Eine halbe Milliarde Euro entgehen der öffentlichen Hand jährlich aufgrund von Abgabenhinterziehung durch Scheinunternehmen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Instituts für höhere Studien. Diese sozialbetrügerisch agierenden Unternehmen, die meist in der Baubranche zu finden sind, unterschlagen jährlich Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in erheblichem Ausmaß. Laut der genannten Studie sind zwischen 12.800 und 29.600 ArbeitnehmerInnen bei vermeintlichen Scheinfirmen beschäftigt, die ebenfalls Leidtragende der betrügerischen Vorgehensweisen sind. Mit 1. Jänner 2016 ist das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz in Kraft getreten, von dem man sich einiges Positives erwarten kann.
Der Wettbewerbsvorteil durch Abgabenhinterziehung
Scheinunternehmen melden ArbeitnehmerInnen für eine Tätigkeit an, zahlen aber keine oder zu geringe Löhne und Lohnabgaben an die zuständigen Behörden. Mit Verstößen gegen Lohn-, Sozial und Steuerbetrug erlangen diese Unternehmen einen beträchtlichen Wettbewerbsvorteil im Vergleich zu korrekt handelnden Betrieben. Solche Unternehmen können billigere Angebote machen; wer keine oder zu geringe Abgaben zahlt, kann auch günstigere Preise anbieten.
Drei Varianten von Scheinunternehmen
Im Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz werden unterschiedliche Varianten von Sozial- und Lohnbetrug behandelt:
- Ein Unternehmen meldet Personen bei der Krankenkasse an, die Versicherten gehen jedoch keiner Erwerbstätigkeit nach. Das Unternehmen zahlt für die angemeldeten Personen keine Sozialversicherungsbeiträge ein, die Betroffenen nehmen allerdings Sozial- oder sonstige Transferleistungen, wie beispielsweise Krankenbehandlungen oder Krankengeld, in Anspruch. Das Unternehmen besteht quasi nur auf dem Papier, geht keiner unternehmerischen Tätigkeit nach, sondern “verkauft” für teures Geld die Anmeldungen zur Sozialversicherung.
- Eine weitere Möglichkeit des Sozial- und Lohnbetrugs besteht, wenn ein Unternehmen, das auch unternehmerisch tätig ist, Personen bei der Krankenkasse anmeldet, aber vorsätzlich keine oder zu geringe Sozialversicherungsbeiträge für ihre beschäftigten ArbeitnehmerInnen an die Krankenkasse leistet. In diesen Fällen entsteht der eingangs erwähnte Vorteil, dass diese Unternehmen günstigere Angebote machen können, weil keine Abgaben geleistet werden.
- „Schwarzarbeit“ ist eine weitere Form von Sozialbetrug: die ArbeitnehmerInnen gehen einer Erwerbstätigkeit nach und das Unternehmen ist unternehmerisch tätig. Die Unternehmen melden jedoch die ArbeitnehmerInnen nicht bei der Krankenkasse an, es werden daher keine Sozialversicherungsbeiträge oder Steuern bezahlt. In diesem Zusammenhang kommt es auch oft zu Lohndumping, das bedeutet die ArbeitnehmerInnen werden unter den kollektivvertraglich festgesetzten Löhne und Gehälter bezahlt.
Das Risiko- und Auffälligkeitsanalyse-Tool
Um nun einem Scheinunternehmen auf die Spur zu kommen, wurde aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre von den Krankenkassen ein Risiko- und Auffälligkeitsanalyse-Tool erstellt. Dabei werden anhand von elektronisch gespeicherten Daten der beteiligten Behörden (zB der zuständigen Gebietskrankenkasse oder des Finanzamtes) in einer Gesamtbetrachtung Auffälligkeiten abgeleitet und Beziehungsketten hergestellt, um so früh wie möglich das Scheinunternehmen zu unterbinden.
Als Anhaltspunkte für den Verdacht des Vorliegens eines Scheinunternehmens gelten zB:
- die ArbeitnehmerInnen oder die GeschäftsführerInnen oder die RechtsträgerInnen des Unternehmens sind nicht unter der bei den Behörden angegebenen Adresse zu finden.
- die Verwendung falscher oder verfälschter Urkunden oder Beweismittel durch die dem Unternehmen zuzurechnenden Personen,
- für die angegebene Branche im Unternehmen gibt es nicht die dafür notwendigen Maschinen, Werkzeuge oder das notwendige Betriebsvermögen,
- bereits bei der Anmeldung eines/r Dienstnehmers/in liegen nicht bloß geringe Rückstände an Sozialversicherungsbeiträgen vor.
Ergeben sich nun Verdachtsmomente, werden die Anhaltspunkte in einer Gesamtbetrachtung nach ihrem Gewicht, ihrer Bedeutung und ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt bewertet.
Das Verfahren bei konkretem Verdacht
Der Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens wird dem Unternehmen vom Finanzamt schriftlich mitgeteilt. Scheinunternehmen geben gerne als offiziellen Firmensitz nicht existente Türnummern, verwaiste Kellerabteile, Lagerräume in Innenhöfen oder reine Briefkastenadressen an. Erhält nun ein/e Firmeninhaber/in ein solches Schreiben, hat er/sie die Möglichkeit dagegen einen Widerspruch einzubringen. Können FirmeninhaberInnen nicht beweisen, dass die Verdächtigungen falsch sind, stellt die Behörde mit Bescheid fest, dass es sich um ein Scheinunternehmen handelt.
Die Konsequenzen für Scheinunternehmen
Das Finanzministerium wird den Namen des Scheinunternehmens in einer eigens dafür angelegten Liste im Internet veröffentlichen, außerdem erfolgt eine Eintragung im Firmenbuch. In dieser im Internet veröffentlichten Liste müssen AuftraggeberInnen vor der Beauftragung eines Unternehmens in Zukunft Einsicht nehmen. Wenn AuftraggeberInnen bewusst oder grob fahrlässig ein Scheinunternehmen zur Abwicklung eines Auftrages beauftragen, haften sie in Zukunft für alle Löhne für die bei der Auftragsdurchführung eingesetzten ArbeitnehmerInnen.
Durch diese Bestimmung konnte eine jahrelange Forderung der Arbeiterkammer zur Bekämpfung von Scheinunternehmen durchgesetzt werden. Sie kann daher als Herzstück der Reform rund um das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz bezeichnet werden, weil sie am Profit der auftraggebenden Unternehmen ansetzt.
Die Folgen für ArbeitnehmerInnen
Die Feststellung eines Scheinunternehmens hat auch Folgen für die beim Unternehmen angemeldeten Personen. Versicherte, die bei einem Scheinunternehmen angemeldet sind, werden von der zuständigen Gebietskrankenkasse schriftlich darüber informiert. Je nachdem ob die ArbeitnehmerInnen nachweisen können, dass Sie beim genannten Unternehmen beschäftigt waren, wird entweder ein Versicherungsverhältnis festgestellt oder die Pflichtversicherung rückwirkend beendet.
Umsetzung braucht ausreichende Ressourcen
Ein Gesetz zu beschließen ist die eine Seite, die Vollziehung eine andere. Der Erfolg der Bekämpfung von Scheinunternehmen hängt von den beteiligten Behörden und Institutionen ab. Werden von den Entscheidungsträgern die nötigen Personalressourcen zur Verfügung gestellt und erhalten die Behörden und Institutionen die nötige Unterstützung, dann steht einem Erfolg nichts mehr im Weg, denn das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz ist eine durchaus gute gesetzliche Grundlage zur Bekämpfung von Scheinunternehmen.