Mit diesem Titel ist Gabriel Zucman’s „The Missing Wealth of Nations“ in deutscher Übersetzung erschienen. Mit seinem umfangreichen Forschungsprogramm, das ihn mit dem Vermögensforscher Thomas Piketty verbindet, schätzt Zucman aus einer enormen Datenmenge den weltweit in Steueroasen verborgenen Reichtum und den daraus resultierenden Steuerausfall. Gleichzeitig liefert er auch mutige Lösungsansätze.
Solide Daten & neue Schätzmethode
Grundlage für die Analyse sind offizielle, allgemein zugänglich Statistiken aus unterschiedlichen Datenquellen. Die verwendeten Statistiken sind allgemein zugänglich und die angewendeten Methoden detailliert dargestellt. Dadurch können die Forschungsarbeiten Zucmans auch leicht nachvollzogen werden.
Die Berechnungen Zucmans beruhen auf der Gegenüberstellung der Vermögensbilanzen der Länder. Darin werden die an das Ausland ausgegebenen Wertpapiere als Passiva in dem jeweiligen Land, in dem die Wertpapiere ausgegeben werden, geführt. Werden die Wertpapiere von Ausländern über eine Steueroase erworben, scheinen diese Werte als Aktiva in der Bilanz des Staates des ausländischen Erwerbers erst gar nicht auf. Dieses Land erhält aufgrund des Bankgeheimnisses in der Steueroase keine Information. Die vom Erwerbsvorgang betroffenen Aktiva fehlen, die Vermögensbilanz des betreffenden Landes bleibt daher unvollständig. Des Weiteren scheinen Wertpapiere, die in Depots von Banken verwaltet werden, in den Bilanzen der Banken nicht auf. Ebenso existieren keine Informationen über nicht-finanzielle Vermögenswerte wie z.B. Kunstwerke oder Schlösser.
Zucman´s Methode liefert damit valide Ergebnisse, sie lässt allerdings Termineinlagen und Bargeld außer Ansatz. Um diesen Mangel auszugleichen greift Zucman auf Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sowie der Nationalbanken der einzelnen Länder zurück. Auf diese Weise kann er das Privatvermögen auf den Bankkonten zuschätzen. Zucman macht – wie Piketty – die verwendeten Daten und seinen angewandten Methoden transparent, aber auch klar, dass er weiterhin an der Schließung bestehender Datenlücken arbeitet.
10% des Finanzvermögens liegen Offshore und sind zu 80% unversteuert
Ausgehend vom gesamten weltweiten Finanzvermögen von 73.000 Mrd. Euro berechnet Zucman, dass 8 % der privaten Finanzvermögen weltweit, das sind 5.800 Mrd. Euro, sich in Offshore Zentren befinden. Davon bleiben 80 % unversteuert. Ein Drittel davon ist in der Schweiz, der Rest verteilt sich auf andere Steueroasen. Mithilfe der Zuschätzungen kann Zucman ein Offshore-Vermögen von ca. 8.000 Mrd. Euro oder 10-11% der weltweiten Finanzvermögen errechnen.
Steueroasen ging es nie besser wie heute – das sagen die Fakten. Sowohl was die Reisefreiheit des Vermögens betrifft, als auch die Straffreiheit der Steuerhinterzieher.
Mit der Finanzkrise ist ein langfristiger Rückgang der Vermögen nicht erkennbar. 2013 waren 1.800 Mrd Euro ausländisches Vermögen in der Schweiz deponiert. Von 2009 bis Herbst 2013 ist das Auslandsvermögen, also das in der Schweiz verwaltete Vermögen der Devisenausländer um 14 % angestiegen. Durch den Informationsaustausch der Schweiz mit den USA über Konten von US-Staatsbürgern in der Schweiz, konnte die Vermögensflucht geringfügig eingeschränkt werden. Dies betrifft allerdings vorwiegend „kleine“ Anleger. Gleichzeitig wurden Ultrareiche angezogen, die die geringfügigen Verluste für die Schweizer Banken und Vermögenverwaltungen mehr als kompensierten.
130 Mrd. Euro Steuerausfall
Unter der Annahme, dass 80 % der offshore verwalteten Vermögen (lt. offizieller Schweizer Statistiken) nicht deklariert sind, liegen die geschätzten Steuerausfälle bei jährlich 130 Mrd. Euro. Der Einnahmenentgang bezieht sich größten Teils auf Einkommen- und Ertragssteuern, Erbschaftssteuern und auf Vermögenssteuern.
