Nach Josef Pröll forderte nun auch Reinhold Mitterlehner den „schlanken“ Staat und die Entlastung der Leistungsträger bzw. Bestverdiener, andernfalls sei das das Ende der Koalition. Mit dem Ziel der Erhöhung des Leistungsbewusstseins knüpfen die Vorstellungen von Pröll und Mitterlehner über das Steuersystem der Zukunft an der unendlichen Geschichte der Leistungsträger an. Der Mythos Leistungsträger verkennt jedoch erstens, dass dem Staat eine wichtige Rolle als Vorleister des markwirtschaftlichen Systems zukommt. Zweitens wird das Potenzial ausgeblendet, dass gerade die leistungslosen Einkommen aus Erbschaften und Vermögen für eine weitere Entlastung der arbeitenden Menschen bietet.
2009 war es Josef Pröll, der am 14. Oktober in seiner „Rede an die Nation“ im Zusammenhang mit der Einführung des Transferkontos und seinen Vorstellungen über das Steuersystem der Zukunft die Entlastung der Leistungsträger forderte. Es müsse die Leistungsträger entlasten: Nämlich die, die arbeiten. Pröll und Mitterlehner wollen uns damit – wie schon Politikergenerationen vor ihnen – die folgende Geschichte erzählen: Alles wird gut, wenn man nur die Steuern für die „Leistungsträger“ senken würde, also für jene Menschen, die – gut ausgebildet und leistungsfähig – gerne ihr Bestes geben würden, aber durch die hohe Steuerlast tatsächlich viel weniger Leistung erbringen, als von ihnen zu erwarten wäre.
Würde nur der Staat die Steuerlast senken, dann wäre alles in Ordnung und die Wirtschaft würde florieren. Und weil viele, vor allem konservative und liberale Politiker an diese Geschichte glauben, wurden die Leistungsträger durch Senkungen der Spitzensteuersätze bzw durch Ausweitungen der Bemessungsgrundlagen in der Vergangenheit schon erheblich entlastet. Aber der Leviathan bürdet den Leistungsträgern immer noch – also auch nach der Steuerentlastung 2016 – eine zu hohe Steuerlast auf, daher nimmt die Geschichte ihren Lauf und ist stimmig mit der Forderung Mitterlehner’s nach weiterer Entlastung der Leistungsträger.
Staat als Vorleister des marktwirtschaftlichen Systems
Diese Forderung bedeutet, dass Leistungsträger weniger Steuern zahlen müssen als jene, die keine „Leistung“ erbringen: Nach Pröll also die, die nicht arbeiten. Nach Mitterlehner die, die nichts können. Leistungsträger müssten somit absolut entlastet werden, weil sie ja ohnehin schon die Leistung tragen. Dieses Bild von den Leistungsträgern mündet in letzter Konsequenz in einen Staat, der von den „Nicht-Leistungsträgern“ alimentiert wird. Diese Logik zu Ende gedacht würde das aber bedeuten, dass es dann keinen Staat mehr (auch keinen schlanken Staat, den Mitterlehner einforderte) gibt, weil diese mangels Leistung auch keine Einkommen haben könnten. Damit gäbe es aber auch niemanden, der für Rechtssicherheit und soziale Absicherung für die Wechselfälle des Lebens sorgt, der Bildung kostenlos zur Verfügung stellt, der Infrastrukturleistungen erbringt u.v.m.
Der Mythos Leistungsträger verkennt, dass dem Staat eine wichtige Rolle als Vorleister des markwirtschaftlichen Systems zukommt. Und weil in einer Marktwirtschaft eben nicht nur Leistung entlohnt wird (wie erklären sich sonst etwa ungleiche Entlohnungen für gleiche Arbeit), ist es gerechtfertigt, dass sich an der Finanzierung des Staates jene stärker beteiligen, die aus – welchen Gründen auch immer – überdurchschnittlich entlohnt werden.
Leistungslose Einkommen höher besteuern
Wenn wir die Frage der Finanzierung der Vorleistungen des Staates an Hand der individuellen Beiträge diskutieren würden, gelangen wir zwangsläufig zur Frage, ob die Armen oder die Reichen – absolut und proportional – mehr zur Finanzierung beitragen sollen.
Stimmt es wirklich, dass die vermeintlichen Leistungsträger einen überproportionalen Anteil der Steuer- und Abgabenlast tragen und ist das österreichische Abgabensystem leistungsgerecht? Zunächst weist Blick auf die gesamte Abgabenbelastung der Haushalte nach Einkommensdezilen auf eine nur leicht progressive Umverteilungswirkung des Abgabensystems hin: