Entlastung. Schon bisher wird der Kinderabsetzbetrag als Negativsteuer gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausgezahlt. Warum also nicht den Kinderabsetzbetrag ausweiten, anstatt den Kinderfreibetrag anzuheben? Das würde einerseits der gesetzlichen Vorgaben Rechnung tragen, Unterhaltsleistungen für Kinder steuerlich zu berücksichtigen. Und zugleich würde es das richtige Signal aussenden: Jedes Kind ist tatsächlich gleich viel wert. Die sogenannten „besten Zukunftschancen“ sind also eine Frage des politischen Willens!