Doppelter Schaden & zu schwache Kontrollmöglichkeiten
Aus Schutz vor vermeintlich noch höheren Einnahmenausfällen wollten die Länder Anreize schaffen, das Kapital im Land zu behalten. Aus diesem Grund betrieben die einzelnen Staaten einen intensiven Steuersenkungswettlauf. Das Absenken von Steuersätzen führte jedoch nicht zu den gewünschten Ergebnissen. Letztendlich haben sich die Staaten sowohl durch den Einnahmenausfall aufgrund Steuerhinterziehung als auch durch den Einnahmenentgang wegen der niedrigeren Steuersätze doppelten Schaden zugeführt. Der Schaden hieraus ist beträchtlich, bleibt aber in Zucman´s Schätzungen unberücksichtigt.
Weltweit existiert keine wirkungsvolle Strategie, die einzelnen Staaten bei der Bekämpfung von Steueroasen in die Pflicht zu nehmen. Selbst der ab 2017 in der EU geltende automatische Informationsaustausch wird das Problem nicht eindämmen können – die einjährige Verlängerungsfrist einzig für Österreich wird ebenso bedeutungslos sein. Mithilfe von bestimmten Firmenkonstruktionen, Trusts sowie Briefkastenfirmen werden die wahren Eigentümerstrukturen weiterhin im Dunkel bleiben. Für eine erfolgreiche Bekämpfung von Steueroasen wären Zwangsmittel zur Durchsetzung von Maßnahmen sowie Kontrollmöglichkeiten notwendig.
Aktionsplan gegen Steuerflucht
Zur Eindämmung von Steuerflucht in Steueroasen bedarf es einer globalen Lösung. Zucman schlägt einen konkreten Aktionsplan vor, der auf drei Ebenen basiert. Als zentrale Maßnahme ist ein weltweiter Finanzkataster zu erstellen, der die tatsächlichen Eigentümer von Wertpapieren wie Aktien, Anleihen etc. festhält. Die zweite Ebene bezieht sich auf die wirkungsvolle Druckausübung auf Steueroasen. Deren ökonomische Bedeutung besteht einzig in der Vermögensanlegern gebotenen Intransparenz. Diese Länder sind im hohen Maße vom Handel abhängig, Zölle würden sie daher empfindlich treffen. Entsprechende Sanktionen von wirtschaftlich bedeutungsvollen Staatengemeinschaften wie den USA und der EU würden wirkungsvolle Resultate bringen.
Für die Umsetzung des Finanzkatasters schlägt Zucman den IWF als geeignete Institution vor, dem nahezu alle Länder der Welt angehören und der bereits aktuell mit Kapitalflüssen und Wertpapierbeständen betraut ist. Der IWF soll die Zusammenführung der Register bzw der Datenbasen der nationalen Zentraldepots, der Datenbasis von Euroclear Belgien und Clearstream Luxemburg (beide sind Register von im Ausland ausgegebenen Wertpapieren) gewährleisten. Diese Zusammenführung muss Informationen über sämtliche Wertpapiere enthalten. Zur Kontrolle der gelieferten Daten ist ein Abgleich mit den Bilanzen von Kapitalgesellschaften möglich. Für die Feststellung der Eigentümer sind Bestimmungen der Geldwäschegesetze hilfreich. Schließlich müssen die nationalen Finanzverwaltungen Zugang zum Finanzkataster haben.
Besonders schwerwiegend ist Steueroptimierung multinationaler Konzerne durch Gewinnverlagerungen oder Verrechnungspreissysteme sowie doppelte Nichtbesteuerung. Nach Zucmans Schätzungen könnten die Körperschaftsteuereinnahmen um 30 % gesteigert werden, die weltweiten Gewinne versteuert und die Steuereinnahmen mithilfe eines Verteilungsschlüssels nach den Konzernumsätzen in den jeweiligen Ländern entsprechend zugeteilt werden. Auch hier gelten effektive Sanktionsmöglichkeiten als Voraussetzung. Mit der Einführung einer globalen Besteuerung hat das Kapital keine Möglichkeit mehr, sich der steuerlichen Erfassung zu entziehen.
Conclusio
Gabriel Zucman stellt konkrete Wege der Steuerflucht von großen Vermögen und multinationalen Konzernen dar. Dabei bleiben jedoch Netzwerke und die tatsächlichen Machteinflüsse von Kapitalbesitzern sowie der Konzerne auf Regierungen unerwähnt. Zucmans abschließende Kritik an der mangelnden Courage und Entschlossenheit der einzelnen nationalstaatlichen Regierungen, trotz zahlreicher Lösungsvorschläge wirkungsvolle Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerflucht und Steueroasen, greift um diese Dimension zu kurz. Dennoch stellen seine Vorschläge zu weltweit gemeinsamen Regelungs- und Kontrollmechanismen durchsetzungsfähige Lösungsschritte dar.
Aviso: Am 30.Jänner 2015 präsentiert Gabriel Zucman sein Buch in der AK Wien.